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Merken   Drucken   14.09.2012, 17:32 Schriftgröße: AAA

Fed-Stütze: Daran krankt die US-Wirtschaft

Die amerikanische Wirtschaft kommt nicht auf die Beine - und zwingt die Notenbank zu außergewöhnlichen Aktionen. Warum die USA schwächeln. Ein Überblick.
© Bild: 2012 Reuters/REBECCA COOK
Die amerikanische Wirtschaft kommt nicht auf die Beine - und zwingt die Notenbank zu außergewöhnlichen Aktionen. Warum die USA schwächeln. Ein Überblick. von Martin Kaelble  Berlin
Im Statement der Fed zu ihrer Entscheidung vom Donnerstag wurde deutlich, dass die Notenbank mit der Erholung nicht zufrieden ist. Es herrscht vor allem Sorge um den Arbeitsmarkt, der sich nicht ausreichend stark erholt. So sieht es derzeit in der US-Wirtschaft aus.
Knapp zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung entfallen auf den Konsum. Ein ungewöhnlich hoher Wert. Mit der Ausgabenfreude der Verbraucher steht und fällt damit die Wachstumsdynamik in den USA. Seit der Finanzkrise 2007/2008 lastete der Verfall der Immobilienpreise auf dem Gemüt der Konsumenten. Denn ein Großteil des Vermögens von US-Haushalten steckt in Immobilien, einige Haushalte waren zudem von Zwangsvollstreckungen betroffen.
Die US-Verbraucher haben dem Einzelhandel im August das größte Umsatzplus seit Februar beschert. Die Händler hatten 0,9 Prozent mehr in den Kassen als im Juli, wie das Handelsministerium in Washington am Freitag mitteilte. Es war der zweite Anstieg in Folge und etwas stärker als erwartet. Viele Experten warnten davor, die Daten seien leicht verzerrt. "Das auf den ersten Blick erfreulich gute Ergebnis wird durch den Blick in die Zusammensetzung stark relativiert", sagte Postbanker Thilo Heidrich.
Der Umsatzanstieg gehe vor allem auf steigende Benzinpreise zurück, der den Tankstellen ein deutliches Plus verschafft habe. Ähnlich äußerte sich NordLB-Experte Tobias Basse. Er betonte aber: "Dennoch kann festgehalten werden, dass der US-Konsument durchaus eine Stützte der Konjunktur bleibt."
Die Einzelhandelsdaten gelten als wichtiger Indikator für die Konjunkturentwicklung in den USA, da deren Wirtschaftskraft zu mehr als zwei Dritteln vom privaten Konsum abhängt. Klammert man den Autosektor aus, stiegen die Einzelhandelsumsätze um 0,8 Prozent. Ohne Berücksichtigung der Tankstelleneinnahmen blieb nur ein Plus von 0,3 Prozent.
Am Häusermarkt entspannte sich die Lage in den vergangenen Monaten spürbar. Doch obwohl dieser Belastungsfaktor weggefallen ist, will die Erholung dennoch nicht recht an Fahrt aufnehmen.
"Häuser, bei denen der Preis stimmt, verkaufen sich dieser Tage schnell", sagt Immobilienmakler Moe Veissi von Veissi & Associates in Miami. Er hat den Überblick. Veissi ist Präsident des Branchenverbandes "National Association of Realtors" (NAR), der genau Buch über die Entwicklung führt.
Die letzten Daten liegen für Juli vor. Und sie zeigen: Nicht nur die Zahl der verkauften Häuser und Wohnungen nimmt zu (plus 10,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, plus 2,3 Prozent gegenüber dem Vormonat), sondern auch die Preise ziehen wieder an. Im Juli kostete eine gebrauchte Immobilie im Schnitt 187.300 Dollar (rund 146.000 Euro) und damit 9,4 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor.
Auch der an der Börse viel beachtete Case-Shiller-Hauspreisindex und die vom US-Statistikamt erhobenen Verkäufe neuer Einfamilienhäuser weisen in die gleiche Richtung: Es geht aufwärts am US-Immobilienmarkt - wenngleich gemächlich, wenn man den dramatischen Einbruch betrachtet.
Bekommt von der US-Notenbank Hausaufgaben auf: US-Präsident Barack ...   Bekommt von der US-Notenbank Hausaufgaben auf: US-Präsident Barack Obama
Das liegt daran, dass die Jobsorgen der Amerikaner weiter groß sind. Die Arbeitslosenquote ist mit über acht Prozent für amerikanische Verhältnisse historisch hoch. Ein Teufelkreis: Denn solange es keine Besserung am Arbeitsmarkt gibt, kommt der Konsum nicht deutlich genug in Schwung. Solange die Absatzaussichten nicht deutlich besser werden, stellen die Firmen nicht massenhaft Leute ein. In diesem Dilemma verharrt die US-Wirtschaft derzeit - und es bleibt bei einem eher blutleeren Aufschwung.
Hinzu kommt, dass die Haushalte immer noch dabei sind, ihre Schulden abzubauen. Auch das dämpft den Konsum und gilt unter Ökonomen als langwieriger Prozess.
"Letztlich entspricht es den Erfahrungen, dass nach Finanzkrisen und Immobiliencrashs eine langsame Erholung folgt", sagte Christoph Balz, US-Experte der Commerzbank. "Zwar sind in den vergangenen Jahren einige Probleme der US-Wirtschaft wie die mangelnde Ersparnis der privaten Haushalte angegangen worden. Doch dies ging auf Kosten des Staates, der einsprang und seine Ausgaben erhöhte." Dieser müsse nun konsolidieren, was das Wachstum dämpfe. Auch deswegen fehlt es an einer kräftigen Erholung.
Ein anderes Problem ist die Unsicherheit über die US-Finanzpolitik. Zum Ende des Jahres laufen einige Steuererleichterungen aus. Werden diese nicht verlängert, droht der Konjunktur ein Schock. Dies würde der Wirtschaft 600 Mrd. Dollar, vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts kappen und dürfte damit in eine Rezession führen. Noch scheint unklar, wie die politischen Lager mit diesem so genannten fiskalischen Kliff umgehen werden. Das erzeugt Verunsicherung in der Wirtschaft.
Wenn es in den vergangenen zwei Jahren mal Phasen mit mehr Schwung in der US-Konjunktur gab, so lag es an steigenden Investitionen. Denn die Rahmenbedingungen sind dank extrem niedriger Zinsen sehr günstig dafür. Doch jüngst nahm auch hier die Dynamik etwas ab - aufgrund der politischen Unsicherheit rund um den Präsidentschaftswahlkampf und der Verunsicherung durch die Euro-Krise.
"Hilfe von außen ist angesichts der globalen Verlangsamung nicht in Sicht", sagte Balz. "Für die Politik bedeutet dies insbesondere, dass nach den Wahlen die politische Blockade gelöst werden muss." Erst zur Jahreswende erwarten Ökonomen daher wieder etwas mehr Schwung. Bis dahin muss nun weiter die Zentralbank einspringen.
Schwache Zahlen kamen aus der US-Industrie: Im August gab die Produktion ungewöhnlich stark nach. Nach Zahlen der Notenbank sank sie im Monatsvergleich um 1,2 Prozent. Das ist der stärkste Rückgang seit März 2009. Ein Grund dafür war der Hurrikan "Isaac", wegen dem zahlreiche Öl- und Erdgas-Bohrinseln im Golf von Mexiko zeitweise geschlossen werden mussten. Dies allein habe die Produktion um 0,3 Punkte gedrückt.
Die Erzeugung im Bergbau ging wegen der Hurrikan-Folgen um 1,8 Prozent zurück. Die Energieversorger meldeten ein Minus von 3,6 Prozent, während die Produktion in der verarbeitenden Industrie um 0,7 Prozent nachließ. Auch die Kapazitätsauslastung der US-Industrie gab deutlich nach. Sie sank von 79,2 auf 78,2 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit November 2011.
"Der Amtsinhaber muss sich immer daran messen lassen, wie die Wirtschaft läuft, unabhängig davon, ob er dies zu verantworten hat", sagte Matthias Thiel, Volkswirt der Privatbank M. M. Warburg. In der Finanzkrise sind insgesamt rund 8,5 Millionen Jobs verloren gegangen. Heute sind immer noch 4,5 Millionen Menschen weniger beschäftigt als zu Beginn der Krise, trotz aller expansiven Maßnahmen.
"Für Obama kommt es darauf an, weniger am Zustand der Wirtschaft gemessen zu werden, sondern an den Erfolgen, die nach der Krise erzielt wurden. Nach der Präsidentschaftswahl muss die US-Administration einen glaubhaften Plan präsentieren, wie sie mittelfristig den Staatshaushalt konsolidieren will."
  • FTD.de, 14.09.2012
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