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Rüstungsindustrie Deutschland braucht die Drohne

 ·  Das deutsche Rüstungsgeschäft geht ein. Berlin hat jenseits von Kürzungsplänen, die Kampfflieger, Hubschrauber und Militärtransporter betreffen, kein Konzept, auf das sich die Industrie einstellen könnte.

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© dpa Vergrößern Euro Hawk

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen durchforstet gerade die wichtigsten Rüstungsverträge der Bundeswehr auf Fallstricke und Sparmöglichkeiten für die Steuerzahler. Das ist gut so, denn bislang herrscht offensichtlich viel Wildwuchs, der zu Kostensteigerungen, Verspätungen und Stornierungen führt. Die Industrie trägt dafür einen Teil der Verantwortung, häufig macht sie erst großspurige Versprechungen und schlampt danach.

Mit dieser Sachlage waren schon verschiedene Verteidigungsminister konfrontiert, und oft gelobten sie bei Amtsantritt Besserung. Doch eines ist heute neu: Der Hauptlieferant der Bundeswehr, der Luft-, Raumfahrt- und Verteidigungskonzern Airbus Group (früher EADS), ist nicht mehr auf das Rüstungsgeschäft angewiesen. Unter dem Vorstandsvorsitzenden Tom Enders konzentriert sich das multinationale Unternehmen konsequenter denn je auf die boomende zivile Luftfahrt.

Die Königswaffe jeder Streitmacht

Das kommt nicht nur im Namenswechsel zum Ausdruck. Der Berg der Aufträge durch den anscheinend unersättlichen Bedarf an neuen Passagiermaschinen lastet Airbus acht Jahre lang voll aus, selbst wenn von nun an keine einzige Bestellung mehr hereinkäme. Dagegen schrumpft das Rüstungsgeschäft seit der gescheiterten Fusion mit dem britischen Rüstungskonzern BAE. Für den Kampfflieger Eurofighter erwartet Enders weder heimische Folgeaufträge noch großartige Bestellungen im Export. Am Eurofighter-Standort Manching bei Ingolstadt wird daher einer von vier Arbeitsplätzen wegfallen.

Für Deutschland hat das tiefgreifende Konsequenzen. Eine Hochtechnologiebranche droht zu einem welkenden Pflänzchen zu werden. Damit gehen Deutschland unwiederbringlich Kompetenzen für einen Schlüsselbereich der Verteidigungsindustrie verloren. Kampfflieger sind weiterhin die Königswaffe jeder Streitmacht. Kein Land mit Anspruch auf Einfluss und sichere Grenzen will auf sie verzichten. Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich zwar die Bedrohungslage geändert, doch allein auf Terroristenbekämpfung und Cyberwar umzustellen, ist keine Option.

Die Lage in der Ukraine ruft das in Erinnerung. Sicherlich: Wenn die Bundesregierung wie geplant die letzte Tranche von 180 geplanten Eurofightern storniert, immerhin 37 Maschinen, dann ist die äußere Sicherheit Deutschlands dadurch noch nicht gefährdet.

Was soll nach dem Eurofighter kommen?

Doch Berlin hat jenseits von Kürzungsplänen, die zudem Hubschrauber und Militärtransporter betreffen, kein Konzept, auf das sich die Industrie einstellen könnte. Gut möglich, dass die Airbus Group daher der Bundesregierung die kalte Schulter zeigt, wenn das Verteidigungsministerium künftig in der Heimat neue Aufträge vergeben will. Denn die Kapazitäten wären dann weg – einschließlich der Zulieferindustrie, die sich auch schon zunehmend der Zivilluftfahrt zuwendet.

Die Bundesregierung muss bald entscheiden, was sie will. Was soll nach dem Eurofighter kommen? Wahrscheinlich werden es Drohnen sein. Doch welche, wo und mit welchen Partnern gebaut? Antworten auf diese Fragen haben große industriepolitische Folgen – auch wenn umstritten ist, welche Wohlfahrtseffekte eine Rüstungsindustrie jenseits ihres Sicherheitsnutzens hat. Militärische Hochleistungstechnik hat der zivilen Luftfahrt in der Werkstoffkunde, im Triebwerksbau, in der Elektronik, der Flugsteuerung und der Strömungslehre viel gebracht.

So fand sich Mitte der sechziger Jahre in den Vereinigten Staaten eine neue Generation militärischer Düsenantriebe in den Zivilmaschinen Boeing 747 und DC-10 wieder. Nach Meinung von Fachleuten sind diese Effekte heute jedoch geringer als früher, vielleicht wurden sie auch immer schon überschätzt. Aber will man zurück zu den Zeiten, da Deutschland ausländische Stangenware kaufen musste?

Auch mal die eigene Industrie pflegen

In unguter Erinnerung bleibt nicht nur der amerikanische Starfighter, den Deutschland und die europäischen Partner in den sechziger Jahren nur in Lizenz fertigen durften und der über hundert tödliche Abstürze brachte. Wer heute bei den Amerikanern einkauft, erhält keinen Zugang zum geheimsten Innern der Technologie, er kann nicht mal Software-Updates selbst machen und muss die Instandhaltung teuer von Fremdlieferanten erledigen lassen.

Daher ist es richtig, wenn europäische Nationen selbst forschen und bauen, allerdings erscheint das nur in gemeinsamen Programmen sinnvoll. Die nationalen Stückzahlen allein reichen jedenfalls nicht für eine Auslastung. Bei den jüngsten Kampffliegern klappte das nur begrenzt; neben dem Vier-Nationen-Flieger Eurofighter schicken die Franzosen ihren Rafale und die Schweden ihren Gripen in jede ausländische Ausschreibung; gleichzeitig arbeiten die heimischen Werke in Zeitlupe, um nicht schon bald zu schließen.

Solche Überkapazitäten müssen bei den Drohnen vermieden werden, deren Entwicklung Europa zunächst verschlafen hat. Jetzt sollte die Bundesregierung mit Frankreich und Großbritannien die Aufholjagd beginnen, anstatt sich aus Schlüsselprogrammen zurückzuziehen. Doch dafür muss man die eigene Industrie auch mal pflegen, statt immer nur auf sie einzuprügeln.

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05.03.2014, 15:09 Uhr

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