Eine Generation trennte John le Carré von dem Agenten John Bingham, der ihn unter seine Fittiche nahm, als er 1958 dem Inlandsgeheimdienst MI5 beitrat. Eine Generation und eine völlige andere Auffassung von der Welt der Spionage. Bingham, der nebenbei Kriminalromane schrieb, förderte le Carrés literarische Ambitionen. Und der aufstrebende jüngere Autor, der seinen Mentor alsbald überflügeln sollte, zollte diesem Tribut, indem er ihn als eines der Vorbilder nahm für die Figur des Spions George Smiley und durch das Pseudonym John le Carré - eine Verschmelzung von Binghams Vornamen mit der französischen Übersetzung des ironisch-anhänglichen Spitznamens „the square“ (der Verstaubte), den der Schützling seinem Vorgesetzten verliehen hatte.
Autorin: Gina Thomas, Jahrgang 1957, Feuilletonkorrespondentin mit Sitz in London.
Doch die Freundschaft zerbrach, als le Carré begann, ein von Zweifeln und moralischen Ambiguitäten gefärbtes Bild des Geheimdienstes zu zeichnen. Bingham habe seinen ehemaligen Schützling als „literarischen Überläufer“ empfunden, „der den guten Namen des Dienstes durch den Dreck“ gezogen habe, schrieb le Carré vor einigen Jahren. Ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod ist Bingham jetzt durch die Öffnung von Geheimdienstakten als heroischer Agent, der britische Sympathisanten der Nazis überlistet hat, in die Schlagzeilen geraten.
Fabrizierte Geheimdienstinformationen
Der offizielle Historiker der Konservativen Partei nahm das zum Anlass, um die Verdienste dieses „bescheidenen Helden“ zu preisen und zu bemängeln, dass le Carré ihm nicht den verdienten Respekt erwiesen habe. Le Carré hat mit einer charakteristisch dornigen Rechtfertigung geantwortet, in er erläutert, wie er im Unterschied zu Bingham, den er als ehrenwerten Patrioten würdigt, zu der Auffassung gelangt sei, dass die Liebe zum Geheimdienst und zum Vaterland untersucht werden müsse.
Bingham möge diese Vorstellung zuwider gewesen sein, schreibt le Carré, doch sei ihm die Vorstellung genauso zuwider, dass „unsere Spione durchgehend makellos, allwissend und jenseits der vulgären Kritik derer sind, die nicht nur ihre Existenz finanzieren, sondern bisweilen auch aufgrund fabrizierter Geheimdienstinformationen in den Krieg geführt werden“.
Damit meint le Carré das umstrittene Irak-Dossier der Regierung Blair. Wir werden wohl die Öffnung der Akten abwarten müssen, um endgültig zu erfahren, ob le Carré recht hat mit seiner Kritik oder ob es nicht eher so ist, dass die Regierung Blair die Informationen manipuliert hat, um den Krieg zu rechtfertigen.
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