Peer Steinbrück gilt als der SPD-Kandidat, der Kanzlerin Angela Merkel am ehesten gefährlich werden kann. Doch ein direkter Vergleich zeigt: In mehreren Punkten liegt der Herausforderer zurück.
von Ulrike Sosalla ,
Claudia Kade
und Thomas SteinmannBerlin
Peer Steinbrück ist ein brillanter Rhetoriker und reißt an guten Tagen jede größere Menschenansammlung mit. Allerdings geht die Freude an seiner eigenen Wirkung dabei gern mal mit ihm durch. Dann flicht er volkswirtschaftliche Exkurse ein, die nur eine Minderheit versteht, oder er redet sich um Kopf und Kragen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist keine geborene Rednerin. Doch in den beiden Bundestagswahlkämpfen 2005 und 2009 hat die CDU-Chefin an sich gearbeitet, sodass ihre Auftritte nun rhetorisch durchaus annehmbar, stellenweise sogar beinahe mitreißend sind. Dass sie zur Einpeitscherin und Marktplatzschreierin nicht taugt, passt außer dem zu ihrem sorgsam aufgebauten Image als präsidialer Euro-Kanzlerin und verständnisvoller Landesmutter.
Steinbrücks Pech ist, dass er Merkels Schwachpunkt gar nicht voll ausnutzen kann. Denn der Sozialdemokrat, geborener Hamburger wie die Kanzlerin, punktet beim ungefilterten Wählerkontakt auch nur bedingt. Zu sehr merkt man ihm die Ungeduld mit ahnungslosen Fragestellern und belanglosen Dialogen an.
Hier hat Merkel ganz klar einen schwachen Punkt: Wo immer die Kanzlerin auf ganz normale Bürger trifft, fremdelt sie merklich. Die Merkel’schen Wahlkampfstrategen streuen solche Begegnungen daher eher sparsam ins Programm ein und setzen lieber auf Formate, die Merkels Bürgerkontakten einen festen Rahmen geben, ähnlich dem Bürgerdialog, den sie als Kanzlerin führt.
Steinbrück ist unter führenden Sozialdemokraten zwar am engsten mit der Wirtschaft verbunden. Doch genau das könnte zum Problem werden: Denn erstens beäugt die Parteilinke misstrauisch, ob der Kandidat nicht zu viel Verständnis für Konzerne, Banken und die Oberschicht zeigt. Und zweitens bringen ihm seine ausgezeichneten Wirtschaftskontakte viel schlechte Presse derzeit ein, weil er sich für Vorträge, Reden und selbst Interviews in den Jahren, in denen er einfacher Abgeordneter war, gut bezahlen ließ.
Als Kanzlerin hat Merkel die deutschen Wirtschaftslenker zwar mehrmals gegen sich aufgebracht – zuletzt mit der Energiewende –, doch insgesamt bekommt sie passable Noten. Nicht zuletzt, weil den meisten Chefs eine rot-grüne Koalition noch viel mehr Sorgen bereiten würde.
Steinbrück gibt sich gern kämpferisch - und ist selten um markige Worte verlegen. Ob er sich als Finanzminister mit der Schweiz anlegte ("Kavallerie") oder als Sozialdemokrat mit der eigenen Partei ("Heulsusen"): Seine Tiraden zielen dahin, wo es weh tut. Ob seine Angriffslust im Wahlkampf gegen die präsidiale Attitüde der Kanzlerin ankommt, muss sich zeigen. Für Steinbrück spricht, dass er wenig zu verlieren hat: Klappt es 2013 nicht mit dem Wahlsieg, kann er sich zurückziehen und es anderen überlassen, die Scherben aufzusammeln.
Der politische Langstreckenlauf ist Merkels Königsdisziplin. Allein schon die Tatsache, wie viele laute, rauflustige Politiker sie im Lauf ihrer politischen Karriere hinter sich ließ, zeigt, was Merkels Kampfkraft ausmacht: langer Atem und zäher Durchhaltewillen. Ihr kommt daher zugute, dass die SPD die Nominierung ihres Kandidaten nun doch vorgezogen hat. Denn ein Jahr bis zur Bundestagswahl ist im politischen Berlin eine sehr, sehr lange Zeit.
Mit Steinbrück hat die SPD einen Kandidaten, der als Finanzminister 2008/09 bewiesen hat, dass auch er "Krise kann" - und damit der Euro-Kanzlerin Paroli bieten will. Ob das klappt, dürfte weniger an seiner Performance liegen, sondern an der Entwicklung in den Euro-Krisenstaaten.
Wenn es hart auf hart kommt - falls etwa die Euro-Krise eskaliert -, hofft die Kanzlerin, damit zu punkten, dass viele Wähler ihr den besten Überblick in einer Krise zutrauen. Gerade im Euro-Drama kann das allerdings auch schiefgehen: Falls eine Mehrheit nämlich zu dem Schluss kommen sollte, dass Merkels Politik die Misere verschlimmert hat.
In Europa sind 18 Millionen Menschen ohne Job - eine monströse Zahl. Die Massenarbeitslosigkeit könnte zu einem Schaden führen, der Jahre, ja Jahrzehnte anhält. Die Jugend darf nicht kaputtgespart werden. mehr
Die Idee ist nett: Oma und Opa kümmern sich um die Enkel, um die berufstätigen Eltern zu entlasten. Doch schon die jetzige Elterngeneration schafft es kaum, ihre Lebensentwürfe mit beruflicher Mobilität zu vereinen. Die Großelternzeit birgt in ihrer jetzigen Planung mehr Fallstricke als Vorteile. mehr
Der Bankenplan von Peer Steinbrück bietet zwar wenig Überraschendes, taktisch klug ist seine Präsentation aber allemal: Er überzeugt mit ernsten Theorien statt Polemik und räumt Vorbehalte gegen ihn aus dem Weg. Wer soll ihn jetzt noch von der Kanzlerkandidatur abhalten? mehr
Das Bundesverfassungsgericht urteilt über den ESM, in Brüssel tagt die Euro-Gruppe, Bundespräsident Gauck fordert von Kanzlerin Merkel Klartext zur Euro-Rettung. Blicken Sie noch durch? Testen Sie Ihr Euro-Wissen.
Wie hoch soll das Stammkapital des Europäischen Stabilisierungsmechanismus ESM sein?
Aus Sicherheitsgründen möchten wir Ihre E-Mail-Adresse bestätigen.
Klicken Sie bitte dazu den Aktivierungs-Link, den wir Ihnen
gerade per E-Mail an zugesendet haben.
Die EU-Luftsicherheitsagentur hat ihre Vorstellungen zu Flug- und Ruhezeitregeln für Piloten und Flugbegleiter veröffentlicht - und damit die Gewerkschaften erzürnt. Sie warnen vor den neuen Flugzeitenregeln. mehr
Libyens Regierung geht einer neuen Fährte nach. Der frühere Chefspion und Vertraute von Muammar al-Gaddafi berichtet von einem verborgenen Schatz des getöteten Machthabers. Wahrheit oder Spinnerei? mehr
Die Debatten im EZB-Rat bleiben 30 Jahre lang geheim. Zwar rätseln Ökonomen, was dort besprochen wird. Doch vielen wird beim Gedanken an öffentliche Protokolle mulmig. mehr
Börsen- und Finanzmarktdaten:
Bereitstellung der Kurs- und Marktinformationen erfolgt durch die Interactive Data Managed Solutions
AG. Es wird keine Haftung für die Richtigkeit der Angaben übernommen!