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Dichter, Denker und Kämpfer

Carl Amery ist tot

Zuletzt war seine körperliche Einschränkung nicht mehr zu übersehen, schließlich musste er durchgängig reinen Sauerstoff atmen. Bei seinem letzten Auftritt Ende April ließ er sich sogar bis zum Rednerpult begleiten, aber die Rede war so großartig wie immer. Carl Amery hat sich nicht unterkriegen lassen. Erst der Tod hat ihn am 24. Mai überwältigt.

In einem Interview mit Renate Börger zu seinem 80ten Geburtstag im Jahr 2002 sagte er: „Ich hoffe, dass ich keine Probleme haben werde, mich irgendwann würdig zu verabschieden. Ich finde dieses Versprechen der ständigen Lebensverlängerung einen der großen unmenschlichen Aspekte dessen, was zur Zeit in der Biowissenschaft läuft! Was passiert mit der Jugend? Ich meine, die wird minoritär, die alten Knacker werden älter und älter und älter... Zugegeben, ich wünsche mir ein langes Leben, aber ich wünsche mir kein Leben, wo ich mir am Schluss sagen muss, von Silvester zu Silvester wird’s fader!“ Dieser Wunsch ist in Erfüllung gegangen, fad war’s ihm sicher nicht. Und sein Tod hat eine große Lücke gerissen. Er ist ein Verlust für alle, die an eine bessere Welt glauben und für den Erhalt der Schöpfung einstehen.

Carl Amery war gläubiger Katholik und hat gezeigt, wie man diesen Glauben leben kann. In „Global Exit“ – 2002 erschienen – ruft er alle Christen zum Widerstand gegen den totalen Markt auf. Er sah sogar den „status confessionis“ gegeben. Also eine Situation, in der ein Christ sich zwischen dem Mainstream und seinem Glauben entscheiden muss. Der totale Markt, dieser Koloss auf tönernen Füßen, war in seinen letzten Lebensjahren, sein zentrales Thema. In dem Interview mit Renate Börger sagte er dazu: „Es gibt zwei Faktoren, zwei Füße des Idols des totalen Markts, die jederzeit bearbeitet werden können, und das ist Energie und Geld. Hier lässt sich von unten was machen. Wir können die Energiekonversion vorantreiben, was auch eine Förderung des Regionalen wäre. Ähnlich ist es mit dem Geld. Wir benötigen zwar übergeordnete Währungen, aber wir sollten genauso gut lokale Währungen bis runter zu den LETS, den sogenannten „local exchange and trading systems“, haben. Möglichst zinslos!“ Das Geldthema hat er in dem letzten Buch, das er herausgegeben hat, „Briefe an den Reichtum“, bearbeitet. Es ist erst im März erschienen und Amery hatte schon weitere Pläne. Er arbeitete an einem Buch über den christlichen Fundamentalismus in Amerika. Diese bigotten Superchristen verbünden sich gerade mit dem totalen Markt und das hat den Christen Amery sehr berührt.

Carl Amery war sein Leben lang politisch aktiv, zuerst, als es noch gefährlich war, in der Katholischen Jugend, nach dem Krieg in Bewegungen gegen die Wiederbewaffnung, gegen Atombomben und -reaktoren und in wichtigen Ehrenämtern, z.B. als Präsident des Deutschen PEN. Noch später wurde er Gründungsmitglied der Grünen. Ein Leben in Frieden, auch in Frieden mit der Natur, war sein wichtigstes Anliegen. Mit dem Satz „Wir können die Krönung der Schöpfung bleiben, wenn wir begreifen, dass wir es nicht sind,“ zitierte er sich oft selbst.

Die E.F. Schumachergesellschaft verdankt ihm ihre Existenz: Im Sommer 1976, bei einem privaten Besuch in Südfrankreich, brütete Amery mit französischen Freunden die Idee für Ecoropa aus. Schon im folgenden Dezember wurde die Organisation in Paris gegründet. Als Sitz wählte man Genf, auch wegen des gesamteuropäischen Flairs. Die Gründung der Deutschen Sektion von Ecoropa ließ bis 1980 auf sich warten. Amery mußte erst seine Freunde zusammentrommeln, mit ihnen die Rechtsform, die genaue Aufgabenstellung der neuen Vereinigung diskutieren. Es war auch eine Stiftung im Gespräch, die anderweitige ökologische Bestrebungen unterstützen sollte. Schließlich wurde 1980 die E.F. Schumachergesellschaft für politische Ökologie in ihrer heutigen Form gegründet. 15 Jahre lang war Carl Amery ihr Vorsitzender, neben seiner normalen Arbeit und all den Ehrenämtern, die er in dieser Zeit ausübte. Danach, bis zu seinem Tod, blieb er Ehrenpräsident. Auch dieses Amt hat er ernstgenommen. Immer wenn er gebraucht wurde, war er da und stand dem Vorstand mit Rat und Tat zur Seite.

Nun wird es keine Veranstaltung mit Carl Amery mehr geben. Es war immer ein Genuss ihm zuzuhören. Mit seiner klaren Sprache, seiner Schlagfertigkeit und seinem nie versiegenden, bayrisch gefärbten Humor hat er noch das drögeste Podium aufgemischt und seine Reden waren immer faszinierend. Aber wir sind dankbar, dass wir ihn hatten. Seine Bücher bleiben uns ja erhalten. Sie werden die politische Diskussion noch lange bereichern.

Dr. Doris Rüb