In Deutschland geplante neue Stromtrassen
Das Szenario führte eines deutlich vor Augen: Das deutsche Stromnetz ist schon heute dem steigenden Anteil an Windenergie nicht gewachsen. Und die Lage wird sich eher verschlimmern: Nach der
Offshore-Strategie der Bundesregierung soll allein die Stromproduktion auf hoher See bis zum Jahr 2025 einen Anteil von 15 Prozent erreichen. Die Frage lautet daher: Wie viele neue Stromleitungen brauchen wir, um den Ökostrom zu verteilen?
Dafür haben die vier Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW der Bundesnetzagentur einen Vorschlag unterbreitet: Ihr Netzentwicklungsplan basiert auf dem aktuellen Ausbauszenario der Erneuerbaren in den Bundesländern sowie der gültigen Gesetzeslage wie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das sieht eine vorrangige Einspeisung des Stroms aus Wind-, Sonnen- und Bioenergie vor. Die Übertragungsnetzbetreiber veranschlagen in ihrem Plan 6600 Kilometer neue Leitungen zu Kosten von insgesamt 20 Mrd. Euro.
"Dieser geplante Netzausbau steht im Widerspruch nicht nur zum gesetzlichen Gebot der wirtschaftlichen Zumutbarkeit des Netzausbaus, sondern auch zum gesunden Menschenverstand", kritisiert Lorenz Jarass, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule RheinMain. Er führt vor allem die Merit Order ins Feld, also die Reihenfolge, nach der konventionelle Kraftwerke zum Einsatz kommen, wenn zu wenig Strom aus erneuerbaren Quellen vorhanden ist.
Kriterium sind darin ausschließlich die jeweiligen Brennstoffkosten. "So kann es bei einem Engpass im Süden durchaus günstiger sein, ein billiges Kohlekraftwerk im Norden hochzufahren als ein teureres Gaskraftwerk ganz in der Nähe. Und das nur, weil die Netzkosten für den Transport keine Rolle spielen", rügt Jarass. Das werde noch dadurch befeuert, dass neue Kraftwerke überall gebaut werden dürfen. "Ein solches Szenario spiegelt nicht die tatsächlichen Kosten der Stromerzeugung wider und sorgt für ein aufgeblasenes Netz", so Jarass.