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Merken   Drucken   20.11.2012, 15:23 Schriftgröße: AAA

Urteil des BAG: Lügen bei der Bewerbung - dann darf man

Wurde gegen Sie ermittelt? Auf diese Frage log der Bewerber auf eine Lehrerstelle. Als sein Arbeitgeber das später bemerkte, wollte er ihn entlassen. Zu unrecht, urteilt das Bundesarbeitsgericht. Der Datenschutz geht vor.
© Bild: 2012 Getty Images/Siri Stafford
Wurde gegen Sie ermittelt? Auf diese Frage log der Bewerber auf eine Lehrerstelle. Als sein Arbeitgeber das später bemerkte, wollte er ihn entlassen. Zu unrecht, urteilt das Bundesarbeitsgericht. Der Datenschutz geht vor.
von Dietmar Heise
Dietmar Heise ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft in Stuttgart.
BAG vom 15. November 2012
AZ.: 6 AZR 339/11

Der Fall

Eine Hauptschule in Nordrhein-Westfalen suchte einen neuen Lehrer. Die Bewerber wurden schriftlich gefragt, ob sie vorbestraft seien. Außerdem wurde gefragt, ob die Staatsanwaltschaft aktuell gegen sie ermittelt oder innerhalb der letzten drei Jahre gegen sie ermittelt hatte.

Die Schule stellte schließlich einen Bewerber ein, der keine Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren gemacht hatte. Dabei hatte es aber in der Vergangenheit mehrere Verfahren gegen ihn gegeben. Diese wurden augenscheinlich immer nur eingestellt, weil die möglicherweise begangenen Straftaten zu geringfügig waren. Der Bewerber hatte diese früheren Ermittlungen auf die Frage der Hauptschule verschwiegen. Als schließlich das Vorleben des Lehrers bekannt wurde, kündigte ihm die Schule. Er habe vor seiner Einstellung die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet, so die Begründung. Gegen diese Kündigung klagte der Lehrer bis zum Bundesarbeitsgericht.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass die Kündigung unwirksam ist. Der Arbeitgeber hätte nach Ansicht des Gerichtes nicht nach abgeschlossenen Ermittlungsverfahren fragen dürfen, die nicht zu einer Verurteilung geführt haben. Diese Frage verstoße gegen das Datenschutzrecht. Denn nach dem einschlägigen Paragrafen 29 des nordrhein-westfälischen Datenschutzgesetzes müssen Informationen, die der Arbeitgeber bei der Einstellung verlangt, für die Tätigkeit des Bewerbers erforderlich sein. Dies sei bei abgeschlossenen Ermittlungsverfahren aber nicht der Fall. Der Arbeitgeber hätte diese Frage also gar nicht stellen dürfen. Unzulässige Fragen muss aber ein Bewerber nicht wahrheitsgemäß beantworten. Daher hätte der Arbeitgeber seine Kündigung nicht auf die falsche Antwort auf die unzulässige Frage stützen dürfen, argumentierten die BAG-Richter.

Die Folgen

Der Datenschutz genießt als Grundrecht den verfassungsrechtlichen Schutz des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht nennt ihn Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Bundesregierung diskutiert derzeit sogar den Entwurf eines eigenen Gesetzes für den Arbeitnehmerdatenschutz.

Wegen des Datenschutzes darf ein Arbeitgeber bei der Einstellung von Mitarbeitern nicht beliebig fragen, was ihn interessiert. Er darf sich nur nach Dingen erkundigen, die für den zu besetzenden Arbeitsplatz relevant sind. Die Rechtsprechung erlaubt es dem Arbeitgeber nicht einmal, sich generell nach Straftaten zu erkundigen. Diese dürfen den Arbeitgeber nur interessieren, wenn sie sich auf den Job auswirken. Grundsätzlich geht die Rechtsprechung in diesem Punkt mit privaten Arbeitgebern sogar noch strenger um als mit Hoheitsträgern. Denn Hoheitsträgern wird zugebilligt, dass sie, die Recht und Gesetz repräsentieren, von ihren Mitarbeitern besonders untadeliges Verhalten verlangen können.

In diesem Lichte schränkt das aktuelle Urteil die Fragemöglichkeiten der Arbeitgeber weiter ein. Sie dürfen nach kleinen Straftaten in der Vergangenheit nicht mehr fragen. Denn wenn die Staatsanwaltschaft seinerzeit meinte, das Strafverfahren könne wegen geringer Schuld eingestellt werden, dann hat sich letztlich auch der Arbeitgeber dafür nicht mehr zu interessieren.

Stellt ein Arbeitgeber dennoch solche unzulässigen Fragen, dann muss der Bewerber sie nicht beantworten. Die Rechtsprechung gibt ihm sogar die Freiheit, zu lügen, statt zu schweigen. Konsequenzen darf der Arbeitgeber daraus nicht ziehen - auch wenn die Wahrheit später ans Licht kommt. Insbesondere kann er dem Arbeitnehmer nicht kündigen. Macht er es doch, so ist die Kündigung unwirksam.

Ein Arbeitgeber kann folglich nicht auf die Wahrheit der Antworten bauen. Hat er bereits kleinste Zweifel an der persönlichen Integrität des Bewerbers, sollte er lieber von der Einstellung absehen - wenn er damit nicht riskiert, gegen das allgemeine Gleichberechtigungsgesetz zu verstoßen.

 

  • Aus der FTD vom 21.11.2012
    © 2012 Financial Times Deutschland
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