Monika
Höglinger
Verschleierte Lebenswelten
Zur Bedeutung des Kopftuches für muslimische
Frauen. Ethnologische Studie
Vorwort:
Andre Gingrich
Nachwort: Barbara Frischmuth
2002, 2.Auflage 2003, 148 Seiten
engl. Broschur
ISBN 3-902300-03-5
€ 24,20 (inkl.Mwst.)
EDITION ROESNER
Buchinformation
von Maga. Nadja Rösner-Krisch & Mag. Johann Gartler
In ihrem Buch „Verschleierte Lebenswelten“ widmet sich Monika
Höglinger einem nicht erst seit dem 11. September 2001 überaus
aktuellen gesellschaftspolitischen Thema auf ganz besondere
Weise. Um die Beweggründe von Migrantinnen, hier in der
Öffentlichkeit ein Kopftuch oder einen Schleier zu tragen, zu
ergründen und zu verstehen, aber auch zu erfahren, wie es
diesen Frauen damit geht und wie sie ihr Leben hier gestalten,
wählte sie unter Berücksichtigung der aktuellen
wissenschaftlichen Diskussion, ein unübliches, aber umso
beeindruckenderes wissenschaftliches Instrumentarium, nämlich
das des Dialogs.
Denn auch wenn in Anbetracht der Brisanz des Themas viel über
die islamische Kleidung der Frauen – insbes. den Schleier oder
das Kopftuch – geschrieben und geredet wird, so fällt auf,
dass sich die Diskussion zumeist extrem zwischen zwei Polen
bewegt. Während die einen sofort von Unterdrückung der
muslimischen Frauen sprechen und das Kopftuch unhinterfragt
als Symbol für den fundamentalistischen Islam stigmatisieren,
neigen andere zu nicht weniger verzerrenden Romantizismen. Um
nun jenseits von Dämonisierung oder Idealisierung und jenseits
aller Orientalismen und diskriminierenden, fremdenfeindlichen
Vorurteile die Beweggründe und die Motivation dieser Frauen zu
ergründen, suchte Höglinger das Gespräch mit ihnen – und hörte
einfach zu.
Interessant in diesem Zusammenhang sind die vielen
Querverweise, die man immer wieder im Buch finden kann. So hat
der Schleier auch in unserer Gesellschaft seit jeher keine
unwesentliche Bedeutung: Nicht nur lässt sich der Terminus
Weib auf das Wort Wiba zurückführen, das soviel heißt wie
Verhüllte, den Schleier finden wir auch in unserer
christlichen Tradition, z. B. bei den Ordensschwestern. Und in
einzelnen Relikten wie dem Brautschleier, der letztendlich den
Übergang von Jungfrau zu verheirateter Frau symbolisiert, ist
diese Tradition bis heute erhalten geblieben.
Nur wenn der Blick, so scheint es, auf die verschleierte
Muslimin gerichtet ist, verschleiert sich die Wahrnehmung –
und das Kopftuch wird einseitig interpretiert.
Durch dieses Buches beginnen sich nun ‚die Schleier zu
lüften‘, und es bekommt Konturen, was Barbara Frischmuth so
treffend provokant in den Raum stellt: „Wer würde sich schon
durch bloße Behauptung Dritter davon überzeugen lassen, dass
Frauen in der freiwilligen Verschleierung auch eine Art
Emanzipationsstrategie sehen. Dass sie sich beim ‚Umweg‘ über
Mekka und Medina von traditionellen patristischen Hierarchien
abnabeln und sich aus der ‚Stigmatisierung‘ als unterdrückte
muslimische Frau, für die das Kopftuch ja steht (zumindest bei
uns geht man immer noch davon aus, dass dieses Stück Stoff den
Inbegriff von Rechtlosigkeit und Unmündigkeit symbolisiere)
eine selbstbewusste, eigenverantwortliche, muslimische
Identität zu zimmern versuchen.“
Hört man den muslimischen Frauen einmal wirklich zu, so weicht
der Objektstatus der Frauen als unterdrückte Opfer einer
patriarchalischen Religion nach und nach der Idee, dass das
Tragen eines Kopftuches mit einer persönlichen Entscheidung zu
tun hat.
So gesehen ist der Schleier wie eine individuelle Antwort auf
Lebensumstände, dem man jene Bedeutung zumessen sollte, den er
tatsächlich hat. Nicht mehr und nicht weniger.
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