Die Geschäftsidee ist genial – aber das reicht noch lange nicht, um ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. In unserer Serie zeigen wir, was Existenzgründer beachten müssen, wo die größten Aufgaben und die bösesten Fallen liegen.
Jedes dritte Startup in Deutschland wird in den ersten drei Jahren insolvent. Doch das ist nicht unbedingt ein Grund aufzugeben. von Lutz Bergmann
Gerade mal neun Wochen war Markus Schulz mit seinem Produkt auf dem Markt, da musste sein Unternehmen schon Insolvenz anmelden. Dabei hatte sich der Sonnenenergieexperte und Geschäftsführer von Changers so viel Mühe gegeben, hatte anderthalb Jahre an einer mobilen Solarzelle plus Akku getüftelt. Jeder sollte damit seinen Laptop, sein Smartphone und sein Tablet unterwegs aufladen können. Bei Aldi wollte er die Innovation als Massenartikel verkaufen und gleichzeitig den Klimawandel verlangsamen. Als ein Investor absprang, war mit den Träumereien erst mal Schluss. Changers war pleite - und Schulz ratlos. "Ich wusste nicht genau", sagt er rückblickend, "in welche Situation ich mich hineinbegebe."
Schnelles Ende: Wie Gründer ihr Unternehmen aufgeben
So wie Changers ergeht es vielen Startups. Laut Gründungsmonitor 2012 der KfW-Bankengruppe scheitert jedes dritte neu gegründete Unternehmen in den ersten drei Jahren. Im Gegensatz zu alteingesessenen Unternehmen, die meist Zahlungsunfähigkeit anmelden müssen, weil ihre Produkte mit dem technischen Fortschritt nicht mithalten können, sind die Produkte von Startups in der Regel zeitgemäß. Sie floppen aus anderen Gründen - wenn ein Investor abspringt oder sich nicht schnell genug ein fester Kundenstamm bildet. Außerdem mangelt es den Geschäftsführern häufig noch an Erfahrung.
Alles kein Problem, betont Insolvenzberater Rolf Rattunde - wenn das Produkt stimmt. "Das Unternehmen muss ein in sich tragfähiges Kerngeschäft haben, alles andere kann der Insolvenzverwalter regeln." Trotzdem unternimmt nur jedes zehnte Unternehmen nach einer Insolvenz einen Neustart, wie eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zeigt.
Wirtschaftspsychologe Carl Vierboom erklärt das folgendermaßen: "Ein Unternehmer ist kräftig, potent und großartig. Wer einen Neustart schaffen will, muss sich aber zunächst eingestehen, dass er gescheitert ist. Das können viele Unternehmer nicht mit ihrem Ego vereinbaren." Das Scheitern des Unternehmens bedeute für viele, selbst gescheitert zu sein. Wenn die Identifikation mit der Firma zu stark sei, erlebe der Unternehmer den Konkurs wie eine Todeserfahrung, sagt der Vierboom. Startup-Chefs lähme Angst besonders, weil jede Fehlentscheidung das Aus bedeuten könne.
"Junge Unternehmer", sagt der Psychologe, "sind zarte Pflänzchen." Aus Furcht vor Gesichtsverlust und Fehlern verpassen viele den richtigen Zeitpunkt. Für den Insolvenzantrag etwa empfiehlt Insolvenzverwalter Rattunde: "Wenn der Bankkredit in sechs Monaten ausläuft und der Unternehmer keinen neuen Kredit bekommt, dann sollte er sofort Insolvenz anmelden. Je länger man wartet, desto weniger ist zu retten."
Schulz kennt all diese Ängste - und auch er hat lange gezögert: "Ich habe bei mir selbst nach Fehlern gesucht, und es war eine belastende Zeit." Selbst als er mit dem Insolvenzantrag auf dem Weg zum Briefkasten war, grübelte er noch über Letzte-Hilfe-Maßnahmen nach. Heute empfiehlt er, Rat von Dritten zu suchen. Er selbst hat schließlich einen Anwalt herangezogen.
Und er hatte Glück im Unglück: Sein Produkt überzeugte. Smartphones, Tablet-PCs und Laptops im Freien und überall auf der Welt aufladen zu können, sobald die Sonne scheint - das hatte es bislang nicht gegeben. Der Nutzer muss die Solarzelle mit dem Akku verbinden und den wiederum per USB-Kabel an das Endgerät anschließen. Der Clou des Produkts: Der CO2-Fußabdruck eines Nutzers verkleinert sich, weil er erneuerbare Energie nutzt. Wie viel CO2 der Kunde spart, errechnet der Akku automatisch und überträgt diesen Wert auf die Internetplattform von Changers. Eine technische Innovation mit ideologischem Mehrwert plus Öffentlichkeit - der Insolvenzberater fand das überzeugend genug, um einen radikalen Umbau des Unternehmens mit dem Ziel der Wiederbelebung einzuleiten.
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