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Merken   Drucken   25.10.2012, 10:01 Schriftgröße: AAA

Wahlen in der Ukraine: K.o. für Janukowitschs Team

Kommentar Der ukrainische Präsident und seine Verbündeten versuchen, die Wahlen am Sonntag zu manipulieren. Das werden die Bürger nicht zulassen. Sie glauben dem Machthaber nicht mehr. von Vitali Klitschko
 
Vitali Klitschko ist Vorsitzender und Spitzenkandidat der Partei Udar sowie amtierender Schwergewichtsweltmeister des Boxverbands WBC.

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch gestikuliert bei ...   Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch gestikuliert bei einer Pressekonferenz in Kiew
Die am Sonntag stattfindenden Parlamentswahlen in der Ukraine sind ein Referendum zur Präsidentschaft von Viktor Janukowitsch, der im Februar 2010 in einer freien und fairen demokratischen Wahl an die Macht kam. Seit damals wurden jedoch die Regeln des Wahlsystems so verändert, dass es den Verbündeten nützt, von denen er sich weitere Unterstützung erhofft.
Auch die Stimmung unter den Ukrainern hat sich verändert. Viele Wähler glaubten nach der frustrierenden Stagnation, die auf den 2004 von der Orangen Revolution entfachten Optimismus folgte, an Janukowitschs Versprechen einer wirtschaftlich besseren Zukunft. Sie sind inzwischen aber pessimistisch. Laut Meinungsumfragen meinen zwei Drittel der Ukrainer mittlerweile, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt.
Vitali Klitschko   Vitali Klitschko
Die Ukrainer sind gefangen zwischen dem, was offenbar die beiden Ziele von Janukowitschs Herrschaft sind: Zum einen die fortgesetzte Förderung des Oligarchenkapitalismus, der die Monopolisierung der Volkswirtschaft weiter vorantreibt und damit das sehr reale Potenzial der Wirtschaft bremst. Zum anderen die selektive Nutzung der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden zu dem Zweck, politische Gegner einzusperren, Proteste der Bürger zu verbieten und Kritik der Medien an kontroverser Regierungspolitik zu ersticken.
Darüber hinaus macht die diplomatische Isolierung durch Brüssel, Moskau und Washington Kiew anfällig. Strategische Kooperation und die Interessen des Landes mussten hinter rein von wirtschaftlichen Aspekten getriebenen Geschäften zurückstehen. Ein historisches Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, das eine umfassende und weitreichende Freihandelsvereinbarung beinhaltet und der Ukraine wichtige Märkte eröffnen würde, ist in der Schwebe. Und Handelskriege mit dem Nachbarland Russland schaden weiterhin den einheimischen Exporteuren.
Die Wahlen am Sonntag machen den Ukrainern Hoffnung und geben ihnen Gelegenheit, auf einen europäischen Entwicklungspfad zurückzukehren. Das wird jedoch kein leichter Weg, denn das Wahlsystem bereitet Demokraten weiterhin Sorge. Die Ukraine wählt die 450 Parlamentsabgeordneten in einem gemischten Wahlsystem. Eine Stimme wird für die Partei abgegeben, wobei für den Einzug ins Parlament die Fünfprozenthürde gilt. Die andere Stimme geht an den einzelnen Kandidaten.
Die Regierung hat beschlossen, in Wahlbezirken Verbündete als "Unabhängige" gegen Amtsinhaber und Oppositionskandidaten antreten zu lassen. Diese "Unabhängigen" genießen die Unterstützung der Behörden, sei es, indem Mitarbeiter sozialer Dienste für sie um Stimmen werben oder durch Bereitstellung von Mitteln für Infrastrukturprojekte. Die Unabhängigen verteilen zudem Pakete mit Zucker, Buchweizen und Medikamenten. Staatsanwaltschaft und Wahlbehörden sehen darüber hinweg. Zur selben Zeit sehen sich die Kandidaten der Opposition Einschüchterungsmaßnahmen ausgesetzt, und ihnen wird der Zugang zu den staatlich kontrollierten Medien verweigert. Kommunalbeamte und Vertreter von Phantomparteien besetzen zudem die Wahlausschüsse in Wahlkreisen. Internationale und nationale Wahlbeobachter haben festgestellt, dass einige Ausschussmitglieder denselben Wohnsitz haben.
Besonders hier ist die Gerechtigkeit und Integrität der Wahl anfällig. Wie Josef Stalin einst feststellte: Wer die Stimmen auszählt, ist wichtiger als die Zahl der abgegebenen Stimmen. Um solche Bedenken anzugehen, haben meine Kollegen und ich die Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen (Udar) gegründet - mit dem Ziel, eine nationale Partei aufzubauen, die sich europäischen Demokratiewerten, wirtschaftlichen Grundfreiheiten und dem Kampf gegen die Korruption verpflichtet fühlt. Das Programm umfasst die Forderung nach mehr Einfluss für die Zivilgesellschaft durch unabhängige Institutionen und die Übertragung von Macht der Zentralregierung.
Sollten wir gewählt werden, werden wir eine Korruptionsbehörde erschaffen, die nicht nur von Beamten besetzt wird, sondern auch von Bürgerrechtlern und Menschenrechtlern. Während des laufenden Wahlkampfs haben Udar und Aktivisten über 3000 von Bürgern dokumentierte Dossiers über korrupte Handlungen von Beamten gesammelt. Was allen Fällen gemein ist: Für Verwaltungsdienste, die eigentlich kostenlos sind, wurden Schmiergelder angenommen. Die Regierung hat es nicht geschafft, ein Wahlumfeld zu schaffen, das frei von Nötigung und Einschüchterung ist. Dennoch können die Bürger nicht daran gehindert werden, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Während der Orangen Revolution war der Aktivismus der Bürger der Schlüssel, der die Integrität der Wahl garantiert hat. Das ist auch heute noch so.
  • Aus der FTD vom 25.10.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland
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