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Residenz Würzburg

Die Residenz Würzburg zählt zu den bedeutendsten architektonischen Schöpfungen des Barock. Sie darf im gleichen Atemzug mit Versailles bei Paris und Schönbrunn bei Wien genannt werden.

Residenz Würzburg

1720 wurde das Werk im Auftrage des Fürstbischofs von Würzburg, Johann Philipp von Schönborn (R 1719 – 24) begonnen. Die Bauleitung lag in den Händen des Architekten Balthasar Neumann (1687 – 1753). Der Familie derer von Schönborn blieb das Bauvorhaben auch nach 1724 eng verbunden, besonders in Gestalt Friedrich Carls von Schönborn (R 1729 – 46), der bis 1732 das Amt eines Reichsvizekanzler in Wien bekleidete. Neben Paris und Wien, vermittelt durch die Baumeister Robert de Cotte, Germain Boffrand bzw. Lucas von Hildebrandt, war Maximilian von Welsch, der Hofbaumeister des Mainzer Kurfürsten Franz Lothar von Schönborn, ein Onkel Friedrich Carls, für die Gestaltung des Baukomplexes bedeutend. Neumanns behutsamer und technisch versierter Bauleitung ist es zu verdanken, dass der bis 1744 erstellte Rohbau dennoch homogen wirkt.

Der erste Bauabschnitt umfasste den zur Stadt und orientierten und dem älteren Rosenbachpalais benachbarten Nordwestblock. Nach dem Tode Johann Philipps kamen die Arbeiten weitgehend zum Erliegen, da das Domkapitel in Christoph Franz von Hutten (R 1724 – 29) eine dem Residenzneubau distanziert gegenüberstehende Persönlichkeit wählte. Erst nachdem wiederum ein Schönborn, Friedrich Carl, das Amt des Würzburger Bischofs bekleidete, schritt der Bau weiter voran. 1732/33 arbeitete man bereits an den Ehrenhoffronten. Nach einer kurzen, durch den Polnischen Thronfolgekrieg verursachten, Unterbrechung forcierte Neumann ab 1735 die Arbeiten am Corps de Logis. 1737 wurde die Konstruktion der Haupttreppe erstellt. 1738/39 wurden Weißer Saal, Kaisersaal und Treppenhaus unter Dach gebracht. 1742 schritt Neumann an die Wölbung des Weißen Saales und des Kaisersaales; 1743 entstand das Gewölbe über dem Treppenhaus.

In eine neuerliche Krise geriet der Residenzbau, als 1745 erst von Welsch und von Hildebrandt, 1746 auch Friedrich Carl verstarben. Unter dem folgenden Fürstbischof Anselm Franz Graf von Ingelheim (R 1746 – 49) ruhte der Baubetrieb; Neumann fiel überdies in Ungnade. Es war der (wie diese) aus dem rheingauischen Adel stammende Carl Philipp von Greiffenclau-Vollraths (R 1749 – 54), der das Mäzenatentum der Schönborn wieder aufgriff und die Gestaltung der Prunkräume mit finanziell großzügigen Mitteln fortführte. Unter seine Ägide fiel der Aufenthalt Tiepolos am Würzburger Hof.

Die Gestaltung der Fassaden im Ehrenhof und an der Gartenfront ist Präludium für eine der außergewöhnlichsten Innenraumgestaltungen ihrer Zeit. Die durch das Zeremoniell bestimmte Folge von Vestibül, Gartensaal, Treppenhaus, Weißer Saal und Kaisersaal nimmt den gesamten Mittelbau ein. Sie ist weitgehend original erhalten, während die meisten anderen Prunkräume einem Luftangriff am 16. März 1945 zum Opfer fielen. Die mächtigen steinernen und statisch raffinierten Gewölbe Neumanns bewahrten damals den Mitteltrakt vor der Zerstörung.

Die Räume wurden von spezialisierten und erfahrenen Kunsthandwerken gestaltet, die zunächst unter Leitung des Hofmalers und Dessinateurs Johann Rudolf Byss (1660 – 1738) arbeiteten. Der aus der Schweiz stammende Byss hatte zunächst im Dienste des Mainzer Kurfürsten Franz Lothar von Schönborn gestanden; als Betreuer von dessen umfangreicher Gemäldesammlung publizierte er 1719 den ersten Galeriekatalog Deutschlands und führte ferner Deckenmalereien in Schloss Weißenstein ob Pommersfelden aus. 1719 trat er in den Dienst Johann Philipps. In Würzburg sind die Ausmalung der Schönbornkapelle am Dom und der Gewölbe der Hofkirche die wichtigsten Werke Byss'.

Nach 1738 übernahm der Würzburger Bildhauer Johann Wolfgang von der Auwera (1708 – 1756) die künstlerische Leitung der Innendekoration. Auwera hatte sich nach der Ausbildung in der väterlichen Werkstatt in Wien aufgehalten (1730 – 36) und reiste 1740 gemeinsam mit Neumann in die Rheinlande und die Generalstaaten. Gemeinsam mit dem Hofstukkateur Antonio Bossi – der wohl stärksten ornamentalen Begabung in dieser Künstlergruppe – schuf Auwera einen charakteristischen Dekorationsstil, das Würzburger Rokoko.

Benutzt wurden die Prunkräume nur dann, wenn der Fürstbischof in seiner Residenz Besuch empfing, für den ein Zeremoniell vorgeschrieben war. Als reichsfreier Territorialherr war der Würzburger Fürstbischof dem Kaiser direkt unterstellt; hinzu kam, dass die wichtigsten Bauherren der Residenz, die Schönborn, dem Kaiserhaus in Wien eng verbunden waren; darüber hinaus lag Würzburg auf der Route Wien – Frankfurt, dem traditionellen Wahl- und Krönungsort der Kaiser. Nach dem Willen der Bauherren sollte die offizielle Raumfolge deshalb die Voraussetzung erfüllen, kaiserlichen Besuch zu empfangen. Dies erklärt die außerordentliche reiche Gestaltung der Räume.

Das Vestibül und der Gartensaal öffneten sich ursprünglich frei nach außen, ohne eingesetzte Türen und Fenster; das Treppenhaus kommuniziert mit dem Vestibül ebenfalls über weite, offene Bogenstellungen. Damit bilden diese Räume eine Einheit und heben eine starre Trennung zwischen außen und innen auf.

Der Gartensaal, eine "Sala Terrena", ist durch einen Säulenumgang zweischalig gestaltet und öffnet sich direkt zum Hofgarten. Darauf nimmt das von Johann Zick geschaffene Deckenfresko Bezug. Von reicher Vegetation umgeben, ist die Rast der Jagdgöttin Diana und das Göttermahl dargestellt. Den Stuck schuf der Hofstukkateur Antonio Bossi 1749.

Geschützt vor der Witterung, konnte offizieller Besuch mit der Kutsche von der Stadt her in das weite Vestibül einfahren. Der stützenlose Saal zeigt ein extrem flaches Gewölbe. Er wurde, wie die Treppe und die Wände des Treppenhauses, 1765/66 durch Lodovico Bossi im frühklassizistischen Geschmack, "à la grecque", ausgeschmückt. Die bewegte Rocaille ist hier durch lineares Ornament verdrängt. Das Gewölbe zeigt eine illusionistisch gemalte Kuppel von Franz Anton Ermeltraut.

Von dort gelangt man direkt in das Treppenhaus. Dort führt eine dreiläufige Treppe mit Ruhe- und Wendepodesten in das Hauptgeschoss. Das Treppenhaus ist mit korinthischen Kolossalpilastern und einem mächtigen Gesims gegliedert, über dem das 19 x 32 m weite Muldengewölbe ruht – eine technische Meisterleistung, die dem Besucher, nach dem niedrigen Vestibül und dem Treppenschacht, ein atemberaubendes Raumerlebnis beschert. Das Gewölbe wurde 1752-53 kongenial von Giovanni Battista Tiepolo mit dem größten zusammenhängenden Deckenfresko überhaupt geschmückt.

Dabei rechnete Tiepolo offenbar mit einer anderen als der heutigen Belichtung. Denn die Oberlichter, die noch heute am Außenbau im Ehrenhof sichtbar sind, wurden bei der Gestaltung der Wände des Treppenhaus 1765/66 innen geschlossen.

Die heutige Belichtung ist ferner beeinträchtigt durch das Fehlen des großen Kronleuchters, der bis 1945 – abgesehen von den mit je einer Kerze bestückten Laternen auf dem Treppengeländer – die einzige künstliche Lichtquelle darstellte. Erst nach dem 2. Weltkrieg entschied man sich, die Pilaster des Treppenhauses mit Wandleuchtern auszustatten, die denjenigen des Weißen Saales nachempfunden sind. Der zerstörte Kronleuchter wurde nicht rekonstruiert.

Das Fresko stellt die – damals bekannten – vier Erdteile dar: Europa, Asien, Afrika und Amerika. Vom Himmel steigt der Sonnengott Apoll, der Beschützer der Künste, in einer Strahlenglorie herab. Eilfertige Putten und Horen schirren seinen Sonnenwagen für den Tageslauf. Über der Europa, die der Besucher erst erblickt, nachdem er sich auf dem Wendepodest gedreht hat, präsentiert Fama, die Verkörperung des Ruhmes, ein Medaillon mit dem Porträt des Auftraggebers. Zwischen dem Bildnis des Fürstbischofen und Apoll schwebt Merkur, der himmlische Bote.

In die Darstellung der Europa hat Tiepolo ein Selbstporträt eingeflochten; ferner sind sein Sohn Domenico, Balthasar Neumann, und Antonio Bossi, vermutlich auch Franz Ignaz, der Sohn Neumanns, dargestellt.

Die intensive Farbigkeit des Deckenfreskos kontrastiert wirkungsvoll mit der monochromen Fassung des folgenden "Weißen Saals". Dieser lebt von der bewegungsreichen, virtuosen Stuckierung, die A. Bossi dort 1744/45 schuf.

Nach diesem Intermezzo bietet der Kaisersaal erneut ein farbenprächtiges Bild und den Höhepunkt der offiziellen Raumfolge. An den Wänden von kolossalen Dreiviertelsäulen mit Rocaillekapitellen gegliedert, bietet das durch tiefe Stichkappen rhythmisierte Gewölbe weitere Werke Tiepolos. Diese entstanden kurz vor dem Treppenhausfresko und nehmen Bezug auf die Geschichte des Fürstbistums; sie demonstrieren dessen Verbindung zum Kaiser.

An der Nordwand ist die Belehnung des Würzburger Bischofs Herold mit dem Herzogtum Franken dargestellt; gegenüber, an der Südwand, erblickt man die Vermählung Kaiser Friedrich Barbarossas mit Beatrix von Burgund, die 1156 in Würzburg stattfand; dem Bischof, der das Paar segnet, verlieh Tiepolo die Gesichtszüge seines Auftraggebers Carl Philipp von Greiffenclau.Das Deckengemälde stellt Apoll dar, der die jugendliche Braut Beatrix dem Genius Imperii zuführt.

Die Fresken sind zusammen mit der Stuckdekoration als ornamentale Einheit zu sehen: So werden die Darstellungen im Norden und Süden von Draperien gerahmt, die gleich einem Vorhang von Putten zurückgezogen werden – der Betrachter blickt auf die Bühne der Geschichte des Fürstbistums. Die Wolken des mittleren Freskos greifen über die Rahmung hinaus, das Bein eines Flussgottes ist plastisch stuckiert, während die übrige Figur gemalt ist. Gemalter und realer Raum verschmelzen.

Vom Kaisersaal aus erschließen sich die Prunkappartments für den Kaiser (im Süden) und die Kaiserin (im Norden).

Neben Treppenhaus und Kaisersaal erstreckte der Wirkungsbereich Tiepolos sich auch auf die Hofkirche, die – nach längerer Planungsgeschichte – 1730 von Neumann an der Südwestecke des Residenzbaues projektiert wurde. In die einfach rechteckige Raumschale setzte er eine komplexe Struktur, deren Grundriss und Wölbung von sich durchdringenden Ovalformen dominiert ist. Im Gewölbe werden die Schnittkanten der Ovale durch kräftige Gurtbögen akzentuiert. Neumann entwickelte damit Wölbungskonzepte von Johann Dienzenhofer in Kloster Banz und Kilian Ignaz Dientzenhofer in Prag weiter. Die Dekoration entstand 1735 – 43 unter der Leitung von Hildebrandts; die qualitätvollen Altarfiguren schuf A. Bossi 1742. Dagegen sind die beiden Seitenaltäre mit Altarblättern ausgestattet. Diese malte Tiepolo 1752, im gleichen Jahr, in dem auch die Arbeit am Treppenhausfresko begann. Links, über dem Michaelsaltar, ist der Engelsturz dargestellt. Das gegenüberliegende Gemälde über dem Marienaltar zeigt die Aufnahme Mariens in den Himmel.

Bernhard Rösch


   

             
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