Niederlage für den Luxemburger Yves Mersch bei der Abstimmung über seinen Aufstieg ins EZB-Direktorium. Den Parlamentariern geht es dabei nicht um seine Kompetenz. Es geht um sein Geschlecht. Nun liegt die Entscheidung bei den Regierungen.
von Mark Schrörs ,
Peter EhrlichBrüssel
und Reinhard HönighausFrankfurt
Der Streit zwischen EU-Parlament und Mitgliedsstaaten um den vakanten Top-Posten im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) eskaliert. Die Abgeordneten lehnten am Donnerstag den Kandidaten der Staaten, Luxemburgs Notenbankchef Yves Mersch, ab. Im Plenum des Parlaments votierten 325 Abgeordnete gegen Mersch. 300 waren für ihn. 49 Abgeordnete enthielten sich.
Die Mitgliedsstaaten können Mersch trotz des negativen Votums nominieren. Das Parlament muss lediglich angehört werden, hat aber kein Vetorecht. Die Staaten müssen nun entscheiden, ob sie die Parlamentsmeinung übergehen. Das letztlich sehr knappe Abstimmungsergebnis zuungunsten Merschs könnte sie veranlassen, Mersch dennoch zu nominieren. Nötig wäre dafür laut EU-Vertrag eine Zweidrittelmehrheit der Regierungen. Die EZB geht weiter davon aus, dass der Rat Mersch durchdrückt, wie aus Notenbankkreisen verlautete.
Den Kritikern Merschs im EU-Parlament ging es nicht vornehmlich um die Qualifikation Merschs für das Amt. Sie kritisierten aber, dass nach einem Einzug Merschs voraussichtlich bis 2018 keine Frau im EZB-Direktorium sitzen werde. "Das Europaparlament zeigt Rückgrat für die Geschlechtergerechtigkeit", sagte der grüne Finanzexperte im EU-Parlament, Sven Giegold.
Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank
Zusagen von EU-Ratspräsident Hermann Van Rompuy vom Dienstag, dass künftig stärker auf geeignete weibliche Kandidaten bei EU-Spitzenjobs geachtet werden sollte, reichten den Abgeordneten nicht. "Mit Lippenbekenntnissen wird sich an der Schieflage nichts ändern. Van Rompuy hat die berechtigten Anliegen des Parlaments mit leeren Phrasen abgekanzelt", sagte der Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Udo Bullmann. Das sei "ein Armutszeugnis für den Umgang des Europäischen Ratspräsidenten mit dem Parlament und zeigt, welch geringe Bedeutung Van Rompuy einer verbesserten Zusammenarbeit bei Europas Personalpolitik beimisst". "Mersch hätte vom EU-Parlament grünes Licht erhalten, wenn Van Rompuy konkrete Zusagen gemacht hätte. Der EU-Ratspräsident trägt deshalb die politische Verantwortung für die entstandene Lage", so Bullmann.
Deutliche Kritik kam dagegen von den Konservativen. "Leider stand nicht die fachliche Qualifikation im Mittelpunkt", sagte der CDU-Europaabgeordnete Burkhard Balz. Er warf den Gegnern Merschs, die vor allem aus dem Mitte-links-Lager stammen, vor, die Geschlechterfrage nur als "Feigenblatt" zu benutzen, wie er der FTD sagte. "Ihnen geht es vor allem darum, einen stabilitätsorientierten Mann im EZB-Direktorium zu verhindern, der das Gleichgewicht in dem Gremium wiederherstellen würde." Aus Sicht konservativer Politiker und Experten dominieren derzeit im Direktorium Vertreter aus Ländern, die eher einen lockeren geldpolitischen Kurs vertreten.
Die Befürworter Merschs kritisieren auch, dass bei den jüngsten Benennungen des Deutschen Jörg Asmussen und des Franzosen Benoit Coeuré ins EZB-Direktorium keinerlei Diskussionen um die Geschlechterfrage angezettelt worden seien - obwohl auch damals schon nur Männer in dem Gremium saßen. Nun werde diese Frage auf Kosten eines kleinen Landes debattiert.
Seit Juni ist der Posten im EZB-Direktorium vakant. Da war der Vertreter Spaniens, José Manuel González-Páramo, turnusgemäß ausgeschieden. EZB-Präsident Mario Draghi hat wiederholt kritisiert, dass sich die Nachnominierung so lange hinzieht. Gerade in Zeiten der Euro-Krise müsse das Direktorium vollständig sein.
Die liberale Abgeordnete Sylvie Goulard - eine der Wortführerinnen gegen die Nominierung Merschs - warnte die Mitgliedsstaaten, das Votum des Parlaments zu ignorieren. "Rechtlich gesehen kann der Rat Yves Mersch bestätigen. Das wäre aber ein großer politischer Fehler und ein falsches Signal", sagte Goulard.
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