Neue Musik: Veröffentlichungen der Woche

Nach dem ersten Take sträubten sich mir die Ohren: Schon wieder so ein Abgrund an Synthesizerverrat? Aber Flying Lotus - bürgerlich Steven Ellison aus Los Angeles - ist schon zu lange im Geschäft, um seine Reputation mit Mätzchen aufs Spiel zu setzen. Seine ersten drei Alben gelten als Meilensteine der Electro- und Hip-Hop-Szene. Electro ist der Großneffe von Alice Coltrane natürlich auch mit LP Nummer vier treu geblieben - doch der Sound hat sich verändert. Hip-Hop- oder Space-Elemente gibt es nur noch wenige: Dafür aber jede Menge Jungle-, Lounge- und Trip-Hop-Klänge. Hat der Mann zu viel Kruder & Dorfmeister gehört? Oder will er ein neues Fass mit alten Schläuchen aufmachen? Doch nein, FlyLo schafft die Gratwanderung: Trotz etlicher Fahrstuhlmusiksequenzen kreiert er eine Mixtur, die zum Chillout oder der Präsentation eigener Hipness gute Dienste tut. Highlight ist "Getting There": Niki Randas elfengleiches Stimmchen passt wunderbar und macht den Track zum atmosphärenreichsten Stück des Albums. Dagegen verblassen sogar die Einsätze von Erykah Badu und Radiohead-Sänger Thom Yorke. Eher schwach ist die sehr auf Kommerzialität hingedrehte Single-Auskopplung "Putty Boy Strut".

Evolutionstheoretiker werden es nicht gern hören: Aber drei Gitarrenakkorde sind noch immer genug, um unser bisschen Bewusstsein auszuknipsen. Suicide haben das in den 70ern bewiesen, Spacemen 3 in den 80ern - und nun versuchen es Moon Duo. Bei der Beweisführung erlaubt sich die Band keine Schnörkel: gerader Beat, schwebende Orgel, gewaltige Gitarren. Das Einzige, was sich im Verlauf der Songs ändert, ist der Einsatz der Effektgeräte: von Fuzz zu Echo zu Hall zu Verzerrung. Dichte Soundwände wabern, während darunter der schlichte Beat eines atombetriebenen Trommelbären klopft. Ein Sound wie ein riesiges, äthergetränktes Wattepad: weich, warm und angenehm betäubend. Methadonhersteller sollten sich in Acht nehmen. Diese Band bedroht ihr Geschäftsmodell.

Der Mann hat ernsthaft am Leben teilgenommen, hat sich nichts geschenkt, ist Umwege gegangen, gegen die Wand gelaufen - und macht immer weiter. Erstaunlich, wie wenige bleibende Spuren das hinterlassen hat, denn "Born to Sing" ist ein typisches Produkt der Marke Van Morrison: Ein bisschen Folk, ein bisschen Blues, Funk und, ach ja, Jazz ist auch dabei. Mit für seine 67 Jahre erstaunlich kraftvoller Stimme zelebriert er die Einheit von mürrischer Fassade, empfindsamer Lyrik und politischer Botschaft. Auch wenn es zehn nette neue Songs sind: Am Ende ist das Album nicht wesentlich anderes als die Hohlraumbeatmung von Zeitgenossen wie Crosby, Stills & Nash oder Jackson Browne, die ihre Rente mit Nostalgieshows für die anderen Hippieveteranen aufbessern.

Geboren wurde er in Italien. Studiert hat er in Frankreich. Dann arbeitete er in Deutschland als Hofkapellmeister, Bischof und Diplomat. Obwohl Agostino Steffani sich in seinem letzten Lebensdrittel vor allem Kirchen- und Staatsgeschäften widmete, gilt er als einer der wichtigsten italienischen Opernkomponisten. Sein Einfluss auf die nachfolgenden Epochen der Operngeschichte war immens. Höchste Zeit, dass sich jemand wie Cecilia Bartoli der vergessenen Musik des bis heute unterschätzten Komponisten widmete. Ob mit betörender Stimmfärbung im todtraurigen Lamento oder geschmeidig ausgeführten Tonfolgen in wütenden Rachearien: La Bartoli singt hinreißend wie eh und je und empfiehlt sich mit ihrer neuen CD wieder als die Nummer eins am internationalen Divenhimmel.