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Tilman Mayer/ Karl-Heinz Paqué/ Andreas H. Apelt (Hrsg.): Modell Deutschland Dies Bildnis ist bezaubernd schön

 ·  Als das sozialökonomische „Modell Deutschland“ auf die ehemalige DDR übertragen wurde, da wurde es überschätzt und zugleich überlastet.

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Ein Sammelband mit plakativem Titel als Gemeinschaftswerk zweier Deutschland-Vereine und einer privaten Stiftung präsentiert die zwölf Vorträge, die 2012 auf der 34. Jahrestagung der Gesellschaft für Deutschlandforschung gehalten wurden. Ja, diese Gesellschaft, die 1978 gegründet wurde, um „das Bewusstsein der Offenheit der deutschen Frage“ wissenschaftlich zu fördern, ist 1990 nicht etwa „abgewickelt“ worden, sondern hat die Überwindung der deutschen Teilung überlebt - mit staatlichen Subventionen. Und sie hat schöne neue Aufgaben gesucht und gefunden, unter anderem die „Bekräftigung des Bildes eines friedlichen Deutschlands in einem vereinten Europa“. Dies ist auch die Zielsetzung der Deutschen Gesellschaft e. V. - 1990 zur „Realisierung einer deutschen Freundschaftsgesellschaft“ ins Leben gerufen.

Aus dem offiziellen Tagungsthema „Die deutsche Wiedervereinigung - eine gesamtdeutsche Erfolgsgeschichte?“ ist in der Publikation „Modell Deutschland“ geworden. Das erklärt wohl, dass manche Beiträge (wie der lange Artikel von Karl-Heinz Paqué über „Integration, Divergenz und Krisen in der Europäischen Union“) keinen Bezug zum Thema „Modell Deutschland“ haben und man bei anderen den Eindruck hat, dass ein Hinweis darauf dem Manuskript nachträglich aufgepfropft wurde. Die Modellparole wurde erstmals von der SPD im Bundestagswahlkampf 1976 benutzt, als die Bundesrepublik oftmals mit Deutschland gleichgesetzt wurde. Schon damals gab Bundeskanzler Helmut Schmidt selbstkritisch zu bedenken, diese Parole berge „die Gefahr des Vorwurfs der Überheblichkeit“ in sich; und sie solle nur auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik bezogen werden. Heute könnte diese Parole als Begleitmusik zur Hegemoniedebatte verstanden werden. Die Herausgeber leisten dem Vorschub, indem sie im Vorwort ihr als „Check-up“ bezeichnetes Unterfangen wie folgt beschreiben: „Die Konferenz widmet sich der Frage, ob Deutschland nicht als Modell im europäischen und sogar globalen Kontext wirkt.“ Sie versichern, dass die Präsentation der Tagungsbeiträge „spannend“ verlaufen sei.

Nur einige Darlegungen können an dieser Stelle erwähnt werden. Einen guten Überblick über die Problematik gibt Andreas Rödder, der sich schon in mehreren Publikationen dazu geäußert hat. Er beschreibt, wie die „Politik des mittleren Weges“ durch die Politik Thatchers und Reagans herausgefordert wurde, als der westliche Wohlfahrtsstaat an seine Grenzen stieß. „Ordnung durch die Kräfte des Marktes“ trat in Gegensatz zum ordoliberalen Postulat des „Ordnung für die Kräfte eines imperfekten Marktes“. Als das sozialökonomische „Modell Deutschland“ auf die ehemalige DDR übertragen wurde, da wurde es überschätzt und zugleich überlastet. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erschien infolgedessen und aufgrund struktureller globaler Veränderungen das einstige Vorzeigemodell als Auslaufmodell - bis es schließlich nach den erfolgreichen deutschen Anpassungsleistungen wie ein „Phönix aus der Asche“ auferstand. Rödder zieht aus seiner Analyse die mahnende Lehre, dass „angesichts der gegenwärtigen Hochkonjunktur in der Rede vom ,Modell Deutschland‘ besondere Vorsicht in der Sache geboten“ sei.

Was das Modell Deutschland (verstanden als ein Modell des westdeutschen Staates) für die DDR bedeutete, hat Otto Dann präzise herausgearbeitet. Vermittelt über die allabendlichen Fernsehbilder, wurde die Bundesrepublik „gleichsam zu einem ,Modell Deutschland‘, einem entfernten Vaterland von Idealen und Hoffnungen“. Und so konnte es zum Leitbegriff der deutschen Vereinigung werden. Evidentermaßen ist für das Verhältnis zwischen Deutschland und ausländischen Gesellschaften und Staaten die Übertragungsproblematik völlig anderer Art. Das gilt insbesondere für die politische Kultur. Die banale Einsicht, dass die politische Kultur Deutschlands nicht ein Modell oder Vorbild für andere Länder sein kann, ist das Ergebnis des Beitrags von Eckhard Jesse und Tom Mannewitz. Auch der deutschen auswärtigen Kulturpolitik, der ein instruktiver Beitrag von Werner Wnendt gewidmet ist, geht es ja nicht um Modellübertragung, sondern um „soft diplomacy“ zur Unterstützung der Kernziele der deutschen Außenpolitik.

In einer Schlussbemerkung des Aufsatzes von Annette Julius und Roman Luckscheiter über den DAAD wird der „kooperative Ansatz“ als Teil des „Modells Deutschland“ in der auswärtigen Kulturpolitik gewertet. Ob das wohl die ausländischen Partner auch so sehen? Nicht verwunderlich ist, dass im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik, der von Carlo Masala behandelt wird, die Modellthese keine Rolle spielt. Masala beschreibt überzeugend den Sachverhalt, dass das wiedervereinigte Deutschland im neuen internationalen System flexibel und von Fall zu Fall in informellen Gremien („Direktoraten“) operiert - wie die anderen Allianzstaaten, freilich ohne eine Grand Strategy.

Abschließend sei vermerkt: Seltsamerweise vermeiden es die Herausgeber, die oben zitierte erkenntnisleitende Frage nach der Modellwirkung Deutschlands im Lichte der vorliegenden Referate zu beantworten. Nach Meinung des Rezensenten ist sie zu verneinen. Ob gleichwohl der Sammelband eine „spannende“ Diskussion zu einer fragwürdigen Parole bietet, möge der geneigte Leser entscheiden.

Tilman Mayer/Karl-Heinz Paqué/Andreas H. Apelt (Herausgeber): Modell Deutschland. Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung, Bd.103. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2013. 209 S., 88,90 €.

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23.02.2014, 15:41 Uhr

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