Trillerpfeife vor Postsymbol | Bildquelle: dapd

Streiks allerorten Vom Anstand im Ausstand

Stand: 13.05.2015 17:50 Uhr

Selten wurde so viel gestreikt wie zurzeit. Ob Bahn, Kita oder Piloten - überall Trillerpfeifen und Gewerkschaftswesten. Die Post soll Streikende sogar bedroht haben. Worum geht es im einzelnen - und wo können wir bald wieder mit (Tarif-)Frieden rechnen? Eine Übersicht.

Von Christian F. Wulf, tagesschau.de

So viele spürbare Streiks gab es wohl selten in Deutschland. Doch ihre Zahl ist nicht das Problem, Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Land mit relativ wenig Streiktagen. Vielmehr geht es in vielen Tarifkonflikten gar nicht nur um Geld oder Arbeitszeit, sondern um Grundsätzliches. Das macht die Sache so zäh.

Die Post

Hat sie oder hat sie nicht? Hat die Post Streikende eingeschüchtert? Während eines laufenden Tarifkonflikts? Es wäre ein grobes Foul, sollte der Vorwurf stimmen, den ver.di gerade erhebt. Demnach sei befristeten Angestellten die Entlassung angedroht worden, sollten sie die Arbeit niederlegen. SPD-Chef Sigmar Gabriel, von ver.di zu Hilfe gerufen, schrieb gar einen Brief an Post-Chef Frank Appel, in dem er die Einhaltung "persönlicher wie kollektiver Arbeitnehmerrechte" einforderte, gerade weil es um ein Unternehmen mit Bundesbeteiligung gehe.

Post-Chef Appel widersprach inzwischen entschieden: Nie sei es zu Einschüchterungen von Streikenden gekommen, das Ganze sei "rufschädigend". Arbeitnehmerrechte würden stets respektiert.

Grobes Foulspiel wirft ver.di der Post auch im Kern des Tarifstreits vor. Denn um die geforderten 5,5 Prozent mehr Lohn oder die 36 statt 38,5 Wochenstunden (bei vollem Lohnausgleich) geht es eigentlich gar nicht. Vielmehr hatte die Post angekündigt, zahlreiche neue, unbefristete Stellen an 49 Standorten zu schaffen, allerdings in Tochtergesellschaften und mit deutlich schlechterer Bezahlung als bei der Post. Mit der unbefristeten Festanstellung sollen die befristeten Angestellten aus der Post in die neuen Firmen gelockt werden - und dem Mutterkonzern die Personalkosten senken. Ver.di sieht darin einen Bruch geltender Verträge und eine verfassungswidrige Unterwanderung der Tarifpartnerschaft.

Seit Dienstag sind alle 83 Briefzentren der Post zum Streik aufgerufen. Noch handelt es sich um Warnstreiks, immerhin nämlich redet man noch miteinander. Das nächste Mal am 20. und 21. Mai. Tendenz: Kann sich noch hinziehen.

Mitarbeiter der Briefzentren und Zusteller legen Arbeit nieder
tagesschau 20:00 Uhr, 12.05.2015

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Die Bahn

Bei der Bahn ist man einen Schritt weiter: Hier reden Bahn AG und GdL nicht mehr miteinander. Aus Warnstreiks sind längst ausgewachsene Ausstände geworden, zuletzt streikten die Lokführer eine ganze Woche. Es war der achte Streik im laufenden Tarifkonflikt.

Auch in diesem Tarifstreit gibt es irgendwo eine Lohnforderung, doch über die wurde nie geredet. Tatsächlich geht es darum, dass die GdL und ihr Chef Claus Weselsky für alle Berufsgruppen der Bahn einen Abschluss erstreiten will, die Bahn aber auch mit der EVG verhandelt und auf keinen Fall zwei Tarifverträge im Unternehmen haben möchte. Entweder müssten sich GdL und EVG also die einzelnen Berufsgruppen aufteilen (so war es im Wesentlichen in der Vergangenheit) oder sie müssten gemeinsam eine Tarifforderung stellen. Da sich EVG und GdL aber spinnefeind sind, ist die Lage total verfahren.

Eine Schlichtung hat die GdL bislang ebenso abgelehnt wie eine Vermittlung durch den ehemaligen SPD-Chef Matthias Platzeck. Tendenz: Zwar hat GdL-Chef Weselsky erklärt, Deutschland zunächst einmal mit Streiks verschonen zu wollen, doch in der Sache geht es keinen Millimeter voran. Und zuletzt drohte auch noch die EVG mit Streik. Bahnfahren bleibt spannend...

Die kommunalen Kitas

"Wir sind es wert", steht auf ihren Plakaten, oder: "Wir managen eine Horde Kinder - wir wollen Managergehälter." Die Erzieherinnen und Erzieher in den kommunalen Kitas streiken - unbefristet. Eine große Herausforderung für Zehntausende Eltern. Improvisierte Betreuungsgruppen werden gegründet, Firmen schaffen Eltern/Kind-Arbeitsplätze, Großeltern sagen ihren Urlaub ab und hüten Enkel.

Auch hier geht es nicht (nur) ums Geld. Die Gewerkschaften fordern von den kommunalen Arbeitgebern eine Höhergruppierung der Erzieher. Deren Anforderungen hätten sich in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert, ebenso ihre Qualifikation. Eine höhere Gehaltsgruppe bedeute deshalb nicht nur im Schnitt zehn Prozent mehr Geld, sondern auch mehr Anerkennung.

Doll gelobt werden die Erzieher auch von den Arbeitgebern für ihre Leistung, allein kaufen werden sie sich davon nichts können. Die Forderungen der Gewerkschaften seien schlicht unbezahlbar, so die Kommunen.

Interessant: Während im Tarifkonflikt der Bahn mittlerweile die Mehrheit der Deutschen gegen die Streiks ist, finden die Erzieher mit ihrem Ausstand viel Unterstützung. Jedenfalls noch. Am Nachmittag teilte ver.di erwartungsgemäß mit: Der Streik in den Kitas geht auch in der kommenden Woche weiter. Tendenz: Mit ver.di-Chef Frank Bsirske und den Kommunen sind Profis am Werk, die sich aus vielen Tarifkonflikten kennen. Die sollten das Kind schon schaukeln.

Lufthansa

Etwas stiller ist es um den Tarifkonflikt bei der Lufthansa geworden, und dies hat einen traurigen Grund: den Absturz der Germanwings-Maschine über den französischen Alpen. Bereits zwölf Mal hatte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit für die Beibehaltung von Übergangsrenten der Lufthansa-Piloten gestreikt. Unmittelbar nach dem Germanwings-Absturz am 24. März stoppte Cockpit weitere Streikvorbereitungen, eine Einigung blieb aber aus.

Lufthansa | Bildquelle: dpa
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Bei der Lufthansa war es zuletzt ruhiger. der Tarifkonflikt ist aber noch lange nicht gelöst.

Ende April bot Lufthansa den Piloten die lange von ihnen verlangte Gesamtschlichtung zu allen offenen tariflichen Fragen an. Die Piloten stimmten dem Angebot nun zu.

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