Wohl aber schadete der Natur- und Landschaftsschutz vielen Arten. So verloren Frösche, Kröten, Molche, Libellen, Kleinfische und viele andere Wassertiere ihre Lebensräume, weil vom Naturschutz örtliche Abgrabungen von Kies und Sand als "Eingriffe" verhindert wurden. Sie galten als "Wunden in der Landschaft", die nicht gerissen werden durften, obgleich ein wesentlicher Teil der heute als gefährdet eingestuften Artenvielfalt jahrhundertelang davon profitiert hatte. Wenn schon Abbau, weil der Rohstoffbedarf gegeben war, dann nur noch im Großen nach entsprechenden Regionalplanungen. Die Becken eignen sich nach Abschluss des Abbaus als Naherholungsgebiete. Oder die Abbauflächen mussten mit hohem finanziellem Aufwand wieder rekultiviert werden. Denn als "Eingriffe" störten sie das Auge mancher Zeitgenossen.
Dieser Bepflanzungs- und Gestaltungswahn, gefördert von der Haltung des Naturschutzes zu den "Eingriffen in den Naturhaushalt", hat viel mehr Arten geschadet und sie auf die Roten Listen gebracht als die üblichen Baumaßnahmen. In unseren ansonsten so intensiv genutzten Landschaften sind es gerade die Eingriffe, die Neuland schaffen. Es sollte möglichst sich selbst überlassen bleiben. Der Artenschutz würde davon profitieren. Stattdessen wird nach wie vor gegen alles und jedes mit dem Phantom des Naturhaushalts argumentiert, den es so gar nicht gibt. Im Gegenteil: Der Zustand, der nicht verändert werden soll und, wenn doch, der Ausgleichsregelung unterzogen werden müsse, ist bereits ein von Menschen gemachter Zustand.
Nichts besagt, dass dieser der beste aller möglichen Zustände ist. Ausgeglichen wird daher allenfalls ein vorübergehender Zustand mit etwas, das gleichfalls nicht von Dauer ist. Schon gar nicht in einer Kulturlandschaft. Frühere Eingriffe gelten heute als höchst erhaltenswerte Zustände, wie etwa Streuobstwiesen oder alte Mühlenteiche. Heftig bekämpfte Stauseen wurden Naturschutzgebiete von internationalem Rang.
Der Naturschutz hält die Menschen fern
Soll also der Naturschutz außer Kraft gesetzt werden? Ganz gewiss nicht, denn die Erhaltung schöner Landschaften, naturnaher Biotope und einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt ist vielen Menschen ein Anliegen. Das muss gefördert werden. Nur, der Naturschutz hat leider weithin das Gegenteil bewirkt. Er hält die Menschen von der Natur fern, erschwert ihnen oder unterbindet den Zugang zum Erlebnis Natur durch den Aussperrnaturschutz in Schutzgebieten oder durch die Einschränkungen des Artenschutzes. Doch was man nicht erleben darf, wird man auch nicht schützen wollen. Der Naturschutz braucht dringend ein Umdenken: weg von Verboten und Verhinderungen und hin zu verstärkter Zuwendung der Menschen zur Natur, angefangen bei Kindern und Jugendlichen. Wenn sich der Naturschutz gegen Baumaßnahmen wendet, muss die Begründung nachvollziehbar sein und anschließend der Nachweis erbracht werden, dass die Gegen- oder Ausgleichsmaßnahme erfolgreich war.
Viel zu viel Geld, das wirkungsvoller für den Naturschutz eingesetzt werden könnte, wird gegenwärtig weitgehend nutzlos ausgegeben. Die Erfolgskontrolle muss öffentlich gemacht werden. Artenschutz darf nicht länger als Instrument zur Vertretung von Privat- oder Gruppeninteressen verwendet werden. Verwaltungsgerichte sollten die Verfahrensverschleppung nicht weiter akzeptieren oder gar fördern. Ein von der Allgemeinheit breit getragener Naturschutz gerät nicht in die Gefahr, dass er als von der Öffentlichkeit geschätztes Gut kurzfristigen Partikularinteressen geopfert wird. Eine Windkraftstromleitung wird man nicht durch den Kölner Dom bauen und mit Maisfeldern für Biodiesel auch keine Stadtparks ersetzen wollen. Dass den Naturschutzgebieten jetzt solche Gefahren drohen, liegt am Naturschutz selbst. Zu sehr hat er den Menschen als den großen Feind und Zerstörer abgestempelt und bei dieser menschenverachtenden Haltung zu wenig Freunde gefunden.