Vitali Klitschko
Die Ukrainer sind gefangen zwischen dem, was offenbar die beiden Ziele von Janukowitschs Herrschaft sind: Zum einen die fortgesetzte Förderung des Oligarchenkapitalismus, der die Monopolisierung der Volkswirtschaft weiter vorantreibt und damit das sehr reale Potenzial der Wirtschaft bremst. Zum anderen die selektive Nutzung der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden zu dem Zweck, politische Gegner einzusperren, Proteste der Bürger zu verbieten und Kritik der Medien an kontroverser Regierungspolitik zu ersticken.
Darüber hinaus macht die diplomatische Isolierung durch Brüssel, Moskau und Washington Kiew anfällig. Strategische Kooperation und die Interessen des Landes mussten hinter rein von wirtschaftlichen Aspekten getriebenen Geschäften zurückstehen. Ein historisches Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, das eine umfassende und weitreichende Freihandelsvereinbarung beinhaltet und der Ukraine wichtige Märkte eröffnen würde, ist in der Schwebe. Und Handelskriege mit dem Nachbarland Russland schaden weiterhin den einheimischen Exporteuren.
Die Wahlen am Sonntag machen den Ukrainern Hoffnung und geben ihnen Gelegenheit, auf einen europäischen Entwicklungspfad zurückzukehren. Das wird jedoch kein leichter Weg, denn das Wahlsystem bereitet Demokraten weiterhin Sorge. Die Ukraine wählt die 450 Parlamentsabgeordneten in einem gemischten Wahlsystem. Eine Stimme wird für die Partei abgegeben, wobei für den Einzug ins Parlament die Fünfprozenthürde gilt. Die andere Stimme geht an den einzelnen Kandidaten.
Die Regierung hat beschlossen, in Wahlbezirken Verbündete als "Unabhängige" gegen Amtsinhaber und Oppositionskandidaten antreten zu lassen. Diese "Unabhängigen" genießen die Unterstützung der Behörden, sei es, indem Mitarbeiter sozialer Dienste für sie um Stimmen werben oder durch Bereitstellung von Mitteln für Infrastrukturprojekte. Die Unabhängigen verteilen zudem Pakete mit Zucker, Buchweizen und Medikamenten. Staatsanwaltschaft und Wahlbehörden sehen darüber hinweg. Zur selben Zeit sehen sich die Kandidaten der Opposition Einschüchterungsmaßnahmen ausgesetzt, und ihnen wird der Zugang zu den staatlich kontrollierten Medien verweigert. Kommunalbeamte und Vertreter von Phantomparteien besetzen zudem die Wahlausschüsse in Wahlkreisen. Internationale und nationale Wahlbeobachter haben festgestellt, dass einige Ausschussmitglieder denselben Wohnsitz haben.