Berthold Huber | Bildquelle: dpa

Berthold Huber im Porträt Ein Gewerkschafter beaufsichtigt VW

Stand: 27.04.2015 15:12 Uhr

Der Piëch-Abgang hat VW fast unbemerkt eine historische Premiere gebracht: Mit Ex-IG-Metall-Chef Huber steht jetzt - wohl vorübergehend - erstmals ein Gewerkschafter an der Aufsichtsratsspitze. Das zeigt erneut die starke Rolle der Arbeitnehmer in dem Konzern.

Bei Volkswagen hat erstmals ein Gewerkschafter die Macht: Ex-IG-Metall-Chef Berthold Huber. Der 65-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats und führt nach dem abrupten Abgang von Firmenpatriarch Ferdinand Piëch kommissarisch dessen Geschäfte. Er soll den Konzern solange überwachen, bis ein Nachfolger für Piëch gefunden ist.

Schon während des zweiwöchigen Machtkampfs bei VW spielte der Schwabe eine wichtige Rolle. Er ist Mitglied des sechsköpfigen Aufsichtsratspräsidiums - des innersten VW-Machtzirkels. Huber sitzt seit 2010 im Aufsichtsrat, bis zum Eklat am Wochenende war er dort der Stellvertreter Piëchs.

Vorstandschef - und damit zuständig für die Konzerngeschäfte - bleibt Martin Winterkorn, der diesen Posten seit 2007 innehat. Piëchs Abrücken von ihm hatte der Streit der vergangenen Wochen ausgelöst.

Sechs Jahre lang Chef der mächtigsten Gewerkschaft

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Vor acht Jahren: Berthold Huber nach seiner Wahl zum IG-Metall-Vorsitzenden

Huber war nach einer langen gewerkschaftlichen Karriere 2007 an die Spitze der größten und mächtigsten deutschen Gewerkschaft IG Metall gerückt. Er blieb dort bis 2013. An der Gewerkschaftsspitze machte er alle Höhen und Tiefen mit und profilierte sich dabei als Krisenmanager: Von einem Boom der exportstarken Metall- und Elektrobranche ging es direkt in die von der Lehman-Pleite ausgelöste Weltwirtschaftskrise.

Der Sozialdemokrat war gefragter Ratgeber in der Opel-Krise, in Kanzlerrunden oder bei der Krise von wichtigen Unternehmen wie Continental und Schaeffler. Schwierige Tarifrunden löste er gemeinsam mit seinem langjährigen Tarifpartner bei den Arbeitgebern, Martin Kannegiesser.

Erst Betriebsrat, dann Studium

Der streng katholisch erzogene Sohn eines Ulmer Ingenieurs hatte es nach dem Abitur als Werkzeugmacher schon mit 28 Jahren zum Betriebsratsvorsitzenden beim Busbauer Kässbohrer gebracht. Doch dann studierte er in Frankfurt Geschichte und Philosophie - allerdings ohne Abschluss.

Nach der Wende baute der von Franz Steinkühler zurückgeholte Huber die IG Metall in Sachsen auf, bis er aus familiären Gründen in den Westen zurückkehrte.

Einzigartige Gewerkschaftsmacht bei VW

Dass mit Huber jetzt ein Gewerkschafter vorübergehend VW-Aufsichtsratschef wurde, ist zwar ungewöhnlich - zeigt aber auch die einzigartige Macht der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter bei Europas größtem Autobauer: Mehr als 90 Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind in der IG Metall. Bei Betriebsratswahlen erhielt die Gewerkschaft zwischen 80 und mehr als 90 Prozent der Stimmen.

Im Aufsichtsrat stellen die Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz die Hälfte der 20 Mitglieder und den Vizechef. Gegen ihre Zustimmung geht bei VW so gut wie nichts. Das liegt auch daran, dass das VW-Gesetz für die Errichtung und Verlagerung von Produktionsstätten eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Aufsichtsrat verlangt. Kein VW-Chef kann es sich daher leisten, gegen den Betriebsrat zu agieren.

Als es Volkswagen Anfang der 90er-Jahre schlecht ging, vereinbarte der damalige Vorstandschef Piech mit der IG Metall die Vier-Tage-Woche und verhinderte so Massenentlassungen. Als sein Nachfolger Bernd Pischetsrieder später Personal abbauen wollte, scheiterte er am Votum des Betriebsrats und musste seinen Posten räumen.

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