FTD.de » Panorama » Kultur » Goethe und das Geld
Merken   Drucken   22.09.2012, 12:00 Schriftgröße: AAA

Culture Club: Goethe und das Geld

Was soll das Theater, wo spielt die Musik? Unsere Expertin weist den Weg durch den Kulturbetrieb der nächsten Woche. Diesmal: die Ausstellung Goethe und das Geld in Frankfurt. von Anja Rützel 
Vom Horoskop her fing für Goethe alles bestens an: Merkur, in der Astrologie als Geldplanet bezeichnet, stand bei seiner Geburt "nicht widerwärtig", schreibt der Universalgelehrte in "Dichtung und Wahrheit". Wie gut er sich wirklich mit Wirtschaft und Finanzen auskannte, zeigt nun die Ausstellung Goethe und das Geld in Frankfurt. Obacht, nicht nur an Gretchen und Pudel denken und behaglich wegschnarchen: Immerhin schrieb Goethe schon vor 180 Jahren im "Faust" II über ruinöse Staaten, Blasen und dubiose Zertifikate.
Die erste Erkenntnis aus der Ausstellung: Der Dichter war ein begabter Netzwerker. Schon früh pflegte er Bekanntschaften mit Frankfurter Bankiers, und weil man im 18. Jahrhundert zur Beziehungspflege noch nicht golfen ging, fuhr er mit seinen Finanzfreunden im Winter auf dem zugefrorenen Main Schlittschuh. Goethes Bankerconnections halfen ihm, seine Reisen zu finanzieren, außerdem nutzten sie ihm, als er am Weimarer Hof als Finanzminister arbeitete. Dort plante er eine "große Steuerreform" und verfasste ein Gutachten zum Münzwesen. Und führte seine eigenen Finanzen mit großer Sorgfalt und Akribie: Seine Haushaltsbücher sind in der Schau zu sehen.
Plakat zur Ausstellung Goethe und das Geld in Frankfurt   Plakat zur Ausstellung Goethe und das Geld in Frankfurt
Besonders spannend aber ist der Teil, der sich mit "Faust" II befasst - und mit Goethes Einsichten über Geldschöpfung und Inflation, die in sein Spätdrama einflossen. Darin überredet Mephisto den bankrotten Kaiser, Papiergeld einzuführen, um den Haushalt zu sanieren. "Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt, / Ist so bequem, man weiß doch, was man hat; / Man braucht nicht erst zu markten, noch zu tauschen, / Kann sich nach Lust in Lieb' und Wein berauschen. / Will man Metall, ein Wechsler ist bereit / Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit. / Pokal und Kette wird verauktioniert, / Und das Papier, sogleich amortisiert, / Beschämt den Zweifler, der uns frech verhöhnt."
Goethe wusste um die Risiken solcher Finanzpolitik: Der britische Bankier John Law, der den französischen Staat 1720 mit ungedecktem Papiergeld in eine Wirtschaftskrise gestürzt hatte, soll das reale Vorbild für Mephisto gewesen sein.
Auch der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Hans Christoph Binswanger, Doktorvater von Josef Ackermann, hat in seinem Buch "Geld und Magie" Goethes "Faust" ökonomisch interpretiert. Nach seiner Theorie sah Goethe die Papiergeldschöpfung als eine "Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln": Statt aus Blei Gold zu machen, wird hier Papier in Geld verwandelt.
Natürlich geht die Sache nicht gut aus: Zwar kann sich der Kaiser zunächst seiner Schulden entledigen, die Wirtschaft schnurrt. Bis die Inflationsblase platzt. Und "Faust" II ungeahnt so aktuell wird, dass der eine oder andere Besucher verleitet werden könnte, sich die gilbige Schullektüre doch noch einmal vorzunehmen. Oder zumindest ein Goethe-Zitat in seinen Krisenjammerwortschatz zu übernehmen: "Die Goldespforten sind verrammelt, / Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, / Und unsre Kassen bleiben leer."
 
Goethe und das Geld, bis 30. Dezember 2012, Frankfurter Goethe-Haus, www.goethehaus-frankfurt.de
  • FTD.de, 22.09.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland,
Jetzt bewerten
Bookmarken   Drucken   Senden   Leserbrief schreiben   Fehler melden  
Abriss in Duisburg
Abriss in Duisburg: Abschied von Schimanskis Hochofen (5) Abschied von Schimanskis Hochofen

Die Bilder vom rostigen Hochofen 4 sind zum Synonym für das alte Ruhrgebiet geworden. Nirgendwo sonst ist die Nachbarschaft zwischen Wohnen und Industrie in der Region noch so eng wie im Duisburger Problemstadtteil Bruckhausen. Nun ist das Ende besiegelt. mehr

  23.09. Das will ich auch
Das will ich auch: Den Apothekerkittel von Daniel Bahr Den Apothekerkittel von Daniel Bahr

Als Gesundheitsminister muss Daniel Bahr auch mal in den Berufsalltag von Apothekern reinschauen. Besonders qualifiziert mag er vielleicht nicht wirken, aber der Kittel steht ihm doch ganz gut. mehr

  17.09. Autotest
Autotest: Einparken mit dem Mercedes SL 500 Einparken mit dem Mercedes SL 500

Erst bei der Parkplatzsuche lernt man ein Auto richtig kennen. Wir stellen jede Woche einen neuen Wagen ab. Diesmal den Mercedes SL 500. mehr

11 Bewertungen  

Mehr zu: Einparken, Mercedes

  11.05.2011 Kunst-Quiz Kennen Sie die Kunst und ihren Markt?

Gemälde sind vielleicht nicht die sicherste, wohl aber die dekorativste Form der Geldanlage. Große Namen finden sich dabei nicht nur unter den Künstlern, sondern auch unter Käufern und Verkäufern. Testen Sie, ob Sie das Zeug zum Experten haben.

1989 zahlte das New Yorker Museum of Modern Art 58 Mio. Dollar für Vincent van Goghs Gemälde vom Postmeister Joseph Roulin. Wie oft malte van Gogh seinen Freund?

Kunst-Quiz: Kennen Sie die Kunst und ihren Markt?

Alle Tests

VERMISCHTES

mehr Vermischtes

KULTUR

mehr Kultur

© 1999 - 2012 Financial Times Deutschland
Aktuelle Nachrichten über Wirtschaft, Politik, Finanzen und Börsen

Börsen- und Finanzmarktdaten:
Bereitstellung der Kurs- und Marktinformationen erfolgt durch die Interactive Data Managed Solutions AG. Es wird keine Haftung für die Richtigkeit der Angaben übernommen!

Impressum | Datenschutz | Nutzungsbasierte Online Werbung | Disclaimer | Mediadaten | E-Mail an FTD | Sitemap | Hilfe | Archiv
Mit ICRA gekennzeichnet

VW | Siemens | Apple | Gold | MBA | Business English | IQ-Test | Gehaltsrechner | Festgeld-Vergleich | Erbschaftssteuer