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AUF EIN WORT - ARCHIV
Quergedacht und auf den Punkt gebracht in einer Glosse, die nicht nur zum Schmunzeln anregen soll, sondern auch, wenn es erforderlich ist, zum gründlichen Nachdenken. [17.40 Uhr]
 
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AUF EIN WORT VOM 28.03.2008
Tipps, das Rauchverbot zu umgehen
Auf ein Wort
Die meisten Bundesbürger lehnen das Rauchverbot in Kneipen, Bars und Diskotheken nach einer repräsentativen Studie ab. Sogar 62 Prozent der Nichtraucher sind dagegen, dass in Kneipen nicht mehr geraucht werden darf. Dagegen stimmen die meisten Bundesbürger dem Rauchverbot in Restaurants zu. Insgesamt finden 78 Prozent das Verbot gut. In Nordrhein-Westfalen wird zum 1. Juli das Rauchverbot in Kraft treten. Jetzt können findige Wirte mit Hilfe einer Broschüre des Düsseldorfer Gesundheitsministeriums Lücken entdecken.

Von: Klaus Deuse

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In einem geordneten Rechtsstaat läuft ohne Juristen im Prinzip nichts. Und womit beschäftigen sich Juristen? Ganz einfach, sie suchen nach Lücken im Gesetz, durch die man völlig legal schlüpfen kann. Im Fall des Rauchverbots für Gaststätten, Kneipen, Discos und Restaurants in Nordrhein-Westfalen müssen sich findige Paragraphenritter allerdings erst gar nicht mehr großartig den Kopf zerbrechen. In einer eigens für Wirte im Land erstellten Broschüre erklärt das NRW-Gesundheitsministerium freiwillig, wie sich das Rauchverbot aushebeln lässt.

Die Hintertüren im Gesetz finden Wirte, die nach jahrelangem Ausschank von alkoholischen Getränken nicht selbst komplett meschugge in der Birne sind, bei der Lektüre mit schlafwandlerischer Sicherheit. Entweder hat die Tabakindustrie die Autoren dieser ministeriellen Broschüre bestochen, oder es handelt sich um hochgradig süchtige Raucher. Wie sonst könnte man erklären, dass das für den Raucherschutz zuständige Ministerium das entsprechende Gesetz als löchrigen Käse präsentiert. Der Hinweis darauf, dass auch künftig in Biergärten, also unter freiem Himmel oder in Zelten gepafft werden darf, der ist ja zulässig. Aber dann kommt's: Geschmökt werden darf nämlich auch bei Brauchtumsveranstaltungen wie Karneval. Gut, da spielt gerade im Rheinland der Mensch verrückt und lässt sich mit seinem Glimmstängel schwer erfassen. Das fällt letztlich auch gesundheitspolitisch unter zeitbegrenzte Narretei. Doch bei dem ministeriellen Hinweis, dass es auch im Alltag problemlos grünes Licht für blauen Dunst gibt, wenn die Gaststätte über einen abgeschlossenen Raum verfügt, der kleiner als der Nichtraucherraum ausfällt, bricht doch jeder Wirt ganzjährig in karnevalistischen Jubel aus. Vor allem, weil in einem solchen Raucherraum auch eine Theke betrieben werden darf. Wer nicht ganz blöd ist, der widmet seinen selten gebrauchten ungemütlichen Gesellschaftsraum in einen Nichtraucherraum um und freut sich über einen brummenden Umsatz, den ihm die qualmenden Gäste an der Theke bescheren.

Selbst an die Menschen mit schwacher Blase hat der Minister gedacht. Wer viel trinkt, der rennt halt oft zum Klo. Und auf diesem Weg dürfen Raucher qualmen, bis der Feuermelder den Geist aufgibt. Wenn man die Broschüre richtig versteht, lohnt es sich am ehesten, das Lokal an Parteien oder Vereine zu vermieten. Denn die gehen als geschlossene Gesellschaften durch und dürfen machen, was sie wollen. Jedenfalls auf Teufel komm raus rauchen. Und wenn Parteien oder Schützenvereine zu selten zu Gast sind, dann wäre es nicht verkehrt, einen Raucherclub zu gründen. Also einen Verein, dessen einziger Zweck im gemeinschaftlichen Konsum von Tabak besteht.

Man ist ja von Politikern allerhand gewöhnt. Aber dass das NRW-Gesundheitsministerium den Wirten aus freien Stücken die Hintertüren für ungebremstes Qualmen sperrangelweit öffnet, das ist schon starker Tobak. Jedenfalls auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick, wenn der Rauch sich lichtet, fällt es einem aber wie Schuppen von den Augen. Das ist nämlich politisch ein unheimlich gewitzter Schachzug. Um nicht wie jüngst die CSU in Bayern von Millionen an der Wahlurne abgestraft zu werden, erklärt man vor der NRW-Landtagswahl im nächsten Jahr den Rauchern lieber ganz offenherzig, wie man das Gesetz umgeht. Mein lieber Herr Gesangverein, darauf muss man erst einmal kommen.
 
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