Die Amerikaner mögen ihre Schuldenprobleme weniger energisch angehen als wir Europäer - an den Kapitalmärkten laufen sie uns trotzdem den Rang ab. Mit vier Strategien können Anleger von diesem Trend profitieren.
von Christian Kirchner
Bill Gross und Mohamed El-Erian neigen in ihren Kapitalmarktausblicken zu einer bildhaften Sprache. Und so greifen die führenden Köpfe der 1800 Mrd. Dollar schweren Fondsgesellschaft Pimco seit Frühjahr 2011 immer wieder auf einen Song von Johnny Cash zurück, wenn es darum geht, ihr Faible für US-Anlagen zu begründen. Die Country-Legende sang 1970 in "Sunday Morning Coming Down" von einem Trinker, der an einem Sonntagmorgen verkatert aufwacht, erst einmal zwei Bier kippt und dann den Wäschekorb nach dem "cleanest of the dirty shirts" durchsucht.
Vorteil Amerika - Veränderung der letzten drei Jahre in Prozent
Das "sauberste unter den schmutzigen Hemden" ist für die Pimco-Strategen zurzeit Amerika. Keiner der großen Währungsräume kann für sich in Anspruch nehmen, makellos zu sein. Überbordende Schulden und permanente Notenbankinterventionen betreffen Dollar, Euro, Yen und Pfund gleichermaßen. Doch die USA sind unter den Sündern diejenigen, denen die Investoren noch das größte Vertrauen entgegenbringen.
Mit ihrer Einschätzung liegen Gross und El-Erian seit knapp zwei Jahren richtig, auch wenn das manchem Kritiker der US-Strategie gar nicht gefällt. Schließlich gehen die Länder der Euro-Zone ihre Probleme an mit Hilfspaketen, Strukturreformen und Sparmaßnahmen. So sollen die Schulden - zurzeit 87 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - wieder heruntergefahren werden. Die USA steuern trotz eines Defizits von 110 Prozent des BIPs nur halbherzig gegen.
Folker Hellmeyer verleitete diese Betrachtung jüngst zu einem verbalen Tobsuchtsanfall. In einem Schwall politisch inkorrekter Worte schrieb sich der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank im Frühsommer seinen Frust von der Seele: "Sind wir intellektuell so behindert und haben so geringes Selbstbewusstsein, dass wir uns ein drittes Mal innerhalb von gut zehn Jahren von unseren Kollegen in London und New York das Fell über die Ohren ziehen lassen wollen?" Es könne doch wohl nicht angehen, dass "Defizittäter" belohnt würden, "Defizitreformer" hingegen bestraft.
An den Kapitalmärkten gilt eine andere Logik: Während die Kurse von US-Bonds dank der bedingungslosen Niedrigzinspolitik der Notenbank Fed auf Höchststände gestiegen sind, liefern die Europäer ein disparates Bild - von ähnlich begehrten Bundesanleihen bis zu griechischen Junkbonds, bei denen höchst fraglich ist, ob sie je wieder den Ausgabekurs erreichen. Gegenüber dem Dollar büßte der Euro binnen drei Jahren 14 Prozent seines Werts ein. Die Bedeutung des Greenback als Weltreservewährung ist seit Beginn der Krise sogar noch gestiegen, das Kapital strömt trotz aller Haushaltsprobleme weiter in die USA.
Das hat Folgen auch für die Aktienmärkte, deren Votum ebenfalls eindeutig ausfällt: Mit einem Kursplus von 40 Prozent im Standardwerteindex S&P 500 legten US-Papiere mehr als doppelt so stark zu wie ihre europäischen Pendants. Und während Europas Bankaktien binnen drei Jahren rund 38 Prozent an Wert verloren, legten amerikanische Finanztitel im Schnitt um zwei Prozent zu.
Die Statistik belegt: An einem Engagement in US-Aktien führt derzeit kaum ein Weg vorbei. Das gilt vor allem für Anleger, die bislang kaum Aktien in ihrem Depot haben oder die vor allem in Unternehmen aus Deutschland und dem Rest der Euro-Zone investiert sind.
Und das sind viele: Insgesamt haben deutsche Privatinvestoren laut Berechnungen des Fonds-Branchenverbands BVI nur gut vier Prozent des gesamten in Aktienfonds angelegten Vermögens von 224 Mrd. Euro in Produkte mit dem Anlageschwerpunkt Nordamerika gesteckt. Hinzu kommen indirekt noch einmal näherungsweise 15 Prozent in international anlegenden Aktienfonds, die in der Regel 30 bis 50 Prozent ihrer Mittel in den USA investiert haben.
Capital hat vier Strategien herausgearbeitet, mit denen Anleger in US-Aktien investieren können - und an denen selbst Kritiker der Neuen Welt nicht vorbeikommen.
Die Gewinndynamik von Small Caps ist erheblich größer als die hochkapitalisierter Blue Chips.
Perlensuche Nebenwerte sind hochvolatil, liefern langfristig aber eine weit bessere Kursentwicklung als der Gesamtmarkt. Im US-Aktienmarkt summiert sich der Renditevorsprung des kleinsten Dezils an US-Aktien - also die zehn Prozent nach Marktkapitalisierung kleinsten Werte - in sehr langfristigen Betrachtungen auf rund 6,5 Prozentpunkte gegenüber dem Dezil der größten Werte. Von der jüngsten Erholung haben indes Blue Chips wie Coca-Cola, Apple oder Procter & Gamble stärker profitiert als die US-Nebenwerte. Investoren suchen zurzeit die Sicherheit hochkapitalisierter, liquider und dividendenstarker Unternehmen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis großer und kleiner Werte ist mit einem Wert von jeweils etwa 14 zurzeit beinahe gleich, die Gewinndynamik der Small Caps jedoch deutlich höher. Die Profite der 1000 wichtigsten US-Nebenwerte dürften um rund 14 Prozent pro Jahr wachsen, schätzen Analysten, die von großen Konzernen hingegen nur um zehn Prozent.
Die Konjunktur erholt sich, die Umsätze ziehen an - das macht sich beim Inlandskonsum bemerkbar.
Konsumstärke Die Statistik ist bekannt und ermüdend, hat aber kaum etwas von ihrer Bedeutung für die US-Aktienstrategie eingebüßt: Der Konsum steht in Amerika für rund drei Viertel des Bruttoinlandsprodukts. Hinzu kommen im Handel einige positive Überraschungen: Nicht nur, dass die US-Wirtschaft im Gegensatz zur schrumpfenden Euro-Zone mit einem Plus von zwei Prozent im zweiten Quartal moderat wuchs. Auch die Einzelhandelsumsätze zogen zuletzt nach einer dreimonatigen Talfahrt an, allein im Juli um 0,8 Prozent zum Vormonat und um 4,1 Prozent zum Vorjahr. Das hat viele Analysten überrascht, zumal seit Monaten das Auslaufen von Steuererleichterungen zum Jahresende Angst vor einem Nachfrageeinbruch geschürt hatte. Aktien von US-Einzelhändlern sind fundamental zwar keine Schnäppchen, bieten taktisch orientierten Investoren aber die Chance, gezielt auf den starken US-Konsum und eine mögliche Dollar-Aufwertung zu setzen. Mit Aktien, die große Teile des Umsatzes in den USA erwirtschaften, senken Investoren die Risiken eines drohenden Abschwungs in Europa.
Vor allem in der Informationstechnologie und bei Biotech sind US-Konzerne auf Jahre führend.
Wachstum Wer sich für ein Investment in einen Branchenfonds entscheidet, der auf wachstumsstarke Branchen wie Biotechnologie oder IT setzt, ist automatisch in den USA investiert: Zwischen 80 und 95 Prozent der relevanten Unternehmen stammen aus Amerika. An dieser Dominanz dürfte sich in absehbarer Zeit nichts ändern, denn der Erfolg nährt den Erfolg: Dank hoher Börsenwerte ist es für die Konzerne ein Leichtes, Rivalen mit Aktien zu übernehmen. Eine Anlage in Technologiewerten - direkt oder über Fonds - bietet sich vor allem deshalb an, weil viele Aktien in den vergangenen Jahren noch unter den Spätfolgen des New-Economy-Crashs zur Jahrtausendwende litten, nun aber fundamental günstig bewertet sind bei rasch wachsenden Gewinnen.
Breit gestreute Aktienfonds und Indexprodukte helfen dabei, das Anlagerisiko zu verringern.
Dauerläufer Viele Investoren haben ihr Vermögen nicht ausreichend gestreut und bleiben mit ihren Geldanlagen in der Euro-Zone oder gar nur in Deutschland. "Home Bias" nennt sich die langfristig gefährliche Tendenz, Investments in der Heimat stark überzugewichten - gefährlich deshalb, weil Anleger bereits mit ihrem Erwerbseinkommen und oft auch mit Immobilien der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung im eigenen Land stark ausgesetzt sind. Kriselt es daheim, werden gleich mehrere Geldquellen in Mitleidenschaft gezogen. Die starke Kursentwicklung von US-Wertpapieren und des Dollar seit 2009 zeigt, weshalb sich eine Diversifikation in Werte aus Übersee lohnt. Im globalen Aktienindex MSCI World sind US-Aktien mit 55 Prozent vertreten - bei deutschen Inhabern von Investmentfondsanteilen machen sie bestenfalls 20 Prozent aus. Eine gesunde Mischung liegt in der Mitte zwischen den beiden Extremen. Mit langfristig erfolgreichen Aktienfonds oder günstigen Indexfonds lässt sich der Anteil von US-Werten im Depot bequem erhöhen.
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