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Merken   Drucken   02.10.2012, 07:00 Schriftgröße: AAA

Junge Union, feste Union: Dombrets Weg in den Bundesbankvorstand

Die Bundesbanker pochen auf ihre politische Unabhängigkeit. Die Berufung des ehemaligen Investmentbankers Andreas Dombret in den Vorstand der Notenbank zeigt jedoch, wie intensiv die Politik ihre Interessen bei der Besetzung der Top-Personalien verteidigt.
© Bild: 2012 Bloomberg/AXEL SEIDEMANN
Die Bundesbanker pochen auf ihre politische Unabhängigkeit. Die Berufung des ehemaligen Investmentbankers Andreas Dombret in den Vorstand der Notenbank zeigt jedoch, wie intensiv die Politik ihre Interessen bei der Besetzung der Top-Personalien verteidigt. von Sven Oliver Clausen 
Die drei Herren halten sich notdürftig mit Lästereien über die Verkehrspolitik der SPD in und um Hamburg über Wasser, als endlich ihr Star in den Raum kommt und an ihren Stehtisch tritt. Andreas Dombret, Vorstand der Bundesbank, begrüßt sie alle mit Handschlag. Arne Wulff, Chef der Staatskanzlei in Kiel, als Peter Harry Carstensen für die CDU noch Ministerpräsident warn. Tiemo Kracht, Leiter des Hamburger Büros der Personalberatung Kienbaum und alter Parteifreund von Wulff. Und Trutz Graf Kerssenbrock, ein Urgestein der schleswig-holsteinischen Christdemokraten. Sie sind auf Einladung Dombrets in die Hamburger Filiale der Bundesbank gekommen, wo ihr Mann ihnen und noch rund 60 Gästen mehr in wenigen Minuten Charles Dallara als Redner zum Dinner servieren wird, scheidender Chef des weltweiten Investorenverbands IIF, ein Star in der Finanzszene.
Es ist ein einziges Strahlen am Stehtisch. Der Graf sammelt sich als Erster wieder. "Andreas", fragt er ernst, "wie geht es Dir?" Es ist der Montag vor dem großen Eurokrisengipfel am 28. und 29. Juni. Dombret macht den Rücken gerade, zieht die linke Augenbraue hoch. "Das wird schwer am Donnerstag und Freitag. Das wird wirklich schwer."
Die Runde nickt betreten. Dombret lässt seine Worte noch einige Sekunden wirken, dann hebt er den Kopf. "Entschuldigt bitte, ich muss jetzt hier noch ein paar Leute begrüßen."
Natürlich entschuldigt die Runde das - schließlich haben sie es genau so gewollt. Die Berufung Dombrets in den Bundesbankvorstand ist ein echter Erfolg für die CDU im Norden und ein Lehrstück über die Besetzung politischer Posten zugleich.
Die Schlüsselfigur hat ihr Büro mitten in Hamburgs feinem Zentrum. Tiemo Kracht ist ein stattlicher Mann von Ende vierzig mit klaren Positionen. In seinem Büro steht eine Büste von Otto von Bismarck und sicherheitshalber hängt auch noch ein Gemälde des Reichskanzlers an der Wand. Kracht ist in Schleswig aufgewachsen und war dort Chef der Jungen Union.
Seine Jugend in Schleswig-Holstein war auch die Basis seines wohl größten beruflichen Husarenstreichs: der Vermittlung Dombrets in den Bundesbankvorstand. "Der Prozess war das mit Abstand spannendste und komplexeste, was ich in meinem Berufsleben bislang so gemacht habe", sagt Kracht selbst. "Ich hatte ja anfänglich kein Mandat, ich hatte nur eine Idee, von der ich sehr überzeugt war."
Kracht war mal Vorsitzender der Jungen Union in Schleswig und ist bis heute aktives CDU-Mitglied. Aus seiner Zeit in Schleswig-Holstein kennt er unter anderem Arne Wulff sehr gut. Der Chef der Staatskanzlei des damaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen, suchte 2010 einen Kandidaten für den Vorstand der Bundesbank. Die drei Nordländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern hatten das Vorschlagsrecht, Schleswig-Holstein sollte den Prozess organisieren. Wulff hatte sich zusammen mit der Stadt Hamburg Hans Reckers ausgeguckt, der war ihm empfohlen worden und schon mal Mitglied der Notenbank. Aber ein Geniestreich, das war Wulff klar, würde die Personalie nicht werden.
Den stellte ihm dagegen Kracht in Aussicht. Der hatte sich Anfang 2010 mit Andreas Dombret getroffen, der gerade einige Monate nicht mehr Chef der Bank of America (BofA) in Deutschland war und einen neuen Job suchte. Kracht hatte ihm zu BofA-Zeiten einen Beirat zusammengestellt, um das Geschäft mit der deutschen Wirtschaft anzukurbeln: Multi-Meinungsmann Hans-Olaf Henkel, einst Präsident des BDI, sowie die beiden ehemaligen Landesbankenchefs Peter Haßkamp und Dietrich Rümker.
Dombret sagte Kracht, dass er nach all den Jahren im Banking nun das Gefühl habe, dass mal etwas Neues kommen müsse. Und sie diskutierten natürlich leidenschaftlich die Situation der CDU. Schließlich ist Dombret wie Kracht CDU-Mitglied. Am Ende fragte Kracht, ob sich Dombret nicht auch den Bundesbankjob vorstellen könne. Konnte Dombret.
Kracht rief also seinen alten Parteifreund Wulff in der Kieler Staatskanzlei an und schwärmte von Dombret: Der sei erst 50 Jahre alt, man könne also zwei Amtszeiten mit einem Mann besetzen. Er sei international parkettsicher, habe große Fachkenntnis aus seiner Zeit als Investmentbanker und schließlich: das richtige Parteibuch. Das, so Kracht, würde in der Öffentlichkeit sicherlich sehr positiv aufgenommen werden. Und Positivmeldungen konnten Wulff und sein Chef Carstensen angesichts der langsam heraufziehenden Landtagswahl 2012 gut gebrauchen.
Wulff verwies allerdings darauf, dass vor allem noch Hamburg überzeugt werden müsste. Kracht machte sich ans Werk. Auch in Hamburg saßen Leute mit dem richtigen Parteibuch an den entscheidenden Stellen: Bürgermeister Ole von Beust, Finanzsenator Michael Freytag und dessen Staatsrat Robert Heller. Kracht brachte erst Heller mit Dombret zusammen und dann danach den Staatsrat dazu, eine Aktennotiz zu verfassen und nach Kiel zu kabeln. Inhalt: Man werde jeden Personalvorschlag Schleswig-Holsteins mittragen, nur nicht Hans Reckers. Eine richtige konzertierte Aktion sei das gewesen, freut sich Kracht.
Damit war der Weg praktisch frei. Wulff traf Dombret in den Räumen von Kienbaum in Hamburg, Dombret übergab Lebenslauf und Referenzen, darunter Ex-Deutsche-Bank-Chef Hilmar Kopper und Ex-Ministerpräsident Roland Koch. Aus Kiel wurde das alles abtelefoniert, dann noch die Zustimmung von Finanzminister Wolfgang Schäuble, ebenfalls CDU, eingeholt - und fertig war der neue Bundesbankvorstand.
  • FTD.de, 02.10.2012
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