Windows 8 und Surface-Tablet: Microsoft übertrifft die Apple-Show
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2012 Reuters/LUCAS JACKSON
Steven Sinofsky erweckt den Eindruck, als müsste er jede Kopie von Windows 8, jedes Surface-Tablet persönlich verkaufen. Minuten bevor der Chef der Windows-Sparte auf einer Bühne in New York die letzten Details zu Microsofts neuem Betriebssystem enthüllt, schüttelt er Journalisten, Analysten und Kunden in der ersten Reihe die Hand. Es sei alles sehr "exciting", tolle Produkte, der große Wurf. Nachdem die große Präsentation durch ist und sein Chef Steve Ballmer hinter den Kulissen verschwunden ist, mischt sich Sinofsky wieder unters Publikum. Was sie bei Windows 8 missen würden, fragt er zwei Kunden, wie das denn mit den USB-Anschlüssen sei, und ja, es sei wirklich alles sehr aufregend. Fragen von Journalisten will er so spontan und ohne die Anwesenheit seiner PR-Aufpasserin hingegen nicht beantworten.
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Mehr als drei Jahre hat die Entwicklung der neuen Version von Microsofts wichtigstem Produkt gedauert und mehrere Milliarden Dollar gekostet. Am Donnerstag war es dann endlich so weit: Sinofsky und Steve Ballmer gaben im Pier 57 in Manhattan den Startschuss für Windows 8. Noch nie war eine Produkteinführung so entscheidend für Microsofts Zukunft. Das für mobile Geräte optimierte Betriebssystem wird entscheiden, ob der weltgrößte Softwarekonzern seine PC-Herrschaft in das Zeitalter der immer schlankeren Notebooks, der Tablets und der Smartphones hinüberretten kann. "Wir beginnen eine neue Ära für Microsoft und unsere Kunden", sagte Ballmer.
Den Auftakt für das neue Zeitalter hat Microsoft gekonnt inszeniert. Dagegen verblasst Apples iPad-mini-Launch vom Dienstag im Silicon Valley. Aber das iPad mini ist ja auch kein Alles-oder-nichts-Produkt für Apples Zukunft, wie es Windows 8 für Microsoft ist. Hunderte Gäste stellten sich am Donnerstag bereits Stunden vor Beginn der Keynotes vor dem Pier in die Schlange. Anders als bei einem Apple-Launch, wo Jeans und T-Shirts dominieren, waren viele Anzüge zu sehen. Im höhlenartigen Inneren des in die Jahre gekommenen Baus am Hudson River war ein imposantes Modell von Manhattan aufgebaut. Auf weißen Sockeln zwischen Chrysler Building, Empire State Building und Brooklyn Bridge standen Windows-8-Geräte von Acer , Dell , Hewlett-Packard und anderen Microsoft-Hardware-Partnern. Das Surface-Tablet, Microsofts erster eigener Computer in der 37-jährigen Firmengeschichte, fehlte - noch.
Sinofsky widmet einige Zeit seiner Keynote den Entwicklern, die Anwendungen für Microsofts neuen, direkt in das Betriebssystem integrierten Windows Store programmieren sollen. Die Anzahl und Qualität der Apps sind entscheidend für den Erfolg von Windows 8. Apple und Google haben Hunderttausende Apps in ihren Onlineläden für ihre Tablets und Smartphones. Microsoft hat viel aufzuholen. Der Chef der Windows-Sparte gibt nicht an, wie viele Apps sich im Windows Store befinden. Er wiederholt nur, was alle Microsoft-Manager dieser Tage herunterbeten: "Tausende - und jeden Tag kommen Hunderte Neue dazu." Schätzungen zufolge dürften es bis Ende der Woche um die 10.000 Apps sein.
Ballmer - im dunklen Anzug - betrat erst zum Ende der Veranstaltung die Bühne. "Es ist wirklich ein aufregender, aufregender Tag", donnerte der wie immer energiegeladene Microsoft-Chef. Er versucht, die Zweifel an der Zukunft des PC auszuräumen. Die Absatzzahlen leiden seit mehreren Quartalen unter der Popularität von Tablets und Smartphones - beides Märkte, in denen Microsoft bislang auf keinen grünen Zweig gekommen ist. Warum also nicht neue Gerätekategorien zu PCs erklären, um der Misere etwas Positives abzugewinnen? "Sind diese neuen Geräte PCs? Ja!" rief Ballmer in die Halle. Windows, sagte Ballmer, "zerschmettert die Vorstellung davon, was ein PC ist".
Skaten auf dem Tablet - mit Fahrradhelm
Nach der Hauptpräsentation schleuste Microsoft die Journalisten in einen separaten Saal des Piers. Sinofsky und der Surface-Chef Panos Panay versuchen mit Demos, lauter Musik, Apple-ähnlichen Videos und coolen Sprüchen Stimmung für Microsofts Surface-Tablet zu machen. Sinofsky, der fast immer in Jeans, T-Shirt und V-Pulli anzutreffen ist, zeigte zu Skateboards umgebaute Surface-Tablets. Auf dem Surface-Skateboard rollte der Windows-Chef - mit Fahrradhelm - tatsächlich auch durchs Büro, wie ein Foto bewies. Um die Strapazierfähigkeit des ersten Microsoft-Computers weiter zu beweisen, ließ Panay ein Exemplar aus gut einem Meter Höhe auf den Boden fallen. "Und es läuft immer noch", sagte der Chef des Surface-Teams stolz. "Ihr könnt es auf 72 unterschiedliche Arten fallen lassen, und es wird nicht kaputtgehen."
Ob Microsoft im großen Umfang Geräte selbst entwickeln wird und wie sich das auf die wichtigen Beziehungen zu den Hardwarepartnern auswirken wird, sprach Sinofsky nicht an. Aber Ballmer und seine Manager senden seit Wochen klare Signale aus, dass der Surface nur der Anfang der Microsoft-Hardware-Ära ist.
Der Vorführeffekt bleibt nicht aus
Nach der Präsentation standen 300 Surface-Tablets und die mit Magneten befestigten Tastaturhüllen Touch Cover und Type Cover zum Ausprobieren bereit. Der Vorführeffekt blieb auch diesmal nicht aus. Zahlreiche Geräte stürzten ab, die W-Lan-Verbindung klappte nicht, Apps wollten nicht starten. "Die werden auf jedermanns Weihnachtswunschliste stehen", spekuliert jemand dennoch hoffnungsfroh. Man würde es Microsoft nach der jahrelangen Entwicklung gönnen - und der Markt verträgt einen weiteren Player, der Apple und Google auf Zack hält.
Ein erster Gradmesser, ob die neuen Produkte Magnete sind, zeigt sich Donnerstagnacht am Times Square in Manhattan. Dort wird um 22 Uhr Ortszeit der neue Microsoft Store eröffnet. Am späten Nachmittag hatten sich ein paar erste Schaulustige eingefunden. Wäre es allerdings ein Apple-Laden, der das neueste iPad oder iPhone verkauft, hätten sich die Fans schon 24 Stunden vor Ladenöffnung mit Campingstühlen, Kaffee und Donuts davor postiert.
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Aus der FTD vom 26.10.2012
© 2012 Financial Times Deutschland
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