Gaza | Bildquelle: REUTERS

Gaza-Bevölkerung hat wenig Hoffnung Überleben in Trümmern und Schlamm

Stand: 04.11.2014 11:41 Uhr

Häuser liegen in Trümmern, Zelte versinken im Schlamm, Container laufen voll Wasser. Die Palästinenser, die im Gazastreifen ihr Zuhause verloren haben, leiden auch zehn Wochen nach der Waffenruhe. Ein rascher Wiederaufbau ist in weiter Ferne.

Von Christian Wagner, ARD-Hörfunkstudio Tel Aviv

Noch vor ein paar Wochen lagen die staubigen, trümmerübersäten Straßen in Shejahijya in der Hitze. Jetzt haben die ersten heftigen Regenfälle alles in Schlamm verwandelt. Samir Hassanein ist verzweifelt. "Wir sind völlig durchnässt. Mein Gott, was sollen wir nur machen", sagt er. "Es ist doch Winter und wir können nicht weiter im Zelt bleiben."

"Wir können uns nicht mal hinsetzen"

Mehr als 100.000 Menschen sind obdachlos, auch mehr als zwei Monate nach dem - vorläufigen - Ende des Gaza-Kriegs. Viele der betroffenen Familien campieren nach wie vor in Klassenzimmern von UN-Schulen, einige haben Container zugewiesen bekommen wie Yousef Al-Najjar in Khan Younis im Süden des Gazastreifens. "Es ist nicht nur Regenwasser, sondern auch Abwasser, das in unseren Container reingelaufen ist", sagt er. "Alles, was wir haben, ist nass, wir können uns nicht mal hinsetzen."

Im Gazastreifen, am östlichen Rand des Mittelmeers sind es nicht etwa Schnee oder Frost, die den Menschen zu schaffen machen. Dafür umso mehr der Regen: In der Trümmerwüste von Khuzaa waten die Menschen durch eine knietiefe braune Brühe, an vielen Stellen ist die Kanalisation von Bomben getroffen, die Abwasserpumpen arbeiten nicht ohne Strom. Und das einzige Elektrizitätswerk, das sie nach einem israelischen Bombentreffer wieder zum Laufen gebracht haben, liefert gerade gar keinen Strom: Es fehlt der Treibstoff.

Palästinenser vor Zeltunterkunft im zerstörten Gazastreifen | Bildquelle: AFP
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Teile des Gazastreifens liegen nach dem Krieg in Trümmern - die Menschen haben wenig Hoffnung auf schnelle Lieferungen von Material für den Wiederaufbau.

Kein schneller Wiederaufbau

Zu schaffen macht den Gazanern aber auch die Aussicht, dass es nicht wirklich besser wird. "Als die Waffenruhe Ende August kam, da haben die Bewohner des Gazastreifens gedacht, dass die Abriegelung nach acht Jahren zu Ende geht, dass alle Grenzübergänge aufgemacht werden, dass Waren und Baumaterial reinkommen", sagt der palästinensische Ökonom Maher al-Tabaa. "Aber nach einer Weile hat sich wieder Pessimismus breitgemacht, die Abriegelung dauert an und es kommt nur wenig Baumaterial."

Zehn Jahre würde ein Wiederaufbau dauern, rechnen Beobachter wie Tabaa vor, wenn weiterhin so wenig Baumaterial aus Israel in den Gazastreifen kommt wie bisher. Momentan kommt aber gar nichts über den Grenzübergang Kerem Shalom. Israels Regierung schloss am Freitag alle Übergänge. Das ist die Reaktion auf ein Geschoss, das aus dem Palästinensergebiet abgefeuert wurde. Die israelische Armee kann aber nicht sagen, was es denn war, eine Rakete oder nur eine Mörsergranate. Erst heute öffnete Israel die Übergänge wieder.

Der einzige Weg nach draußen, über den ägyptischen Grenzübergang bei Rafah, ist auch schon wieder dicht - nach einem Terroranschlag auf ägyptische Soldaten auf der Sinai-Halbinsel.

Zwischen Mittelmeer und Jordan
Videoblog , 12.10.2014, Richard C. Schneider, ARD Tel Aviv

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Wichtigstes Krankenhaus kann Rechnungen nicht zahlen

Leichter wird es nicht für die Palästinenser, erst recht nicht im wichtigsten Krankenhaus von Gaza-Stadt. Das Al-Shifa bekommt für seine Patienten keine Lebensmittel mehr geliefert. Die Klinik kann Rechnungen von umgerechnet 170.000 Euro nicht bezahlen.

In den zerbombten Gebieten wächst die Verzweiflung der Gazaner, denn es kommt mehr Regen, es wird kälter. "Im Sommer ist es hier schon nicht auszuhalten", sagt Husni Sukar. "Aber im Sommer kann ich unterm Baum schlafen. Jetzt geht das nicht mehr", fügt er hinzu. So wie die anderen Bewohner von Gaza hat zwar auch er von den Milliarden gehört, die Amerikaner, Europäer und arabische Staaten für den Wiederaufbau versprochen haben. Aber solange die bewaffneten palästinensischen Gruppierungen und Israel keinen dauerhaften Waffenstillstand vereinbaren, wird das alles wohl nichts bringen.

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