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Crashtest - die Formel-1-Kolumne Ab nach Russland!

 ·  Keine Motorsportkultur und Sebastian Vettel ist nahezu unbekannt. Egal. Die Formel 1 fährt trotzdem künftig in Russland. Immerhin hat der Parkplatz des Olympic Park in Sotschi damit eine neue Verwendung.

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© REUTERS Vergrößern Mehr Buckelkpiste als Asphalt: Die Haupttribüne der Rennstrecke von Sotschi ist noch im Bau

Nastrovje! Auf Sotschi. Und auf Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Dessen Olympische Spiele sind richtig gut gelaufen. Nun gut, es hätte ein bisschen kälter sein dürfen, vielleicht hätte auch ein bisschen mehr Schnee fallen können. Ja, und auch die Proteste von Pussy Riot waren nicht so toll. Auch diese ganzen Diskussionen um die Menschenrechte und Umweltzerstörungen haben nicht allen gefallen.

Aber sonst?  Wir wollen uns da an die Worte des IOC-Präsidenten Thomas Bach halten, der während der Abschlussfeier sagte: „Russland hat all seine Versprechen eingelöst.“ Und die Russen sind noch längst nicht fertig. 2018 soll die Fußball-Weltmeisterschaft kommen, schon in diesem Oktober die Formel 1. „Nachhaltigkeit“, nennt das der IOC-Präsident. Wir haben da unsere Zweifel.

Der Parkplatz ist schon da

Denn Nachhaltigkeit und Formel 1 haben bisher nicht so gut miteinander harmoniert. Der schnellste Zirkus der Welt zieht immer weiter, er schlägt dort seine Zelte auf, wo das meiste Geld geboten wird, und Putin hat sehr viel Geld geboten. Die Rede ist von 40 Millionen Dollar pro Rennen, der Vertrag gilt bis 2020. Weitere 250 Millionen Dollar soll die Rennstrecke in Sotschi kosten. Kalkuliert worden war einmal mit der Hälfte, aber das kann doch jedem mal passieren, dass die Dinge teurer werden als gedacht.

Und sehen wir es doch positiv: Ein Teil des Kurses führt direkt über den Parkplatz des Olympic Park, und der ist ja immerhin schon da. Weltmeister Sebastian Vettel war auch schon da. Sein Urteil: „Das sieht richtig spektakulär aus.“ Und wie sieht es erst aus, wenn alles fertig ist, wenn der Asphalt trocken ist und die Passagen verschwunden sind, die derzeit noch aussehen wie eine Buckelpiste?

Wächst auch in Sotschi Gras drüber?

Ab nach Russland also! Beinahe drei Jahrzehnte hat Chefvermarkter Bernie Ecclestone gebraucht, um die Königsklasse des Motorsports dorthin zu verpflanzen. Dass es dort abseits der öffentlichen Straßen so gut wie keine Motorsportkultur gibt? Ganz egal. Dass die meisten Russen weder Weltmeister Vettel noch die Regeln dieser Veranstaltung kennen? Geschenkt.

Aber Moment einmal: So war das alles doch auch schon in Südkorea, Indien und der Türkei. Und nach wenigen Jahren ist jedes dieser Länder schon wieder verschwunden aus dem Rennkalender. Die Strecken gibt es noch, aber an manchen Teilen wächst schon Gras drüber.

Fest steht: Die Wurzeln der Formel 1 in Europa trocknen mehr und mehr aus: Frankreich hat sein Rennen schon verloren, Spanien musste zuletzt auf den Grand Prix in Valencia verzichten, Deutschland bekommt Jahr für Jahr mehr Probleme mit der Finanzierung. Doch die Teams kommen nach wie vor nur aus England, Italien und der Schweiz, 15 der 22 Fahrer stammen vom alten Kontinent. Die Reisegruppe ist eine europäische.

Immerhin: In dieser Saison gibt es einen Gast aus Russland. Daniil Kvyat heißt der junge Mann, er ist Russe und darf sich bei Toro Rosso versuchen.  Einer der ersten, der ihm zum Karrieresprung gratulierte, war Präsident Putin.

Noch fehlt an einigen Stellen der Asphalt auf der Rennstrecke in Sotschi, an anderen Stellen gleicht die Piste eher einer Buckelpiste. Ecclestone aber beteuert: „Sie haben ihren Job erstklassig erledigt.“ Worte, die uns irgendwie an Thomas Bach und die russischen Versprechen erinnern. Na dann: Nastrovje!

Anno Hecker, Christoph Becker und Michael Wittershagen folgen in Crashtest - die Formel-1-Kolumne dem schnellsten Kreisverkehr der Welt auf den Formel-1-Rennstrecken und abseits der Boxengassen.

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26.02.2014, 14:33 Uhr

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