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Merken   Drucken   25.10.2012, 14:03 Schriftgröße: AAA

Energiewende: Bioenergie entpuppt sich als Irrtum

Strom aus Mais und Sprit aus Zuckerrüben galten einmal als Retter des Weltklimas. Jetzt zieht das Umweltbundesamt die Notbremse: Weil es weltweit nicht genug Anbauflächen gibt, muss die Produktion runtergefahren werden. Es sei denn, die Menschen essen weniger Fleisch.
© Bild: 2012 DPA/Uwe Anspach
Strom aus Mais und Sprit aus Zuckerrüben galten einmal als Retter des Weltklimas. Jetzt zieht das Umweltbundesamt die Notbremse: Weil es weltweit nicht genug Anbauflächen gibt, muss die Produktion runtergefahren werden. Es sei denn, die Menschen essen weniger Fleisch. von Nikolai Fichtner  Berlin
Die Förderung von Strom und Sprit aus Pflanzen entpuppt sich als ökologischer Irrtum. Es gebe weltweit nicht genug Anbauflächen, um sowohl die Bevölkerung zu ernähren, als auch Bioenergie zu produzieren, erklärte das Umweltbundesamt (Uba) am Donnerstag. Die Behörde empfiehlt, langfristig weitgehend auf Bioenergie zu verzichten.
Damit vollziehen Deutschlands Umweltschützer eine Kehrtwende. Lange galt Energie aus Pflanzen als wichtiger Bestandteil der Energiewende - obwohl inzwischen selbst die positive CO2-Bilanz der Bioenergie umstritten ist. Die Bundesregierung fördert nach wie vor den Ausbau von Biogas und Biosprit. Durch die klare Position des Uba gerät sie nun jedoch in Erklärungsnot. Auch die EU-Kommission hatte kürzlich vorgeschlagen, die Quote für Biosprit einzufrieren.
Die Langfristanalyse der Behörde dürfte neben der Landwirtschaft auch für andere Branchen Folgen haben. So müsse die Automobilwirtschaft wissen, "dass Biosprit keine aussichtsreiche Strategie ist", sagte Uba-Präsident Jochen Flasbarth. Die Branche solle darum lieber Elektroautos oder andere alternative Antriebe erforschen. "Wenn es in Zukunft überhaupt noch Spielraum für Bioenergie gibt, dann sollte sie für den Flugverkehr reserviert werden", sagte Flasbarth. Zu Bio-Kerosin gebe es nämlich langfristig wohl keine Alternative.
Das Umweltbundesamt stützt seine Bewertung auf eine Analyse der globalen Anbauflächen. Momentan stehen rund fünf Milliarden Hektar Fläche für die Landwirtschaft zur Verfügung, davon 3,5 Milliarden Hektar als Weide-, der Rest als Ackerland. Dass bereits heute eine Milliarde Menschen an Hunger leidet, ist vor allem auf die ungleiche Verteilung der Lebensmittel zurückzuführen. Die Bioenergieproduktion sei heute mit rund drei Prozent Anteil an der globalen Ackerfläche "noch nicht das Problem", sagte Flasbarth. "In den nächsten Jahrzehnten wird sich das jedoch verändern." Wenn man eine Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen ernähren wolle, gebe es kaum noch Spielräume für Bioenergie.
Die Umweltschützer glauben nicht, dass man die Pflanzenproduktion mit den heutigen Mitteln nennenswert erhöhen kann. Eine Ausweitung der Ackerflächen ginge auf Kosten von Klima- und Naturschutz. Auf degradierten Flächen fehle meist das nötige Wasser. Und eine intensivere Nutzung schade langfristig den Böden.
Die einzige Möglichkeit, Flächen für Bioenergie zu gewinnen, ist demnach, weniger Fleisch zu essen. "Eine fleischhaltige Ernährung hat einen erheblich höheren Flächenbedarf", sagte Flasbarth. Gerade in Schwellenländern essen die Menschen immer mehr Fleisch - und lassen sich davon nur schwer abbringen. Flasbarth forderte, zumindest Fehlanreize abzubauen. Der derzeit reduzierte Mehrwertsteuersatz für Fleisch sei beispielsweise "nicht einzusehen". Für die deutsche Ökostromförderung empfiehlt die Behörde einen Einschnitt. Nach der nächsten Reform solle es keine Förderung mehr für neue Biogasanlagen geben, die vor allem mit Mais betrieben werden. Langfristig solle Biogas nur noch aus Reststoffen gewonnen werden.
  • FTD.de, 25.10.2012
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