Zwischenwahlen USA: Wird der Klimaschutz auf die lange Bank geschoben?

Zwischenwahlen USA: Wird der Klimaschutz auf die lange Bank geschoben?

3. November 2010
Arne Jungjohann
Trotz eines progressiven Präsidenten, komfortablen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses und der dramatischen Katastrophe am Golf von Mexiko haben es die Demokraten in den letzten zwei Jahren nicht geschafft, ein nationales Klimagesetz durchzusetzen. Die öffentliche Debatte bestimmen andere Themen. Seit Monaten rangiert die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit ganz oben in den Umfragen der drängendsten Probleme des Landes. In Zeiten der Wirtschaftskrise ist der Klimaschutz für weite Teile der amerikanischen Bevölkerung aus dem Blickfeld verschwunden. In den Vorwahlen der letzten Wochen haben sich auf republikanischer Seite etliche klimaskeptische Kandidaten durchgesetzt, die einen neuen Anlauf für ein Gesetz in 2011 deutlich erschweren dürften. In Kalifornien, dem traditionell fortschrittlichen Bundesstaat an der Westküste, zielt ein Volksbegehren auf die Aussetzung des regionalen Klimagesetzes. Was heißt das für die Zwischenwahlen am 2. November?

Noch ist das Abgeordnetenhaus, neben dem Senat die zweite Kammer des Kongresses, in Hand der Demokraten. Dass die Republikaner eine Mehrheit gewinnen, dürfte kaum mehr zu verhindern sein. Für den Klimaschutz heißt das nichts Gutes. Republikanische Abgeordnete und Senatoren werden ihr Mandat auch deshalb gewinnen, weil sie gegen höhere Energiesteuern und Obamas Klimaschutzpläne wettern. Mit ihrer neuen Macht werden sie versuchen, der Regierung Sand ins Getriebe zu streuen. Da ein Klimagesetz auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, hat Obama CO2-Grenzwerte für Kraftwerke und Industrieanlagen angekündigt. Die Umweltagentur EPA, die diese Grenzwerte einführen soll, rückt deshalb ins Visier der Konservativen. Um die Behörde an ihrer Arbeit zu hindern, werden die Republikaner im Kongress alles daran setzen, das Budget der Agentur zu sperren, mindestens aber drastisch zu kürzen. Parallel dazu schiebt die fossile Lobby eine Klagewelle vor den Gerichten an, um der Umweltagentur trotz geltenden Rechts die Regulierungsbefugnis zum Klimaschutz abzustreiten.

Neben Abgeordneten und Senatoren im Kongress werden auch etliche Gouverneure in den Bundesstaaten neu gewählt. Nach dem Ausbleiben eines nationalen Klimagesetzes kommt ihnen in der Energie- und Klimapolitik eine tragende Rolle zu. Schon heute wird mit mehreren regionalen Klimaschutzinitiativen experimentiert. An der US-Ostküste haben sich zehn Bundesstaaten zum Verbund für ein eigenes Emissionshandelssystem zusammengeschlossen, in dem die Unternehmen fast 100% ihrer Verschmutzungsrechte ersteigern müssen. An der Westküste wird unter Beteiligung kanadischer und mexikanischer Provinzen ein ähnliches System in Kürze starten. Gesetze zum Ausbau erneuerbarer Energien nach deutschem Vorbild werden in einzelnen Landesparlamenten diskutiert. In diesen Bundesstaaten wird viel von den neu gewählten Gouverneuren abhängen, ob sie entweder eigene Klima- und Energieprogramme vorantreiben oder aber gute Vorschläge der Landesparlamente ausbremsen.

Die klimapolitisch wichtigste Wahl findet aber in Kalifornien statt. In bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA wird am 2. November über ein Volksbegehren abgestimmt, dass das geltende regionale Klimagesetz – immerhin vom wirtschaftsfreundlichen republikanischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger aufgelegt - eindampfen will. Formal argumentieren seine Befürworter, dass es nur darum ginge, das Gesetz in Zeiten der Wirtschaftskrise vorübergehend auszusetzen. Doch die aus versteckten Kanälen der Oellobby finanzierte Initiative würde faktisch zur Abschaffung des Gesetzes führen. Das wäre nicht nur ein Rückschlag für die vielen clean tech Unternehmen im Silicon Valley, deren Investitionen in erneuerbare Energien, Elektromobilität und Effizienztechnologien gefährdet wären. Kann die fossile Energielobby die Abstimmung für sich entscheiden, hätte dies Symbolkraft weit über die Grenzen des Bundesstaates hinaus. So setzt Kalifornien immer wieder neue Umweltstandards, die andere Bundesstaaten früher oder später übernehmen. Doch ein Sieg der fossilen Lobby gerade in Kalifornien wäre auch eine krachende Niederlage des grünen, progressiven Amerika gegen die rückwärtsgewandten und klimaignoranten Beharrungskräfte.

Die progressiven Kräfte in den USA können den derzeitigen Stillstand in Sachen Klimaschutz nur dann überwinden, wenn die Bundesstaaten und insbesondere Kalifornien das föderale klimapolitische Vakuum überbrücken, bis auf auf der Bundesebene ein neuer Anlauf unternommen wird. Andernfalls droht, dass der Klimaschutz auf die lange Bank geschoben wird.


Arne Jungjohann ist Politikwissenschaftler und leitet das Umweltprogramm der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington DC.

Erstveröffentlichung am 02.November 2010 in der Fuldaer Zeitung.

Arne Jungjohann, Heinrich-Böll-Stiftung in Washington DC

Kurzbiografie

Arne Jungjohann

ist Politikwissenschaftler und leitet das Umweltprogramm der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington DC. Der Fokus seiner Arbeit liegt auf Identifizieren und Bewerben von energie- und umweltpolitischen Lösungen auf dem Weg zu einer CO2-niedrigen Wirtschaft. Im Globalen Dialogprogramm nimmt er an internationalen Verhandlungen mit dem Ziel eines gerechten globalen Klimavertrags teil. Transatlantische Kooperation im Bereich Energie- und Klimapolitik wie beispielsweise „cap and trade“ und „feed-in tariffs“ für erneuerbare Energien sind ein Kernpunkt dieser Arbeit.

Vor seiner Zeit in der Heinrich-Böll-Stiftung arbeitete Arne Jungjohann als Senior Advisor für Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag. Er hat weitreichende Erfahrung im Bereich der Umwelt-, Klima- und Energiegesetzgebung. Unter anderem hat er an der Implementierung des EU-Handelssystems für CO2-Emissionen und Deutschlands Erneuerbare-Energien-Gesetz mitgewirkt. Er ist Magister der Politikwissenschaft und hat eine Leidenschaft für Fußball.

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