Trotz einer Abstimmungsniederlage im Europäischen Parlament wird Luxemburgs Notenbankchef
Yves Mersch voraussichtlich im Dezember den vakanten Top-Posten im Direktorium der
Europäischen Zentralbank (EZB) übernehmen. Die --Bundesregierung-- steht nach FTD-Informationen zu ihrem Kandidaten Mersch. Der 63-Jährige sei vom Finanzministerrat "nach sorgfältiger Abwägung vorgeschlagen" worden, hieß es in Regierungskreisen. Nun müsse der Europäische Rat, in dem die EU-Mitgliedsländer vertreten sind, entsprechend entscheiden. Auch die EZB geht davon aus, dass die Regierungen Mersch durchdrücken werden, wie aus Notenbankkreisen verlautete.
Die Abgeordneten verweigerten Mersch am Donnerstag ihre Zustimmung, weil sie lieber eine Frau auf diesem Posten gesehen hätten. Im Plenum in Straßburg votierten 325 Abgeordnete gegen Mersch, 300 waren für ihn. 49 Parlamentarier enthielten sich. Es war das erste Mal, dass die Abgeordneten einen designierten EZB-Direktor ablehnten. Nach den hausinternen Regeln muss Parlamentspräsident Martin Schulz die Regierungschefs nun auffordern, einen neuen Kandidaten zu benennen. Die Regierungen können aber auch an Mersch festhalten. Das Parlament muss nur angehört werden, es hat kein Vetorecht. Da das Votum nur knapp zuungunsten Merschs ausfiel, könnten neben der deutschen auch andere Euro-Regierungen geneigt sein, den Luxemburger gegen den Widerstand der Abgeordneten durchzusetzen. Nötig wäre dafür laut EU-Vertrag eine Zweidrittelmehrheit der Regierungen.
Merschs Kritikern im EU-Parlament ging es nicht vornehmlich um seine Qualifikation. Sie beklagten, dass nach einem Einzug Merschs voraussichtlich bis 2018 keine Frau im EZB-Direktorium sitzen werde. "Das Europaparlament zeigt Rückgrat für die Geschlechtergerechtigkeit", sagte der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold. Die Zusage von EU-Ratspräsident --Hermann Van Rompuy-- vom Dienstag, man werde künftig bei der Besetzung von Spitzenjobs stärker auf geeignete weibliche Kandidaten achten, reichte den Abgeordneten nicht. "Mit Lippenbekenntnissen wird sich an der Schieflage nichts ändern. Van Rompuy hat die berechtigten Anliegen des Parlaments mit leeren Phrasen abgekanzelt", sagte der SPD-Politiker Udo Bullmann.