Fotograf Chris Arnade
Arnade gibt nicht viel auf die Wall-Street-Lebensgestaltung. Golfklubs und Segeltrips, Wochenenden in den Hamptons, Partys und Dinners. "Damit kann ich einfach nichts anfangen." Und die Drogen erst. Da sehe man, wie kaputt das System sei, sagt Arnade, die Rassentrennung bestehe weiter, subtiler. An der Wall Street wird eingeworfen und geschnupft, nie würde jemand dafür drankommen. "In Hunts Point aber halten Polizisten die Jugendlichen an und filzen sie. Wenn sie nur ein bisschen Gras finden, hat das schwerwiegende Konsequenzen." Junge Menschen würden in die Kriminalität getrieben. "Sie sind davon umgeben, Prostitution ist für junge Frauen normale Arbeit. Einige sind sogar stolz, wenn sie endlich anfangen zu ,arbeiten‘ und damit selbstständig werden."
Das zu dokumentieren ergab sich für Arnade ganz natürlich. Die Neugier auf andere Menschen liegt in der Familie, Vater Arnade war Geschichtsprofessor und Bürgerrechtler, die Familie zog häufig um, Afrika, Nepal, UdSSR. Auch von Schicksalsschlägen blieb sie nicht verschont: In Berlin liegen drei Stolpersteine, die an in Auschwitz ermordete Arnades erinnern.
Sooft er konnte, war der Banker am Wochenende stundenlang durch ungewöhnliche Gegenden spaziert. Vor ein paar Jahren nahm er dann seine Kamera mit. Seitdem hat sich das Hobby deutlich ausgeweitet: Bis zu fünfmal in der Woche setzt Arnade sich ins Auto, die Kamera dabei und postergroße Abzüge seiner Fotos, die er den Porträtierten schenkt. Die Aufnahmen seien ein guter Weg, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, sagt Arnade. Zuerst hatte er in Hunts Point einst das Vertrauen der Prostituierten Takeesha gewonnen, bald waren immer mehr Menschen bereit, mit ihm zu reden. Heute kennt ihn fast jeder.