Kommentar

"Östliche Partnerschaft" Bei der EU ist Realismus eingekehrt

Stand: 22.05.2015 20:01 Uhr

Viel mehr als Gespräche kann die EU den östlichen Partnern derzeit nicht anbieten. Denn einen neuen Konflikt mit Russland zu riskieren wäre derzeit nicht mutig, sondern fahrlässig. Ob den Ex-Sowjetrepubliken dieses Angebot reicht, wird sich zeigen.

Von Markus Sambale, ARD-Hörfunkstudio Moskau

Was tun, wenn es kriselt in einer Partnerschaft? Reden, immer wieder miteinander reden? Einen Neuanfang versuchen? Oder: Schluss machen? Einfach schnell Schluss machen, das kommt für die EU und ihre sechs schwierigen Partner nicht in Frage. Das ist eine gute Nachricht des Gipfels von Riga. Denn sonst wäre der Gesprächsfaden wohl sofort gerissen. Also reden, immer wieder reden. Nicht als Therapie, sondern ehrlich und selbstkritisch.

Die Ukraine-Krise war ein Schock. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich jetzt vorgenommen, Fehler von vor zwei Jahren nicht zu wiederholen, als man bei den Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen die Zerrissenheit der Bevölkerung in der Ukraine verkannte. Und als man die Entschlossenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin unterschätzte, für die Ukraine auch einen Krieg in Kauf zu nehmen.

Kaum Fortschritte für die Partner

Zur ehrlichen Bilanz gehört, dass die Ost-Partnerschaft den Partner-Ländern kaum Fortschritte brachte. Freiheit, Demokratie und Stabilität wurden versprochen, auch mehr Wohlstand. Davon kam bei den Menschen dort wenig an. Alleinherrscher wie in Weißrussland oder Aserbaidschan konnten dagegen ihre Macht ausbauen. Weißrussland und Armenien sind inzwischen Mitglieder in Putins Club der Eurasischen Wirtschaftsunion.

Es ist Realismus eingekehrt in der Runde des EU-Chefs. Statt von einer möglichen Mitgliedschaft ist ganz unverbindlich von "europäischer Perspektive" die Rede. Das birgt die Gefahr, dass die Zustimmung für einen EU-Kurs in den Ländern weiter oder wieder sinkt. Doch anders geht es nicht: Einen neuen Konflikt zu riskieren, den Russland erneut auch militärisch austragen könnte - das wäre derzeit nicht mutig, sondern fahrlässig.

Wie also könnte der Neuanfang aussehen für die Ost-Partnerschaft? Es kann nicht der eine Neuanfang sein - es müssen sechs Versuche sein. Für jedes Land einer. Geduld und diplomatisches Geschick sind gefragt. Die besten Chancen haben die Ukraine, die Republik Moldau und Georgien, die drei, die der EU schon jetzt am nächsten sind. Auch Armenien könnte dazukommen.

Mindestmaß an europäischen Werten

Nicht das Verhältnis zu Russland darf dabei Kriterium sein, sondern nur die Frage, ob das jeweilige Land bereit ist, ein Mindestmaß an europäischen Werten anzuerkennen und umzusetzen. Wenn sich Regierungen wie die in Weißrussland und Aserbaidschan partout weigern, das zu tun - dann hilft doch nur: Offiziell Schluss machen, nicht mit den Beziehungen - aber zumindest mit dem Begriff EU-Partnerschaft für diese Staaten. Auch das gehört dann zur Ehrlichkeit.

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