Schweizer "Pranger" für Steuerbetrüger Sonderbare Praxis der Eidgenossen
Stand: 25.05.2015 19:43 Uhr
Behörden anderer Länder bitten die Schweiz um Hilfe bei der Verfolgung von Steuerbetrügern. Was danach kommt, wirft Fragen auf: Denn die Schweiz veröffentlicht nun im Internet die Namen von Beschuldigten - offiziell in deren Interesse.
Von Hans-Jürgen Maurus, ARD-Hörfunkstudio Zürich
"Schweiz stellt Steuersünder an den Pranger" - so die Schlagzeile der Schweizer "Sonntagszeitung". Soll heißen: Ausländische Bankkunden, die im Visier der Steuerfahnder sind, stehen mit vollem Namen im Amtsblatt im Internet. Und einen deutschen Prominenten hat die Wochenzeitung auch gleich entdeckt: Einen Nachfahren von Fürst von Bismarck. Gegen ihn läuft offenbar ein Amtshilfeverfahren der deutschen Steuerbehörden.
In der Mitteilung der Eidgenössischen Steuerverwaltung, die im Schweizer Bundesblatt im Internet veröffentlicht wurde, heißt es: "Um die Geltendmachung des rechtlichen Gehörs zu ermöglichen", fordere die Steuerverwaltung ihn auf, innerhalb von zehn Tagen ab Publikation der Mitteilung eine zur Zustellung bevollmächtigte Person in der Schweiz zu bezeichnen, bzw. eine aktuelle Adresse in der Schweiz mitzuteilen. Im Klartext: Der Schweizer Fiskus veröffentlicht Namen im Internet, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, Rechtsmittel zu ergreifen.
Schweiz veröffentlicht Namen von Steuerbetrügern
tagesschau 12:00 Uhr, 26.05.2015, Daniel Hechler, ARD Genf
Oft genug in der Klatschpresse zu finden
Eine seltsame Begründung und ein "Tabubruch", meint die "Sonntagszeitung", weil jetzt nicht nur für ausländische Steuerbehörden einsehbar sei, wer ein Problem mit dem Fiskus habe, sondern für alle. Damit ist wohl nicht nur das Schweizer Bankgeheimnis sondern auch das Steuergeheimnis tot. Dass die Eidgenössische Steuerverwaltung aber nicht einmal die Adresse des Bismarck-Familienmitglieds herausfinden konnte, findet die Wochenzeitung grotesk. Denn er sei oft genug in der Klatschpresse zu finden.
Noch abstruser wirkt das aktuelle Vorgehen angesichts der Forderung der Eidgenössischen Steuerverwaltung an ausländische Steuerbehörden, die an sie von der Schweiz im Rahmen so genannter Amtshilfeverfahren gelieferten vertraulichen Steuerdaten geheim zu halten.
Rückschluss auf die Herkunft möglich
Nicht nur deutsche mutmaßliche deutsche Steuerbetrüger stehen im Netz, auch Staatsangehörige aus Frankreich, Norwegen, Schweden, Spanien, Indien, Großbritannien oder Israel werden genannt. Das lässt Schlüsse zu, woher die Namen ursprünglich kommen. Denn all diese Länder bezogen Dokumente von Hervé Falciani, der Tausende von Daten von seinem ehemaligen Arbeitgeber, der HSBC in Genf, geklaut und weitergegeben hatte.
Die deutschen Kundennamen dürften aus einer Razzia in der Credit-Suisse-Filiale in Frankfurt stammen. Damals entdeckten deutsche Steuerfahnder Unterlagen der "Credit Suisse Life"-Niederlassung auf den Bermudas. Die Kunden hatten dort wohl Scheinversicherungen mit einem Mindesteinsatz von 150.000 Euro geparkt.
Die im Internet veröffentlichten Namen sind also allen interessierten Steuerbehörden längst bekannt. Der Vorfall zeigt aber auch, dass die Schweizer Steuerbehörden von Amtshilfegesuchen aus dem Ausland regelrecht überrollt werden.
Schweiz stellt Steuersünder an den Pranger
H.-J. Maurus, ARD Zürich
25.05.2015 11:29 Uhr