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Rumsfeld: "Ein sehr guter Tag"

Von Uwe Schmitt 11. April 2003, 00:00 Uhr

Saddam Hussein habe endlich vor aller Augen "seinen rechtmäßigen Platz neben Hitler, Stalin und Ceausescu im Pantheon der gescheiterten brutalen Diktatoren eingenommen"

In den ikonografischen Deutungskämpfen des zweiten Golfkriegs wird die Hinrichtung der Saddam-Statue am 9. April, 18.49 Uhr, auf dem Firdos-Platz zu Bagdad eine unvergleichliche Rolle spielen. Dass ein Bergungspanzer der Amerikaner mit Ketten erledigte, was ein Seil der Iraker allein nie vermocht hätte, dazu das knieweiche Einknicken der Figur wie ihre schäbig entblößte Hohlheit, ließen an symbolischer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Fast überflüssig schien, was beinahe genau 24 Stunden nach dem Sturz George W. Bush und Tony Blair in ihren Fernsehansprachen dem irakischen Volk versprachen: Dass sein "Albtraum" bald vorüber und die Freiheit nahe seien. Zweieinhalb Minuten, mit arabischen Untertiteln. Die Iraker hatten das spätestens auf dem Firdos-Platz verstanden.

In der vom Sieg der USA und dem Jubel der Befreiten erschütterten arabischen Welt könnten sich die Momente einbrennen, als Marine-Infanteristen der Figur das Sternenbanner über das Gesicht zogen wie einen Henkershut. Irgendein geistesgegenwärtiger Offizier begriff, wie wenig es im Sinne der USA sein konnte, dass der Diktator so sein Gesicht verlöre und im Fallen die Fahne seiner Bezwinger in den Schmutz risse. Auf welche Weise auch immer in einem kollektiven Folterracheakt Saddams Ebenbilder mit Schuhen geschlagen, bespuckt, gehängt, gestürzt, gevierteilt werden - der besonnene Offizier auf dem Firdos Platz hat einen Orden verdient.

George W. Bush selbst, der, von Baseball-Übertragungen abgesehen, nach Auskunft seines Sprechers auch in Kriegszeiten selten fernsieht, war Augenzeuge des Tyrannensturzes. Mit dem Fall der Berliner Mauer verglich Donald Rumsfeld die Szene an einem "sehr guten Tag". Der US-Verteidigungsminister leistete seinen Geschichtsbeitrag, in dem er die "atemraubenden" Bilder historisch einordnete: Saddam Hussein habe endlich vor aller Augen "seinen rechtmäßigen Platz neben Hitler, Stalin und Ceausescu im Pantheon der gescheiterten brutalen Diktatoren eingenommen". Mehr Triumphalismus leistete sich der Mann, der diesem Krieg sein Gesicht lieh wie kein anderer, einstweilen nicht. Es war offenbar an alle im Nationalen Sicherheitsrat die Tagesorder ergangen, mit äußerster Zurückhaltung aufzutreten, vor noch bevorstehenden Gefahren zu warnen und darauf zu verweisen, dass Bagdad gefallen, der Krieg aber noch lange nicht beendet sei.

Während Donald Rumsfelds Berliner-Mauersturm-Analogie wenig glücklich scheint - es fehlten schon hilfsbereite Invasionstruppen, die den Mauerspechten zur Hand gingen -, wird niemand dem irakischen UNO-Botschafter Mohammed Al-Duri abstreiten, dass sein Kommentar die Sache traf: "Das Spiel ist aus", kommentierte der Mann die Bilder aus Bagdad. Mit Spiel meine er den Krieg, fügte er auf Nachfrage hinzu, und dass er mit Saddam Hussein nie viel zu schaffen gehabt habe. Mohammed Al-Duri dürfte zu den ersten (Karriere)Opfern einer irakischen Übergangsregierung zählen. Viele werden ihm noch folgen.

Am weitesten vom Understatement der US-Regierung entfernte sich der Mann, der sich in den vergangenen Monaten immer wieder am weitesten vor gewagt hatte. Vize-Präsident Dick Cheney konnte sich während seiner Rede vor US-Zeitungsverlegern in New Orleans einige vor Hohn triefende Bemerkungen zu der Friedensdividende der Kriegsgegner Frankreich, Deutschland und Russland nicht verkneifen. Sie mögen im eigenen Saft schmoren. Vielleicht werde ja nach angemessen verbüßter Strafzeit auch jenen einige Krümel zukommen, deutete Cheney an. Ihre mögliche Rehabilitierung könnte eingeleitet werden mit humanitärer Hilfe für den Irak. Im übrigen rühmte er genüsslich und in dem für ihn so typischen Sprechweise eines Priesters bei der Beichte seinen Kollegen Rumsfeld, Tommy Franks und "die Weisheit" des Kriegsplans, die mit jedem Tag des Feldzugs mehr evident werde. Und das, fügte Cheney unter dem schallenden Gelächter des Publikums hinzu, lasse er sich nicht ausreden von "in Fernsehstudios eingebetteten Ex-Generälen".

Es sind die unbehaglichen Bilder von Plünderungen und brandschatzenden Mengen, die allzu große Euphorie über den Fall Bagdads und Saddams dämpfen. Nicht nur für die Generäle, die in Doha für CENTCOM arbeiten, werden die Fragen nicht nachlassen und weniger drängend sein. Wie soll das Machtvakuum gefüllt werden, wenn die Truppen der Alliierten vor Polizeiaufgaben zurückscheuen? Wie kann vermieden werden, dass dieselben belasteten lokalen Führer aus Polizei und Verwaltung in der Not auch unter den Amerikanern weiter beschäftigt werden? Wie sollen die Siegermächte mit der Flut von Beschuldigungen, aber auch möglichen Denunziationen von Regimeopfern verfahren, nachdem alle Gerichtsbarkeit selbst schuldig ist? Wo sind zehntausende reguläre Gardisten, die nicht kämpften, wo die Milizionäre und Fedajin, die sehr wohl kämpften? Der Eindruck, die Amerikaner hätten eine Phantom-Armee überrannt, ist nicht ganz zu vermeiden.

Vor dem Krieg schieden sich die Lager in Amerika in Bilder: Es werde in den Straßen getanzt, sagten die einen voraus, die anderen ahnten, es werde in den Straßen geschossen. Beide irrten nicht. So könnte es bleiben. Sechs Tage stehen US-Truppen in Bagdad, und es ist nur der Anfang einer langen Zeit der Besatzung und Befriedung. In der "New York Times" warnt der Russe Solomon Wolkow vor einer Naivität des Statuenstürzens. So manche wurden in Russland später wieder aufgerichtet. Womöglich, fragt Wolkow düster, von demselben Mob?

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