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Merken   Drucken   16.10.2012, 10:19 Schriftgröße: AAA

Urteil der Woche: Nur "Amtsblatt" ist "Amtsblatt"

Behördendeutsch kann manchmal ganz schönes Kauderwelsch sein. Mit einer modernen Sprache wollen Kommunen verständlicher werden. Allerdings erfüllt diese manchmal nicht die strengen gesetzlichen Vorschriften für Bekanntmachungen. von Margarete Mühl-Jäckel
 
Margarete Mühl-Jäckel ist Partnerin der Kanzlei Dombert Rechtsanwälte in Potsdam .
VG Gelsenkirchen vom 9. 10. 2012
AZ: 9 L 954/12

Der Fall

Die Stadt Castrop-Rauxel erhielt eine Bauvoranfrage für einen Lebensmitteldiscountmarkt. Die Entscheidung darüber stellte sie jedoch zurück, weil sie zuvor einen Bebauungsplan beschlossen hatte. Der, so die Befürchtung, könne die Realisierung des Discounters verhindern oder wesentlich erschweren.
Den sogenannten Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan hatte die Stadt bekannt gemacht. Allerdings lauteten Titel und Untertitel des dafür verwendeten "Amtsblatts" lediglich: "Aus dem Rathaus ... Amtliche Bekanntmachungen der Stadt Castrop-Rauxel". Damit seien die Anforderungen an eine offizielle Veröffentlichung im "Amtsblatt" nicht erfüllt, meinte die Antragstellerin und zog vor Gericht.

Das Urteil

Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Gelsenkirchen gab nun der Antragstellerin recht: Eine Bauvoranfrage dürfe nur dann zurückgestellt werden, wenn der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht wurde. Das sei hier nicht geschehen, weil das Amtsblatt der Stadt nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge.
Nach der nordrhein-westfälischen Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von kommunalem Ortsrecht (Bekanntmachungsverordnung) muss das Amtsblatt im Titel oder Untertitel auch die Bezeichnung "Amtsblatt" führen und den Geltungsbereich nennen. Dass auf die Eigenschaft als "Amtsblatt" nur im Impressum oder im Internet hingewiesen wird, reicht nach Ansicht des VG Gelsenkirchen nicht aus.
Aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich klar, dass auch sinngemäß gleich lautende Begriffe nicht den strengen Formerfordernissen der Bekanntmachungsverordnung genügen. Neben einigen formalen Fehlern in der Bekanntmachung selbst war also der Verweis auf den Planaufstellungsbeschluss kein zulässiger Grund, die Bauvoranfrage nicht zu bescheiden.

Die Folgen

Ein Amtsblatt, das nicht Amtsblatt heißt, ist auch keines. Auf diese kurze Formel lässt sich die Ansicht der Gelsenkirchener Richter bringen. Was für den Bürger kurios klingen mag, ist aus rechtlicher Sicht oftmals nicht zu beanstanden. Denn grundsätzlich hat sich die Rechtsanwendung nach dem Wortlaut der Gesetze zu richten. Beruft sich ein Kläger, wie in diesem Fall, auf die formale Formulierung, verbietet sich nicht selten eine großzügigere Interpretation durch die Gerichte.
Dass dies für den juristischen Laien teilweise abenteuerliche Blüten treibt, kommt in der Praxis nicht selten vor. So wurde in Brandenburg jahrelang über ein subtiles Rechtsproblem der Bekanntmachung von Satzungen gestritten. Es ging um die Frage, ob die Bekanntmachung im Amtsblatt für Brandenburg auch dann ordnungsgemäß erfolgt ist, wenn die Satzung nur im "Amtlichen Anzeiger", der (offiziellen) Beilage zum Amtsblatt, veröffentlicht wurde. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beendete im Jahr 2011 den Streit ganz pragmatisch, indem es seine frühere formale Rechtsprechung selbst aufgegeben hat.
Zwar bemühen sich die Kommunen auch um ein bürgerfreundliches Behördendeutsch. So wurde im Brandenburger Landtag bereits 2007 ein Antrag auf "moderne Amtssprache" eingebracht. Um Klagen gegen unverständliche Hartz-IV-Bescheide zu vermeiden, setzt das Jobcenter Potsdam neuerdings sogar "Bescheid-Erklärer" ein. Doch wer formal auf den Wortlaut pocht, hat vor Gericht immer noch die besseren Karten - wie der Fall vor dem VG Gelsenkirchen zeigt.
Weil es mit dem Bürokratieabbau in Deutschland nicht zum Besten steht, hat die Bundesregierung 2006 den Nationalen Normenkontrollrat (NRK) ins Leben gerufen, der seither rund 350 Gesetze und Verordnung unter die Lupe genommen hat. In seinem in der vergangenen Woche vorgestellten Jahresbericht "Bessere Gesetzgebung" mahnt der NRK an, Verbesserungen müssten für alle tatsächlich spürbar werden. Bis es so weit ist, könnte man sagen: Ein bisschen Castrop-Rauxel ist überall.
 
 
  • Aus der FTD vom 16.10.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland
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