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Die Europäische Frauensynode in Barcelona setzte Maßstäbe
Verschiedenheit wagen!

Oft wird von der Vielfalt der Kulturen und Religionen nur geredet, in Barcelona war sie Realität: Über 700 Frauen aus 36 Ländern kamen im August zur Zweiten Europäischen Frauensynode in die katalanische Hauptstadt, um Perspektiven für ein pluralistisches Europa zu entwickeln. Dabei setzten sie Maßstäbe für den interkulturellen Dialog, die auch die offiziellen Kirchen nicht unberührt lassen werden.

"Du wirst es nicht glauben", erzählte meine Zimmergenossin Marlis amüsiert, "da habe ich doch eben eine muslimische Frau für eine katholische Nonne gehalten!" Wieder was gelernt: Nicht alle Muslimas verknoten ihr Kopftuch unterm Kinn, manche binden es im Nacken zusammen, ähnlich wie viele Ordensschwestern. Solche Aha-Erlebnisse waren typisch für die Frauensynode. Und das sollte auch so sein: Wohlweislich war nämlich aus den Namensschildern nichts über die Konfession oder Religionszugehörigkeit der Betreffenden zu erfahren. Dort stand nur, was wirklich wichtig ist, um miteinander ins Gespräch zu kommen: welche Sprachen eine kann.

In Barcelona gab es keine Anträge, Abstimmungen und ähnlich langweilige Dinge, wie man sie sonst von Synoden gewöhnt ist. Dafür aber viel Raum und Gelegenheit zum Reden, in Workshops, beim Essen, zwischendurch, eigentlich dauernd. Denn die Organisatorinnen haben ganz richtig erkannt: Das, was Menschen wirklich verändert, was Vorteile abbaut und neue Perspektiven öffnet, ist die persönliche, direkte Begegnung von Mensch zu Mensch. Egal zu welcher Konfession eine gehört, ob sie Lesbe oder He-tera ist, Spanierin oder Schwedin, weiß oder schwarz. Was nicht heißt, dass solche Unterschiede keine Rolle spielen würden, im Gegenteil. Denn gerade sie sind es ja, die die Diskussionen interessant machen. Und wo hat man schon die Gelegenheit, mit einer italienischen Nonne über die Frauenordinationen zu diskutieren, oder mit einer norwegischen Pfarrerin über Mystik oder mit einer bulgarischen juristin über Politik und Spiritualität?

Mit einer harmlos-belanglosen Vielfalt ä la Merci hat das gar nichts zu tun. Wer miteinander redet, streitet sich auch. Als etwa die schwarze anglikanische Pfarrerin Rose Hudson Wilkin die Debatte um homosexuelle Bischöfe in ihrer Kirche ein "weißes Mittelklassethema" nannte, regten sich einige Lesben mächtig auf. Ebenso ärgerten sich manche Katholikinnen über ihre exkommunizierten Glaubensschwestern, die in Barcelona eine weitere Frau zur Priesterin weihten. "So ein magisches Ritual!" schimpfte eine, "wenn ich eine Eucharistie feiern will, dann mache ich das einfach, dafür brauche ich doch kein Hokuspokus!" Schon die Themen, über die gestritten wurde, zeigen aber: Von den offiziellen, männerdominierten Kirchen haben sich viele religiös engagierte Frauen längst meilenweit entfernt. Deren um ihre eigene "Glaubwürdigkeit" besorgten Papiere, wie etwa das neueste Papst-Verdikt gegen homosexuelle Partnerschaften oder die Bedenken der Evangelischen Kirche in Deutschland gegen gemeinsame Gebete von Christen und Muslimen, lösten in Barcelona nur Kopfschütteln aus.

Interreligiöse Begegnung ist kein Schlagabtausch zwischen feststehenden Positionen, sondern die aneinander interessierte Begegnung, bei der es keine Tabus geben darf und deren Ausgang grundsätzlich offen ist. Die Europäische Frauensynode zeigte, dass so etwas möglich ist. Auch wenn dahinter keine institutioneile Macht steht, wird die Versammlung in Barcelona deshalb Wirkung entfalten. Denn hier wurden Maßstäbe gesetzt, die hunder-te Pfarrerinnen und andere in ihren jeweiligen Kirchen engagierte Frauen mit nach Hause nahmen.

Antje Schrupp


5-10 d'agost, 2003
Universitat Autònoma de Barcelona
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