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Merken   Drucken   26.10.2012, 13:53 Schriftgröße: AAA

Vetternwirtschaft: Familie von Wen Jiabao scheffelt Milliarden

Die Angehörigen von Chinas Regierungschef gehören offenbar zu den reichsten Menschen dieser Welt. Das ergaben Recherchen der "New York Times". Die Website der Zeitung wurde nach Erscheinen des Berichts in der Volksrepublik gesperrt.
© Bild: 2012 dpa/Bildfunk/Olivier Hoslet
Die Angehörigen von Chinas Regierungschef gehören offenbar zu den reichsten Menschen dieser Welt. Das ergaben Recherchen der "New York Times". Die Website der Zeitung wurde nach Erscheinen des Berichts in der Volksrepublik gesperrt.
Die Familie von Chinas Ministerpräsidenten Wen Jiabao soll ein Vermögen von umgerechnet etwa 2,1 Mrd. Euro angehäuft haben. Dies berichtete die "New York Times" im Internet. Die Summe habe sich aus einer Analyse von Unternehmensdaten und offiziellen Angaben ergeben, schrieb die Zeitung.
Die Website der Zeitung wurde nach Erscheinen des Berichts in der Volksrepublik gesperrt. Der gesamte Text ist auch auf Chinesisch abrufbar.
Einige Familienmitglieder des scheidenden Premiers hätten nach Recherchen der Zeitung "ein Talent für aggressive Geschäftsabschlüsse". Der Reichtum der Familie Wen sei durch verschachtelte Unternehmens- und Eigentümerstrukturen verschleiert worden, bei denen Freunde, Arbeitskollegen und Geschäftspartner als Strohmänner fungierten. Etwa 80 Prozent des Vermögens würden von entfernteren Verwandten und nicht von Wen Jiabaos Frau oder seinen Kindern kontrolliert. Damit sei dieser Teil des Vermögens nicht von Offenlegungsregeln der Kommunistischen Partei betroffen, hieß es.
Wen Jiabao selbst gab sich während seiner Regierungszeit immer volksnah und bescheiden. Er erzählte immer wieder, er sei in großer Armut aufgewachsen. Seine Mutter war Lehrerin, der Vater wurde unter Mao gezwungen, Schweine zu hüten, schreibt die "New York Times". Doch mit dem Aufstieg Wen Jiabaos in die politische Führungsspitze wurden die Verwandten des Premiers sagenhaft reich.
Allein ein einzelnes Investment, das die mittlerweile 90-jährige Mutter Wens vor fünf Jahren getätigt hatte, belaufe sich auf 120 Mio. Dollar. Seit Wens Aufstieg in die politischen Machtzirkel seien die Vermögen seiner Eltern, seines Sohnes, seiner Tochter, seines jüngeren Bruders und seines Schwagers exorbitant angewachsen, schreibt "New York Times"-Korrespondent David Barboza, der 2002 für den Pulitzerpreis nominiert war.
Die komplizierten Verästelungen illustrierten den Filz zwischen Regierung und Geschäftswelt in der schnell wachsenden chinesischen Wirtschaft. Anders als bei normalen Startups hätten die Firmen der Familie finanzielle Rückendeckung durch staatseigene Unternehmen wie etwa China Mobile erhalten. Die "New York Times" entdeckte Beteiligungen der Familie an Banken, Juwelieren, Ferienanlagen, Telekommunikationsunternehmen und Infrastrukturprojekten, die teilweise über Offshore-Gesellschaften abgewickelt wurden. Als Beispiele nennt Barboza ein Villenbauprojekt in Peking, eine Reifenfabrik in Nordchina, ein Unternehmen, das am Bau von Pekings Olympiastadion beteiligt war, und Ping An Insurance, einen der größten Finanzdienstleister der Welt.
Als Premierminister einer stark staatsgesteuerten Wirtschaft habe Wen Jiabao weitgehenden Einfluss auf die Branchen gehabt, in denen seine Verwandten zu Geld kamen, schreibt die "New York Times". Chinesische Unternehmen müssen zum Beispiel Börsengänge von Behörden genehmigen lassen, deren oberster Dienstherr der Premier ist.
Berichte über superreiche Parteifunktionäre sorgen in China regelmäßig für Unmut. Der neue Skandal trifft die regierende Kommunistische Partei mitten in einer Krise und vor einem wichtigen Parteitermin.
Auf einem nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteikongress am 8. November soll der seit Langem vorbereitete Generationenwechsel in der Parteiführung besiegelt werden. Der 59-jährige Vizepräsident Xi Jinping soll das Ruder als künftiger Staats- und Parteichef von Hu Jintao übernehmen, der mit 69 Jahren abtritt.
Kurz vor diesem Generationenwechsel wurde bereits der Skandal um den Spitzenkader Bo Xilai öffentlich, der als Favorit für die Führungsämter der Partei galt. Er wurde am Freitag seines Parlamentssitzes enthoben. Aus der Kommunistischen Partei war er bereits ausgeschlossen worden. Dem 63-Jährigen werden unter anderem Amtsmissbrauch und Bestechung vorgeworfen.
In einem Prozess im August hatte Bos Frau Gu Kailai wegen des Giftmords an dem befreundeten britischen Geschäftsmann Neil Heywood ein Todesurteil auf Bewährung erhalten. In dem Verfahren kam der Verdacht auf, Bo habe den Mord vertuschen wollen. Die Affäre um den Giftmord hatte die chinesische Parteiführung in ihre schwerste Krise seit mehr als zwei Jahrzehnten gestürzt und Bo Xilais Karriere jäh beendet.
Es wird erwartet, dass der Prozess gegen Bo Xilai nach dem Parteitag stattfinden wird. Doch das Kadertreffen wird nun vom neuen Skandal um Wen Jiabao überschattet werden, der die Kommunistische Partei schlecht aussehen lässt.
  • dpa, 26.10.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland
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