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Merken   Drucken   08.10.2012, 16:24 Schriftgröße: AAA

Matratzen-Manufaktur: Träum weiter!

Schon die Passagiere der „Titanic“ schliefen auf Matratzen von Vi-Spring. Auch Prinz Charles und Diana lagen auf den mit Schafswolle gefüllten Bettpolstern. Unsere Autorin besucht die englische Manufaktur – und würde nur zu gern ein Nickerchen dort machen.
Schon die Passagiere der „Titanic“ schliefen auf Matratzen von Vi-Spring. Auch Prinz Charles und Diana lagen auf den mit Schafswolle gefüllten Bettpolstern. Unsere Autorin besucht die englische Manufaktur – und würde nur zu gern ein Nickerchen dort machen. von Gaby Herzog
Als Krönung noch eine Lage Kaschmir. Michael Len­nox muss sich auf die ­Zehenspitzen stellen, um die oberste Schicht edler Wolle auf der vier Quadratmeter großen Fläche zu verteilen. Er zupft das Material luftig auseinander, korrigiert Unebenheiten und tritt dann einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten. Vor ihm auf der Arbeitsplatte türmen sich mehrere Lagen aus Shetlandwolle, Seide und Kaschmir. Schicht für Schicht sorgfältig von Hand aufeinandergelegt.
Was an einen gigantischen Hamburger erinnert, wird bald eine der edelsten Matratzen der Welt sein. Seit mehr als 100 Jahren fertigt die Bettenmanufaktur Vi-Spring in der Hafenstadt ­Plymouth im Südwesten Englands die teuren Schlafmatten. Die ultimative Luxusvariante namens Majesty, 90 Kilogramm schwer und exklusiv für Harrods in London hergestellt, kostet bis zu 58.000 Euro. Ohne Untergestell.
Alles in Handarbeit in der Matratzenmanufaktur Vi-Spring in ...   Alles in Handarbeit in der Matratzenmanufaktur Vi-Spring in Großbritannien
Das Herz der Traumpolster ist der Taschenfederkern, den Lennox und seine Kollegen später weich ummanteln. Diesen Kern herzustellen ist eine Wissenschaft für sich, denn die perfekte Kombination aus Größe, Anzahl und Spannung der Stahlfedern macht ­später den individuellen Schlafkomfort aus. Wie weich, wie hart soll die Matratze sein, an welchen Stellen darf sie mehr nachgeben, an welchen weniger? Was, wenn ein Paar auf einer durch­gehenden Matratze schlafen möchte, er aber 90 Kilo wiegt und sie nur 60? Auf solche Fragen finden die Federkernexperten in Plymouth die ­jeweils passende Antwort.
Statt die Federn selbst herzustellen, könnte man sie auch billig einkaufen, aber das widerspräche der Firmen­philosophie. Im vorderen Teil der Werkhalle rattern 14 Maschinen, sie wickeln Vanadiumstahl von hüfthohen Spulen und ziehen den Draht ein. Für seine 75 Federsorten setzt Vi-Spring neun unterschiedliche Drahtstärken zwischen 1,24 und 2,2 Millimetern ein.
Die einfache Regel: Je dicker das Metall, desto härter das Bett. Wenige Sekunden später hüpfen die fertigen Federn, in sechs Windungen gedreht, über ein Band nach draußen. Dort fallen sie jeweils in ein Baumwolltäschchen und werden als Endlosschlange zum nächsten Arbeitsschritt transportiert.

"Wer gut schläft, sieht besser aus"

Zur Station von Raymond Carter. "Ab hier machen wir alles nur noch in Handarbeit", erklärt er. Carter ist ein 1,90-Meter-Mann mit Tattoos auf den Armen und einem Manchester-United-Trikot zur blauen Leinenschürze. Er ordnet die in die Säckchen einge­nähten Federn in einem Rahmen zu einer Wabenstruktur und fixiert sie dann mit routinierten Nadelstichen.
Carter gehört zu den Dienstältesten bei Vi-Spring. Seit 39 Jahren und fünf Monaten arbeitet er bei dem Unternehmen. "Gute Bezahlung, gute Stimmung, gutes Produkt", fasst er zusammen und lächelt. "David Beckham und Victoria schlafen auch auf unseren ­Betten."
Schon in der ersten Klasse der "Titanic" sorgten Matratzen von Vi-Spring für gute Träume - bis das Traum­schiff unterging. Damals war der Taschenfederkern gerade erst erfunden. Die Manufaktur hatte das Patent gekauft und wurde für ihre Produkte gefeiert, denn bis dahin bestanden selbst teure Matratzen nur aus einem mit Schafwolle gefüllten Sack. In der feuchten Luft auf Ozeandampfern fing die Wolle schnell an, streng zu riechen. Bei den neuen Matratzen sorgten kleine Öffnungen für gute ­Belüftung. Die Sprungfedern fingen zudem das unangenehme Rollen bei hohem Seegang ab. Was die Luxusliner den Gästen boten, wollten bald auch die Eisenbahnbetreiber für ihre Erste-Klasse-Schlafwagen, die Grandhotels für ihre Suiten und Vermögende für ihr Schlafzimmer - die englische Manufaktur florierte.
Guter Schlaf sei nicht mit Gold aufzuwiegen, findet der Schlafforscher Neil Stanley. "Wer gut schläft, sieht besser aus, leidet seltener unter Übergewicht, ist leistungsfähiger und generell glücklicher", sagt der Engländer. Dass viele beim Kauf eines Bettes sparen, obwohl der Mensch doch gut ein Drittel seines Lebens darin verbringt, verwundert ihn. "Ein Großteil der Matratzen sind aus Schaumstoff, also Polyurethan, gemacht. Ich finde die Vorstellung, auf Plastik zu schlafen, seltsam."

Lattenroste sind selten

Wie Stanley ziehen auch Vi-Spring-Kunden Naturprodukte und tradi­tionelle Fertigungsweisen vor. Jede ­Matratze wird nach individuellen Wünschen hergestellt. Dass man zwei bis drei Wochen darauf warten muss und selbst das Einsteigermodell Elite bis zu 3000 Euro kostet, nehmen Kunden offenbar gern in Kauf. Gerade die zeitaufwendige Handarbeit scheint der Erfolgsgarant zu sein. Als das Unternehmen in den 70er-Jahren auf Masse setzte und die Produktion automa­tisierte, ging es fast pleite. Am Ende werkelten nur noch drei Mitarbeiter in ­einer Garage vor sich hin - da besann man sich auf die alten Methoden. Heute stellen 160 Mitarbeiter pro Woche 600 Matratzen und 450 Diwane her.
Ein Diwan ist der Unterbau für ein klassisches englisches Bett. Gestelle mit Lattenrost sind in Großbritannien unüblich, stattdessen schätzt man dort gepolsterte Bettkästen mit passendem Kopfteil, wegen ihrer Federung auch Boxspring genannt. 15 Modelle hat ­Vi-Spring derzeit im Programm, von klassisch bis modern, bezogen mit Stoffen aus der hauseigenen Kollektion.
Doch auch der beste Diwan mit zwei Lagen Stahlfedern und handgetufteter Polsterung ist nichts ohne eine perfekte Matratze. "First-Class-Quality only" steht mit Kreide auf die rot gestrichene Wand neben den Waschmaschinen geschrieben. Bevor die Wolle verarbeitet wird, muss sie noch einmal sorgfältig gereinigt werden. Vor allem die Shetlandwolle, der Grundstoff der Matratzen, braucht besondere Aufmerksamkeit.
"Die Schafe auf den Inseln leben unter härtesten Bedingungen. Da oben im Norden wächst kein Baum, und ständig weht ein kalter Wind. Die Tiere haben ein außergewöhnlich robustes Fell", sagt Michael Lennox. Inzwischen hat der 59-Jährige ein weißes Seidentuch über die insgesamt zehn Schichten gespannt und mit viel Kraft an den Seitenteilen festgenäht. Jetzt sieht der Hamburger aus wie eine riesige Dampfnudel. "Hier stecken 20 Kilo Wolle drin, das macht rund fünf Schaffelle pro Bett", sagt er. Er kneift ein Auge zu und fädelt bedächtig einen neuen Flachszwirnfaden durch die Öse seiner dicken Stahlnadel. Hinter ihm, im Kofferradio, singen die Beatles.

"Charles und Diana hätten es noch kürzer miteinander ausgehalten"

Neben Lennox auf dem Boden steht ein Plastikkorb mit stark gekräuselten braun-schwarzen Haaren. "Rosshaar", erklärt er. Seit Jahrhunderten wird es für Polsterungen und in der Bettenherstellung verwendet. "Das Haar vom Schweif eines Pferdes ist die längste Naturfaser, die es gibt, außerdem ex­trem stabil und flexibel." Bevor das Rosshaar in die Matratze kommt, wird ihm eine Dauerwelle verpasst. So kann es sich wieder aufrichten, wenn es im Laufe der Nacht platt gelegen wurde. Der Effekt gleicht dem von zwei Mil­lionen Minifedern.
Fast drei Stunden braucht Lennox, um alle Nähte mit kleinen, exakten ­Stichen zu schließen. Anschließend hieven zwei Männer die Matratze in ein Gerät, das sie Sandwichmaker nennen. Zwei Platten pressen den Ballen zusammen, bis er tatsächlich wie eine Matratze aussieht.
Vi-Spring verkauft rund 66 Prozent seiner Betten im Vereinigten Königreich, 23 Prozent im europäischen Festland, acht in den USA. Als Prince Charles und Diana heirateten, schenkte ihnen die Manufaktur ihr Spitzenmodell. Doch das Paar war unzufrieden und ließ das Schlafmöbel gegen ein weicheres Modell umtauschen. Dass dies ein schlechtes Omen für die Ehe war, glaubt Raymond Carter nicht. "Ohne unser Bett hätten es die beiden wahrscheinlich noch kürzer miteinander ausgehalten."
Er selbst hat sich vor sieben Jahren sein erstes Vi-Spring-Bett gegönnt. Ohne Kaschmir und Seide, zum Mitarbeitertarif. "Hat trotzdem fast ein Monatsgehalt gekostet", sagt er. "Aber meine Frau schläft seitdem wieder länger."
RÜCKZUGSGEBIET
Vi-Spring 22 Matratzenmodelle in allen Standard- und Wunschgrößen von circa 1500 bis 7500 Euro, 15 Bettenmodelle inklusive Diwan von circa 6000 bis 30.000 Euro für ein Doppelbett, Sonderanfertigungen auf Anfrage. Zum Beispiel über Vi-Spring by Dada, Berlin, www.dada-berlin.de, oder Cocoon, Düsseldorf, www.luxusbetten.com. Weitere Infos und Bezugsadressen über Tel.: 030/825 58 28 oder www.vi­-spring.de
  • FTD.de, 08.10.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland
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