Als Goebbels Anfang 1943 die Parole vom "Totalen Krieg" ausgab, wurde eine Meldepflicht für alle Männer bis 65 und Frauen bis 40 eingeführt, um möglichst viele Arbeitskräfte für die ständig wachsende Rüstungswirtschaft zu mobilisieren. Sie wurde am 10. Juni 1944 erneuert, um jene Meldepflichtigen der Wirtschaft zuzuführen, die im Jahr zuvor beispielsweise aus familiären Gründen nicht einsetzbar gewesen waren. Am 2. August trat eine ergänzende Verordnung in Kraft, die eine Erweiterung der Meldepflicht auf Frauen bis 50 Jahre festschrieb.
Verantwortlich für die Meldepflicht war Fritz Sauckel, der seit März 1942 als Reichsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz amtierte. Als er auch die älteren Frauen an die Werkbänke schickte, hatte er den Zenit seiner Macht schon überschritten. In den Jahren zuvor hatte er unter dem Beifall der Naziführung Millionen Zwangsarbeiter und angeworbene "Fremdarbeiter" nach Deutschland geschafft. Doch mit der Zeit verdrängten ihn Joseph Goebbels, seit Juli 1944 Reichsbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz, und NSDAP-Sekretär Martin Bormann, die immer mehr Einfluss auf die Kriegsanstrengungen gewannen. Der Erlass war auch ein Signal, dass Sauckel seine Position nicht einfach aufgeben wollte.
Nach den beiden Verordnungen von 1944 meldeten sich 1,7 Millionen Menschen auf den Arbeitsämtern, 580.000 von ihnen gingen in die Fabriken. Sie ersetzten wehrdiensttaugliche Rüstungsarbeiter, die in die Wehrmacht eingezogen wurden, denn der Mangel an Soldaten nach den Niederlagen vom Sommer 1944 wurde immer größer. Der Zahl der eingesetzten Frauen blieb weit unter den Erwartungen der Verantwortlichen zurück. 1944 waren dennoch 41 Prozent der Industriearbeiter deutsche Frauen, im Vergleich zu 38 Prozent Männern. Der Frauenanteil war aber nur deshalb über den Männeranteil hinausgewachsen, weil die Männer eingezogen worden waren. In absoluten Zahlen arbeiteten nämlich 1944 kaum mehr Frauen in den Fabriken als 1939. Schließlich machten noch die Zwangs- und Fremdarbeiter ein Fünftel der Industriearbeiterschaft aus.
Mit der Dauer des Krieges rückte das Naziregime immer stärker von seinem Frauenideal ab, nach dem die Frauen sich auf die Mutterrolle zu beschränken hatten. Die Rüstungswirtschaft war dabei der wichtigste, nicht aber der einzige Bereich, für den Frauen herangezogen wurden. Sie mussten Stellungen bauen oder Bombenschäden beheben, oft unter schwierigen Bedingungen. Ende 1944 stand etwa eine halbe Million Frauen in Diensten der Wehrmacht. Sie bedienten Flakscheinwerfer und Ortungsgeräte oder waren in Büros und dem Nachrichtenwesen tätig. Ab dem März 1945 wurden auch Waffen an Frauen ausgegeben, die kämpfen wollten.
Jan Ogiermann, rbb-online