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Merken   Drucken   23.10.2012, 12:00 Schriftgröße: AAA

Jobwahl: Internetfirma - Nein, Danke!

Der Fachkräftemangel piesackt die deutsche Wirtschaft schon eine Weile. Chefs von Internetfirmen haben jetzt noch ein extra großes Problem: Die wenigen hiesigen Berufseinsteiger wollen mehrheitlich nicht bei ihnen arbeiten. von Sabine Meinert 
In eine Online-Firma? - Besser nicht! Das ist die Antwort bei jedem zweiten Absolventen der Wirtschaftswissenschaften, wenn man ihn nach einem Berufseinstieg in deutschen Online-Unternehmen fragt. Die Internet-Wirtschaft scheint für viele Berufseinsteiger alles andere als attraktiv, denn 51 Prozent der Wiwi-Studenten schließen es geradezu kategorisch aus, künftig in einer Internetfirma zu arbeiten. Das ist das Ergebnis einer Studie von TNS Infratest im Auftrag der Personalberatung Dwight Cribb und von ImmobilienScout24, für die 1000 Studierende der Wirtschaftswissenschaften befragt wurden. Der Online-Wirtschaft ist damit klar: Gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte werden in absehbarer Zeit knapp.
Old Economy oder Online-Wirtschaft? Jeder zweite ...   Old Economy oder Online-Wirtschaft? Jeder zweite Hochschulabsolventen lehnt Internetfirmen ab
Bei den Studienabsolventen sind dagegen stattdessen die Old-Economy-Unternehmen gefragt: Autohersteller, Maschinenbauer oder Firmen des produzierenden Gewerbes. Der Studie zufolge liegt es vor allem daran, dass die meisten Berufseinsteiger zu wenig über die Internet-Unternehmen wissen. Was genau machen diese Firmen? Wie kann ich mich dort einbringen? Außerdem glauben die Studenten, dass sie in einem solchen Unternehmen nur wenig lernen können. Ebenso fürchten sie, sie seien durch ihr Studium zu wenig vorbereitet auf die Arbeit in einem Online-Unternehmen.
Ein herber Schlag für die Branche, die sich als einer der wichtigsten Job-Motoren in Deutschland sieht: "Das Beschäftigungswachstum der Branche beträgt laut Bundesverband Digitale Wirtschaft jährlich durchschnittlich 7,85 Prozent. Falls die Management-Lücke nicht gefüllt werden kann, droht ein massiver Einbruch", sagt Lars Schmidt, Vice President Human Ressources bei ImmobilienScout24.

Branche entwickelt sich, wird professioneller

Doch warum schneidet die deutsche Online-Wirtschaft so schlecht ab bei den Studenten? Die Fachleute halten die Probleme für hausgemacht. Personalberater Dwight Cribb weist auf das vergleichsweise junge Alter der Branche hin. Bei vielen Unternehmen setze erst langsam eine Professionalisierung ein, das schrecke Bewerber ab. "Vor allem Startups haben bei vielen Absolventen ein schlechtes Image, da der Eindruck vorherrscht, es müsse zu viel unqualifizierte Aufbauarbeit geleistet werden."
Die Experten raten den betroffenen Unternehmen deshalb zu besserer Kommunikation. Vor allem Karriereperspektiven müssten besser dargestellt werden. Immerhin sei es in der Branche üblich, sehr schnell Verantwortung übertragen zu bekommen. Dessen seien sich viele Berufseinsteiger nicht bewusst. Zudem habe die Professionalität vieler Firmen der Online-Branche längst den Level der Old Economy erreicht. Auch Work-Life-Balance oder Mitarbeiterförderung würden bei vielen groß geschrieben.

Nicht genügend geeignete Mitarbeiter

Auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) hat den Fachkräftemangel als Bremse in der Branche identifiziert. Dass die Nachfrage nach Hochschulabsolventen in der digitalen Wirtschaft massiv steigt, konstatierte der Verband schon einmal vor einem halben Jahr. Vor allem im Projektmanagement, in der Informationstechnologie sowie in Marketing und Vertrieb fehle es an Fachkräften, hieß es in einer Studie des BVDW und der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation. Drei Viertel von 240 befragten Unternehmen der Online-Wirtschaft meldeten Schwierigkeiten, geeignete neue Mitarbeiter zu finden.
Das liege aber nicht nur an der Unwilligkeit der Bewerber, in der Online-Wirtschaft zu arbeiten, sagt Tanja Feller, BVDW-Geschäftsführerin: "In der digitalen Wirtschaft zählen neben Fachkenntnissen vor allem auch Soft Skills zu den wichtigsten Kriterien für die Einstellung von Berufsanfängern." Vor allem soziale Kompetenz, Umsetzungskompetenz und mentale Stärke zählten, doch daran mangele es häufig. Mit entsprechenden Angeboten in Aus- und Weiterbildung könnten die Firmen dieses Manko bei Bewerbern jedoch ausmerzen oder altgediente Kräfte qualifizieren, um ihre Lücken zu füllen. Im Fokus stehen zudem Kenntnisse zu Mobile Marketing, Social Media, E-Commerce, zu Online-Vermarktung und Mediaplanung.

Weitere Qualifikation nötig

Bildungsexperten verweisen gleichzeitig auf das Problem, dass ein klassisches Wirtschaftsstudium in Online-Firmen nur bedingt weiterhelfe. "Benötigt werden stattdessen spezifisch ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler, die sich bereits im Studium mit den Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle beschäftigt haben. Wir müssen es schaffen, Jugendlich hierfür zu begeistern." Beste Chancen auf einen Job in der Branche haben Kandidaten, die bereits Praxis- und Berufserfahrung sammeln konnten. Mehr als jeder zweite Chef sieht jedoch auch gute Sprachkenntnisse gern. Wer zudem mobil und reisefreudig ist, liegt um Nasenlänge vor anderen Bewerbern. Auslandserfahrung zählt dagegen nur bei jedem vierten Unternehmen.
Kann die Online-Wirtschaft ihre Fach- und Führungskräfteproblem nicht lösen, wird sie ein ähnliches Problem bekommen wie die ITK-Branche. Deren Unternehmen entgehen nach Untersuchungen des Fraunhofer IAO und des Verbandes Bitkom jährlich rund 11 Mrd. Euro Umsatz durch Wissens- und Kompetenzverlust. Darunter leide die Wettbewerbsfähigkeit, vor allem die der mittelständischen Unternehmen. Auch dort wird der Wettbewerb um die besten Köpfe schärfer. Mehr als 63 Prozent der IT-Unternehmen gaben sogar direkt an, dass der Fachkräftemangel ihre Geschäftstätigkeit bremse.
  • FTD.de, 23.10.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland
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