Christian Kirchner ist stellvertretender Leiter des Finanzressorts in Frankfurt.
Wenn der Deutsche Derivate Verband als Interessenverband der Zertifikateanbieter seine Marktstatistiken veröffentlicht, erinnert das immer noch ein wenig an die Wahlergebnisse in der ehemaligen DDR: Unter dem Strich haben Anleger seit Sommer 2009, dem Jahr nach der Lehman-Pleite, demnach stets rund 100 Mrd. Euro in Zertifikate angelegt. Mal ein paar mehr, mal ein paar weniger, aktuell rund 100,2 Mrd. Euro. Das sind die absoluten Zahlen, die vermutlich natürlich stimmen. Wer aber ein wenig tiefer in die Statistik schaut, entdeckt, dass eine seit Jahren rauchende Nebelkerze der Branche nicht länger undurchsichtig ist. Die Vertreter stellen es gern so dar, dass vor allem Selbstentscheider ihre Kunden seien, die Zertifikate als intelligentes Instrument für persönliche Anlageziele einsetzen.
Die Realität ist eine andere. Selbstentscheider - also
Anleger, die autark Anlageentscheidungen ohne Beratung treffen - waren im Reich der Zertifikate vor zehn Jahren tatsächlich eine signifikante Zielgruppe. Für den Gesamtmarkt spielen sie aber nur eine untergeordnete Rolle. Der Zertifikatehandel ist heute mehr denn je ein Vertriebsmarkt, in dem über den Erfolg oder Misserfolg vor allem entscheidet, ob ein Emittent auch über ein Filialnetz verfügt, das die eigenen Produkte in die Depots drücken kann. Und nicht, wie attraktiv man die Produkte für die überschaubare Zahl der Selbstentscheider bastelt und preist.
Daher verwundert es auch nicht, dass die einst großen Namen im deutschen
Derivatemarkt wie die
UBS , HSBC Trinkaus,
Goldman Sachs ,
BNP Paribas oder
Société Générale in einem insgesamt stagnierenden Markt jeweils nur auf überschaubare 0,9 bis 2,5 Prozent Anteil kommen: Diese
Banken verfügen nicht über ein flächendeckendes Vertriebsnetz an Filialen. Ganz im Gegensatz zur DZ Bank, der WestLB, der
Deutschen Bank oder Commerzbank, die zusammen über 60 Prozent Marktanteil haben.