Kommentar

Kommentar zum Auftrag an den MAD Von Waffen, Wahrheit und Agenten

Stand: 07.05.2015 19:22 Uhr

Der Versuch des Waffenherstellers Heckler&Koch, den MAD einzuspannen, um kritische G36-Berichte zu stoppen, zeugt von einer gestörten Wahrnehmung von Realität und Rechtsstaat. Wieder einmal zeige sich, dass es im Miteinander von Rüstungsindustrie und Militärbürokratie zu viel Kumpanei gibt und zu wenig politische Kontrolle.

Von Christian Thiels, tagesschau.de

Man hat es fast vor dem geistige Auge: Zwielichtige Herren in dunklen Anzügen, tiefe Ledersofas, schummrige Beleuchtung und viel Zigarrenrauch. Ein Hauch von "Der Pate" als einer sagt: "Wir haben ein Problem, das gelöst werden muss". Doch diese Szene hat sich wohl ganz real im eher nüchternen Ambiente von Resopaltischen und Linoleumböden einer deutschen Behörde abgespielt, beim Militärgeheimdienst MAD nämlich.

Da kommt ein Rüstungsmagnat zum Geheimdienstchef und jammert über kritische Berichterstattung zu vermeintlichen Problemen beim Sturmgewehr G36. Die ärgern den Hersteller Heckler & Koch und offenbar auch den damaligen Abteilungsleiter Ausrüstung im Verteidigungsministerin, Detlef Selhausen, sehr. So sehr, dass sie den Militärgeheimdienst offenbar dazu bewegen wollen, etwas zu unternehmen.

Behörde ist nachvollziehbar sauer

Heckler & Koch beeilt sich heute zwar zu betonen, man habe nie die Ausspähung von Journalisten gefordert oder forciert. Doch das man beim Geheimdienstchef vorstellig geworden ist, wird nicht dementiert. Die kritische Berichterstattung über das Sturmgewehr beruht, wie in solchen Fällen üblich, auf vertraulichen Informationen, die man im Verteidigungsministerium lieber unter Verschluss halten würde. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass eine Behörde sauer wird, wenn geheime Dokumente an Medien "durchgestochen" werden. Das ist Geheimnisverrat und der ist strafbar. Dafür gibt es die Staatsanwaltschaft. Der MAD darf nur ermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen oder einen Spionageverdacht vorliegen. Sagt zumindest der MAD selbst. Vermutung und Spekulationen reichen nicht.

Auch ein Unternehmen kann nicht wirklich erfreut sein, wenn die Qualität seiner Produkte hinterfragt wird. Doch dafür hat es eine PR-Abteilung, die versuchen sollte, die eigene Sicht der Dinge zu verbreiten. Der Versuch, einen Geheimdienst auf Journalisten anzusetzen, um deren Quellen zu identifizieren, zeugt von einer offenbar ziemlich gestörten Wahrnehmung von Realität und Rechtsstaat. Das erinnert fatal an die Spiegel-Affäre. Wieder einmal zeigt sich, dass es im Miteinander von Rüstungsindustrie und Militärbürokratie zu viel Kumpanei gibt und zu wenig politische Kontrolle.

Notbremse spät gezogen

Und so ist es auch besonders blamabel für die Verteidigungsministerin, wenn ihr Büro von dem unerhörten Vorgang zwar schon vor mehr als einem Jahr in einem Papier informiert wird, sie aber entweder nicht von ihren Mitarbeitern darauf hingewiesen wird, selbst die Brisanz nicht erkennt oder - was noch schlimmer wäre - ihn ignoriert.

Von der Leyen zieht nun - reichlich spät - die Notbremse, deutet personelle Konsequenzen an und befürwortet indirekt sogar einen Untersuchungsausschuss. Sie muss nun liefern, denn sonst könnte der ganze Komplex rund um das G36 für sie wirklich gefährlich werden. Die Ministerin muss beweisen, ob ihr an Aufklärung wirklich gelegen ist oder nur an weiterer monatelanger Verschleppung.

Mann mit Rückgrat: MAD-Chef Birkenheier

Nach allem, was nun auf dem Tisch liegt, hat nur einer in dieser Posse Rückgrat bewiesen: MAD-Chef Birkenheier. Der tat das einzig Richtige. Er weigerte sich nämlich, das Ausspionieren von Journalisten anzuordnen.

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