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Google Die neue Zentrale des Internets

 ·  Google ist längst mehr als eine Suchmaschine. Das Unternehmen bietet alles an, was der Surfer braucht. Und ist auf dem besten Weg, zur Großmacht des Internets zu werden.

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Wir schreiben das Jahr 2038. Google-Mitgründer Larry Page gibt eines seiner seltenen Interviews. Er geht auf die Pensionsgrenze zu, trägt einen Vollbart und lächelt milde. Google ist weit gekommen mit seinem Ziel, alle Informationen dieser Welt zu sammeln. Das Internet ist abgegrast, sämtliche Bücher sind gescannt. Trotzdem ist der Suchmaschinenbetreiber nicht zufrieden. Deshalb sind jetzt Roboter unterwegs, um auf der Straße und in Büros Infobrocken aufzunehmen, vom persönlichen Gespräch bis zur schnell hingekritzelten Telefonnotiz.

Auch als Unternehmen hat es Google weit gebracht. 2030 wurde Microsoft übernommen. Zu dieser Zeit nur mehr ein „relativ kleiner Mitspieler“, wie Page zufrieden ausführt.

Das Gespräch aus der Zukunft, erdacht vom Google- und Blog-Spezialisten Philipp Lenssen, zeigt: Der heute gerade sieben Jahre alten Firma scheint man alles zuzutrauen - selbst die Übernahme eines Software-Giganten, der mit seinem Umsatz von 40 Milliarden Dollar derzeit noch sechseinhalbmal größer ist als Google (6,2 Milliarden Dollar).

Weit mehr als eine Suchmaschine

Ist ein solches Szenario tatsächlich nur Science-fiction? „Wer hat Angst vor Google?“ fragte vor einiger Zeit das Fachmagazin „Wired“ mit Bezug auf die IT-Branche und lieferte die Antwort gleich mit: „jeder“.

Die Sorgen der Konkurrenz sind berechtigt. Die Wachstumsraten des Unternehmens im Kernbereich Internet-Suche beeindrucken noch immer. In Deutschland verfügt Google nach den neuesten Zahlen vom vergangenen Donnerstag mit einem Marktanteil von 84,7 Prozent praktisch über das Such-Monopol. Und in Amerika klettern die Google-Nutzerquoten ständig (Mai: 44,1 Prozent), während den Konkurrenten Yahoo und MSN/Microsoft mehr und mehr die Arbeit ausgeht.

Dazu kommt, daß Google inzwischen weit mehr ist als bloß eine Suchmaschine. Kaum wahrgenommen von der breiten Öffentlichkeit hat die einstige Garagenfirma aus dem Silicon Valley eine breite Palette an Zusatzdiensten etabliert. Häufig laufen sie in der sogenannten Beta-Phase, sind also noch nicht offiziell freigegeben. Das Unternehmen kann so feststellen, was wie häufig nachgefragt wird. Unattraktive Projekte verschwinden so schnell wieder, wie sie gestartet wurden.

Eigene Office-Angebote

Auf der amerikanischen Google-Seite finden sich zur Zeit neben der eigentlichen Internet-Suche 35 weitere Produkte. Die Palette umfaßt so unterschiedliche Angebote wie die Suche in Büchern, Finanzinfos, Satellitenkarten, Fotobearbeitung, einen SMS-Dienst und ein E-Mail-Programm. Google sei ein großes Medienunternehmen geworden, sagt der Leiter des Suchmaschinenlabors an der Universität Hannover, Wolfgang Sander-Beuermann, und zieht das Resümee: „Google ist dabei, sich zu einem Online-Monopol schlechthin zu entwickeln.“

Von solchen Prognosen will man am Firmensitz, dem sogenannten „Googleplex“ im kalifornischen Mountain View, nichts wissen. Das Unternehmen mit seiner Lieblingsdevise „Don't be evil“ (tue nichts Böses) relativiert gerne die Befürchtungen der Kritiker und wiegelt ab.

Beispiel Office-Anwendungen: Die Programme Word und Excel gehören neben dem Betriebssystem Windows zu den wichtigsten Gewinnbringern des Microsoft-Konzerns. Nun hat Google vor drei Wochen seine Tabellenkalkulation „Google Spreadsheets“ zum halböffentlichen Betatest freigegeben. Schon vor Monaten kaufte die Truppe um die Gründer Larry Page und Sergey Brin die Online-Textverarbeitung „Writely“. „Theoretisch lassen sich die wesentlichen Office-Arbeiten mit kostenlosen Google-Diensten erledigen“, folgerte der IT-Infodienst „Heise online“ messerscharf.

Totalitäre Informationsdiktatur

Was der Rest der Welt als Attacke auf Bill Gates versteht, interpretieren Google-Topmanager so: Mit „Writely“ wolle man keineswegs den Textverarbeitungsmarkt besetzen; und zwischen „Excel“ und „Spreadsheets“ gebe es eine friedliche Koexistenz.

Allen Beschwichtigungen zum Trotz ist die übrige Computerbranche alarmiert - und Experten sehen bereits das „Endspiel ums Internet“ angepfiffen. Jetzt müssen sich die Großen, von Microsoft über Ebay, Amazon und Yahoo bis zu Google, positionieren. Schon seit Monaten brodelt nicht nur an der Wall Street die Gerüchteküche: Wer mit wem? Vor allem dem Online-Auktionshaus Ebay und dem Internet-Portal Yahoo werden Fusionsgelüste nachgesagt. Zumal die beiden Unternehmen im Mai eine strategische Partnerschaft ankündigten. Auch Microsoft ist angeblich an Ebay interessiert, Ebay aber offensichtlich nicht an Microsoft.

Und was macht Google? Die filmische Zukunftsvision „Epic 2015“ sieht die Suchmaschine zusammen mit Amazon als „Googlezon“ - eine Organisation, die eine totalitäre Informationsdiktatur installiert hat. Auch wenn es so schlimm nicht kommen dürfte: Der Weg Googles zur Großmacht im Internet scheint vorgezeichnet - das Unternehmen geht ihn still und leise.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 25.06.2006
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25.06.2006, 17:03 Uhr

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Jahrgang 1966, Redakteur in der Wirtschaft.

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