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Interview mit Dr. Malte Bischoff - Archivdezernent Landesarchiv Schleswig-Holstein


„Die Berufsaussichten ausgebildeter Archivarinnen und Archivare sind nach wie vor gut, die Bereitschaft zu Mobilität und anfänglichen Zeitverträgen vorausgesetzt."


Juni 2008


Curriculum vitae

Studium der Mittleren und Neueren Geschichte, der Kunstgeschichte und der Volkskunde in Kiel und Wien. Magisterabschluß und Promotion in Kiel mit Arbeiten zur Rolle des Landadels in der Frühen Neuzeit.

1993-1995 Archivreferendariat am Landesarchiv Schleswig-Holstein in Schleswig bzw. an der Archivschule Marburg. 1995-1998 archivische Werkverträge bei der Deutschen Burgenvereinigung und der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg. Seit 1998 Archivdezernent am Landesarchiv Schleswig-Holstein.


Derzeitiger Beruf

Archivar des höheren Dienstes am Landesarchiv Schleswig-Holstein. Als Dezernent unter anderem für die Ausbildung im höheren und gehobenen Archivdienst des Landes Schleswig-Holstein zuständig. Weitere Hauptaufgabenfelder: Aktenbestände der Frühen Neuzeit, Quellen zur Post- und Eisenbahngeschichte, Aktenübernahme vom Landwirtschaftsministerium in Kiel, kommunale Archivpflege in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde und Ostholstein, Bibliothek, Öffentlichkeitsarbeit.


Wie sieht eine typische Woche in Ihrem Berufsleben heute aus?

Für manche vielleicht überraschend: Die Arbeit mit den Archivalien nimmt eher wenig Raum ein. Viel mehr Zeit wird für Kunden im Lesesaal, schriftliche Anfragen nach Archivalien, Akten abgebende Behörde, Auszubildende und weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Dezernat benötigt. Die Tätigkeit ist erfreulich vielschichtig und abwechslungsreich. Man hat viel mit Menschen zu tun. Als Historiker muss man sich freilich an den hohen Verwaltungsanteil gewöhnen.


Wie kam es zur Entscheidung, eine Laufbahn im Archivwesen einzuschlagen?

Magister- und Doktorarbeit erforderten intensive Auswertungen archivischer Quellen der Frühen Neuzeit, darunter viele persönliche Lebensäußerungen von Einzelpersonen. Geschichte wurde dabei für mich unmittelbar nachvollziehbar. So hat mich etwa der Brief eines vor dem Ruin stehenden Adligen, der sich hilfesuchend an seinen Landesherrn wandte, bald darauf aber Selbstmord beging, stark beeindruckt. Form und Inhalt machten diesen Menschen gleichsam wieder „lebendig", ließen gemeinsam mit anderen Archivalien seine Lebenssituation und sein Handeln verständlich werden.


Was schätzen Sie an Ihrem Beruf besonders?

Die Nähe zur archivischen Überlieferung als der für mich unmittelbarsten Quelle über die Vergangenheit. Und die Möglichkeit dieses an historisch interessierte Menschen vom Familienforschenden über die in Ausbildung befindliche Archivarin bis zum Universitätsprofessor weitergeben zu können.


Wie beurteilen Sie allgemein die Zukunftsaussichten im Archivwesen für Historiker?

Die finanzielle Lage der öffentlichen Hand führt bereits seit den 1990er Jahren zu drastischen Einsparungen im Personalbereich der Archive von Städten, Landkreisen oder Bundesländern. Demzufolge wurde leider auch die Ausbildung etwas zurückgefahren. Dennoch wird es immer einen Grundbedarf an archivischen Nachwuchskräften im höheren und gehobenen Dienst geben. Zudem gibt es viele Berufsmöglichkeiten etwa in Archiven der Wirtschaft oder von Verbänden. Deshalb zählt eine archivische Ausbildung weiterhin zu den wichtigen Berufsfeldern für Historikerinnen und Historikern. Die Berufsaussichten ausgebildeter Archivarinnen und Archivare sind nach wie vor gut, die Bereitschaft zu Mobilität und anfänglichen Zeitverträgen vorausgesetzt.


Wie blicken Sie heute auf Ihr Geschichtsstudium zurück; welche Erfahrungen waren besonders positiv; was würden Sie heute anders machen?

Im Vergleich zu den heutigen Studienbedingungen habe ich noch viele Freiheiten nutzen können, um etwa gesellschaftliches Engagement oder persönliche Weiterentwicklung betreiben zu können. Meine fachlichen Leistungen hat das eher gefördert. Heute gehen solche Dinge aber im Rahmen des kompakten, reich fachorientierten Studiums verloren. Dennoch würde ich auch heute versuchen Freiräume zu behalten, um nicht zum gesellschaftsfernen „Fachidioten" zu werden.


Welchen grundsätzlichen Rat würden Sie einem Geschichtsstudenten heute mit auf den Weg geben?

Den soeben geäußerten. Und in fachlicher Hinsicht: Nutzen Sie die Möglichkeiten zu beruflicher Praxis etwa durch Praktika oder Semesterferienjobs mit Bezug zum Geschichtsstudium. Das verschafft gute Vorstellungen, was einen in dem jeweiligen Berufsfeld erwarten würde und hebt das Niveau Ihrer Bewerbungen.


Welches war das letzte historische Buch, das Sie gelesen haben?

„Abgehört" von Sönke Neitzel. Das ist meiner Meinung nach eine hochspannende Auswertung der Abhörprotokolle von gefangenen Wehrmachtsoffizieren in England 1942-1945, also einer schon sehr authentischen historischen Quelle.

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