| Unheilige Allianzen |
In den nächsten Tagen erschient in der Reihe antifaschistischer Texte (rat), das Buch "Unheilige Allianzen" (ISBN - 3-89771-817-0, ca. 16 Euro) von Christian Dornbusch und Hans-Peter Killguss. Einen Auszug könnt ihr hier lesen.
Im Schatten des Black-Metal-Mainstreams hat sich eine Underground-Szene aus Bands, Fans und Magazinen entwickelt, die sich zwischen Satanismus, Heidentum und offener Glorifizierung des Nationalsozialismus bewegt. Die Anhänger eines sozialdarwinistisch geprägten Satanismus beanspruchen als selbsternannte ›Elite‹ ein ›Recht des Stärkeren‹ und propagieren die Vernichtung all dessen, was in ihren Augen schwach ist.
Um sich vom Christentum abzugrenzen, begeben sich andere Musiker auf die spirituelle Suche nach ihren ›eigenen‹ Wurzeln. Sie erheben das germanische Heidentum zur Heilsreligion, fordern ein Leben nach vermeintlichen Gesetzen der Natur und die Vertreibung derer, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Obgleich von der Öffentlichkeit weniger beachtet, haben die extrem rechten Bands des Genres unter dem Label NS-Black-Metal den Schulterschluss mit ihren ›Brüdern im Geiste‹, den neonazistischen Skinheads, längst vollzogen.
Die Autoren recherchieren seit einigen Jahren in der Szene. Sie beschreiben die Entwicklungen des Black Metals und seiner Szene, analysieren die Motive des Genres sowie ihre Verknüpfung mit der Ideenwelt der extremen Rechten und benennen Bands und Akteure, die zum neonazistischen Untergrund in Deutschland und Europa gehören.
Wiedererwachen germanischer Werte?
von Johannes Lohmann
“Tod im Namen Satans” titelte der Stern Anfang des Jahres anlässlich der Verhandlung gegen das Ehepaar Daniel und Manuela Ruda, die wegen Mordes an einem Arbeitskollegen Daniel Rudas vor Gericht standen. Mit herausgestreckter Zunge und Teufelszeichen inszenierten sich die “Teufelsbraut und ihr perverser Ehemann” (Bild) als Befehlsempfänger Satans und bedienten damit die Medien, die sich dankbar auf die faszinierende Mischung aus Sex, Horror und Okkultismus stürzten. Mit symbolträchtigen 66 Messerstichen, Machetenhieben und Hammerschlägen war das Opfer von dem “Satanspärchen” aus Witten im Ruhrgebiet auf grausame Weise getötet worden. Neben der Leiche fanden sich Messer, Dolche, Totenschädelattrappen und andere satanistische Devotionalien – aber auch SS-Runen, Hakenkreuze und CDs neonazistischer Bands. Nicht verwunderlich, denn Daniel Ruda hatte gute Kontakte zur Nazi-Szene und zur NPD/JN.1
Bevor sie am 12. Juli 2001 in Jena gefasst wurden, hatten die Rudas auf ihrer Flucht auch Sondershausen in Thüringen angesteuert. Dort begaben sie sich (neben dem erfolglosen Versuch, eine Kirche anzuzünden) auf der Suche nach dem Grab von Sandro Beyer. Der war 1993 Opfer eines nicht weniger grausamen Mordes geworden, der als der “Satansmord von Sondershausen” breite mediale Aufmerksamkeit gefunden hatte. Sandro war von seinen Mitschülern Andreas Kirchner, Sebastian Schauseil und Hendrik Möbus, Mitglieder der Black Metal Band Absurd, erdrosselt worden. Möbus und die Band Absurd sind inzwischen schon fast zum Synonym für den deutschen “NS-Black Metal” geworden. Unter dieser Selbstbezeichnung artikuliert ein Teil der Black Metal-Szene gegenwärtig in aller Deutlichkeit neonazistisches Gedankengut.
Um aber die Rolle von Satanismus, dem von vielen Bands vertretene Neoheidentum und der rechte Ideologie in der Metal-Subkultur zu verstehen, bedarf es einiger differenzierter Betrachtungen.
Black Metal ist eine der extremsten Spielarten des Heavy Metal, stark geprägt von kreischenden Gitarren, äußerst schnellen, treibenden Rhythmen und einem Gesang, der zumeist eher als infernalisches Geschrei beschrieben werden kann. Neben derart brachial kakophonischen Ausformungen umfasst die Musikrichtung jedoch auch Bands, die auch auf spielerisches Können, Abwechslung und ruhigere, keyboardunterlegte Momente setzen.
Vielleicht wichtigstes Charakteristikum dieser Szene ist ihre inhaltliche Ausrichtung und Selbstinszenierung. Zum Standard-Repertoire gehören Fotos, auf denen die Musiker schwarz gekleidet und in “corpse paint” (wörtl. “Leichenbemalung”, dabei wird das Gesicht totenkopfähnlich geschminkt) finster in die Kamera blicken, genauso wie Texte, die “das Böse” zum Inhalt haben. So werden mitunter auch (Hard)rock-Bands wie Black Sabbath, die sich bereits auf ihrer 1973 erschienenen LP “Sabbath, bloody Sabbath” dem Thema Satanismus widmeten, zum Black Metal gezählt. Als Namensgeber des Genres fungiert jedoch die britische Band Venom mit ihrem 1982 veröffentlichten Album “Black Metal”, die mit aggressiver Musik, satanistischen Texten und entsprechendem Outfit den Stil kreierten. Aber wenn Venom sang: “[...] wir trinken das Erbrochene des Priesters, kopulieren mit der sterbenden Hure, wir saugen das Blut des Tieres und halten den Schlüssel zur Tür des Todes in der Hand”,2 so war das nicht sonderlich ernst gemeint. Der antichristliche Gestus entstand viel mehr aus dem Wunsch, die Öffentlichkeit zu schockieren, gedacht als Moment der Provokation.
Venom gehören mit Gruppen wie Hellhammer (später Celtic Frost) aus der Schweiz und den schwedischen Bathory zu den Pionieren des Black Metal. Doch bereits Ende der 80er schien die Erfolgsgeschichte ihres Stils einem raschen Ende entgegenzugehen ...
Varg Vikernes und die skandinavische Wiedergeburt des Black Metal
In Skandinavien erfuhr der schon tot geglaubte Black Metal eine Renaissance. Besonders in Norwegen entwickelte sich eine Szene mit enormer Wirkkraft. Die Protagonisten dieser “zweiten Generation” wollten die Musik bis ins Extremste steigern, noch härter, noch schneller, noch aggressiver. Analog dazu wurde auch auf inhaltlicher Ebene versucht, die Extreme auszureizen. Beispielhaft sei die aus Norwegen stammende Gruppe Immortal genannt, die auf ihrem 1993 veröffentlichten Album “Pure Holocaust” von Tod, Krieg und Zerstörung singen. “Holocaust” steht für einen allgemeinen misanthropischen Vernichtungsgedanken, der die Ablehnung menschlichen Zusammenlebens und die Glorifizierung des “absolut Bösen” ausdrückt. Im gleichen Kontext ist auch die Black Metal-Band Mayhem zu sehen, die auf dem Cover einer Platte ein Foto abbildete, auf dem Leichenberge aus dem Konzentrationslager Auschwitz zu sehen sind. Mit dem Aufgreifen all dessen, was als evil (böse) definiert wurde, wollte sich die Szene als absoluten Gegenpol zu einer christlich-humanistischen Gesellschaft und ihrem Wertekanon positionieren. Das implizierte die Ablehnung des “Guten” nach christlicher Definition, vor allem der Ideale der Nächstenliebe, der Gnade und der Vergebung. Mit der Integration satanistischer und nazistischer Elementen wollte man sich kompromisslos gegen die Gesellschaft und in musikalischer Hinsicht abseits des kommerziellen Mainstreams stellen. Derartige Ideen vertrat auch Christian (Varg) Vikernes, der für eine kurze Zeit Mitglied von Mayhem war, aber vor allem mit seinem Projekt Burzum bekannt wurde: “Menschliche Wesen sind wertlos und dumm. Sie sollten nicht denken, sie sollten einem Führer folgen. Ich unterstütze alle Diktaturen, Hitler, Stalin, Ceaucescu [...] und ich will selbst Diktator von Skandinavien werden. Ich bin Wikinger, man erwartet von uns, dass wir kämpfen. Make war, not love”3 , so Vikernes. Diese Aussage verdeutlicht noch einmal, dass dem Black Metal nicht immer eine gefestigte Ideologie im Hintergrund zugrunde lag.
Eine zentrale Rolle in der ganzen Entwicklung kam Oystein (Euronymous) Aarseth, Kopf der bereits erwähnten Band Mayhem, zu. Neben dem Label Deathlike Silence Prod. in Oslo war er auch im Besitz eines kleinen Plattenladens namens Helvete (Hölle), in dessem Umfeld der berühmt-berüchtigte “Black Circle” entstand, dem neben Mayhem und Burzum die norwegischen Black Metal-Bands Immortal und Emperor angehörten. Dem Black Circle wurden eine Vielzahl an Brandanschlägen auf Kirchen zugeschrieben, wodurch die “selbsternannte Führungsriege” der Black Metal-Szene in den Augen ihrer Anhänger enorm an Authenzität gewann, da der Kampf gegen das Christentum hier nicht nur in Worten, sondern auch in Taten betrieben wurde. Am Ende dieses Kampfes sahen sich etliche Protagonisten der Szene vor Gericht, angeklagt wegen Brandstiftung, Friedhofsschändung, unerlaubtem Besitz von Sprengstoff, Mord und Vergewaltigung. Vor allem der Mord an Oystein Aarseth 1993 durch seinen ehemaligen Weggefährten Varg Vikernes stellte ein einschneidendes Ereignis dar. Da die wahren Beweggründe dieser Tat nie geklärt wurden, umrankten sie rasch viele Spekulationen. Fest steht nur, dass Vikernes durch sie zum absoluten Kultstar avancierte. Für einen Teil der Szene wurde er zur Verkörperung der “wahren Ideale” des Black Metal – nicht zuletzt, weil beim Prozess gegen ihn bekannt wurde, dass er außerdem persönlich für eine Reihe von Kirchenbrandstiftungen verantwortlich zeichnete. Das Thema „Varg Vikernes“ spaltete die Szene. Während die einen, die von den Entwicklungen in Skandinavien Abstand nehmen wollten, ihn endgültig zum Verrückten oder Verräter erklärten, stellt Vikernes vor allem für den rechten Flügel der Black Metal-Szene bis heute eine Art Idol dar. “Die Kirchenbrände etc. haben den unbedingten Willen zur Tat gezeigt. Diese Tatsache stellt[e] ganz unbestritten das Hauptfaszinosum an dieser Musik und ihrer Bewegung dar”, so der unter dem Pseudonym „Widar“ auftretende Initiator der NS-Black-Metal-Band Bilskirnir aus Stockstadt in einem Interview mit dem Rechtsrock-Fanzine RockNord.4
Sonnenrad und Heimatscholle: Neoheidnische Wurzeln
Vikernes erhielt für seine Taten eine Haftstrafe von 21 Jahren. Seine plakativ nach außen gestellten Ansichten, die sich zuvor aus provokativ-satanistischen Ideen und Versatzstücken der nordischen Mythologie zusammengesetzt hatten, kristallisierten sich im Gefängnis zu einer klar nationalsozialistischen und antisemitischen Interpretation des Heidentums aus. Seine Gedanken sind heute nicht weniger versponnen. So phantasiert Vikernes von der Bedrohung des nordischen Menschen durch eine jüdische Weltverschwörung. Das änderte freilich nichts an der ungebrochenen Popularität der Band Burzum. Obwohl Vikernes selbst Black Metal inzwischen als “nicht-arische Negermusik” ablehnt5 und sich mehr “sphärischen Klängen” widmet, scheinen sich etliche Fans an diesen Ansichten nicht zu stören und drücken ihre musikalischen Vorlieben weiterhin beispielsweise durch das Tragen von Burzum-Shirts aus.
Es mag nur eine kleine Minderheit sein, die wie Vikernes den Nationalsozialismus und den Odinismus als Axiome ihrer politischen Einstellung sehen, doch die Bezugnahme auf die nordische Mythologie, wie sie sich etwa in der Edda findet, ist in der Black Metal-Szene heute fast allumfassend geworden. Accessoires wie der “Thorshammer” werden auch von Fans getragen, die sich ansonsten weder mit dem heidnischen Glauben beschäftigen noch rechtem Gedankengut anhängen. Die Songtexte erwecken dabei nicht selten den Eindruck, als seien sie dem übermäßigen Konsum von Fantasy-Romanen und Wikinger-Filmen entwachsen. Dennoch bildet das Heidentum für etliche Black Metal-Bands den Rahmen, um sich mit ihren vermeintlichen Wurzeln zu beschäftigen und darüber einen besonderen, “ursprünglichen” Bezug zu Heimat und “heimischer Scholle” zu konstruieren. “Unsere Heimat ist sehr wichtig für uns, da wir ja aus ihr entwachsen sind [...] und uns mit ihr durch unser Blut verbunden fühlen”,6 so z.B. die thüringische Gruppe Bergthron. Beim Heidentum handele es sich um den “alten Glauben unseres Volkes und damit auch den unsrigen.”7 Ganz diesem Glauben verschrieben hat sich auch die aus Thüringen stammende Band Menhir, die unter der Bezeichnung “Pagan-Metal” die gesamte Darstellung der Gruppe nach heidnischen Vorstellungen ausrichtet.
Die Mitglieder von Menhir lassen sich gerne in “altgermanischer Kleidung” ablichten, die Texte widmen sich meist mystischen Aspekten der vorchristlichen Geschichte ihrer Heimat, und das Album “Buchonia” ist mit seinen folkloristischen Klängen auch in musikalischer Hinsicht ganz den als direkten Vorfahren betrachteten Germanen gewidmet. “Treue bis in den Tod” schwören sie in dem Lied “Sonnenwende”, das dem Lichtgott Balder gewidmet ist. Die Sonnenwende bezieht sich auf den längsten Tag (Sommer) bzw. die längste Nacht (Winter), die einen Wechsel in der Tageslichtdauer einleiten. In den naturreligiösen Gesellschaften waren diese beiden Tage Festtage, an denen große Feuer entfacht wurden. Der Faszination für den Sonnenritus ist wohl auch ein auf der CD abgebildetes “Sonnenrad” geschuldet: ein Hakenkreuz, wie es unter anderem auf Schulwandbildern der SS auftauchte, um die Geschichte des Hakenkreuzes “in fünf Jahrtausenden”8 zu demonstrieren. Die Band betont fortwährend, dass Menhir “unpolitisch” sei. Doch die mystische Verklärung der Heimat in Songtexten (wie “Thuringia durch unser Blut und Stahl sollst du leben ...”), denen der Mief von Blut und Boden-Romantik anhaftet, ist sehr wohl eine Verortung in einem politischen Kontext. Auch wenn Menhir wie viele andere Black Metal-Bands, die heidnische Themen aufgreifen, nicht zwangsläufig zur extremen Rechten und auch nicht zum NS-Black-Metal gezählt werden können, so lassen sich doch gerade über das Heidentum Anknüpfungspunkte an rechte Ideologien ausmachen.
So steht bei ihnen nicht mehr die nihilistische “Zerstörung” des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Mittelpunkt, sondern sie nehmen einen positiven Bezug auf Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft allerdings, die nach direkt aus der Natur abgeleiteten Gesetzen funktioniert. Dabei wird übersehen, dass Vorstellungen von Natur und (vermeintlichen) Naturgesetzen gesellschaftlich konstituiert sind, geschichtlichen Wandlungen unterliegen und damit keineswegs die behauptete normative Eindeutigkeit besitzen.9 Mit dieser Herleitung einer “natürlichen Ordnung” werden zugleich angebliche natürliche Ungleichheiten und damit Hierarchisierungen von Menschen begründet. Die Gemeinschaft wird dabei als ein biologischer Organismus gesehen, die einzelnen Menschen unter dessen Interesse zusammengefasst. Das Wesen dieses übergeordneten Interesses bleibt jedoch unbestimmt und lässt sich nicht hinterfragen. Mit dem Begriff des “Naturwüchsigen” wird die gesellschaftliche Ordnung so dem Zugriff des Menschen entzogen. Die Mythologie – im Black Metal meist die nordische – spielt hier eine zentrale Rolle; über sie beansprucht der Organizismus als Weltanschauung angebliche Gültigkeit. Historische Authentizität spielt dabei keine Rolle. Idealisiert wird eine vorchristliche Zeit, in der der Mensch im Einklang mit den Göttern und einer beseelten Natur gelebt haben soll. Entscheidend ist das Gefühl, die eigenen Wurzeln in einer ursprünglichen Ideenwelt gefunden zu haben.10 Den Ausweg aus der Entfremdung und Zerrissenheit der Moderne, deren Grundsätze für die Black Metal-Anhänger durch das Christentum verbreitet wurden, suchen sie durch einen Rückgriff auf eine “eigene” und vermeintlich natürliche Religion zu überwinden.
“Wiedererwachen germanischer Werte”: NS-Black Metal in Deutschland
Der NS-Black-Metal ist – wenn auch organisatorisch eine kleine, relativ geschlossene Szene – ideologisch eng in diese heidnisch-germanische Gedankenwelt eingebunden. Das gemeinsame Feindbild, das sich als Konstante durch die Geschichte des Black Metals zieht, ist das christliche Weltbild und dessen normierende Wertvorstellungen. Im NS-Black-Metal ist dieser Hass auf das Christentum jedoch einer deutlichen antisemitischen Interpretation unterworfen. “Wir marschier’n in eine neue Zeit, die von Juden und Christen uns befreit [...]”, singt die aus Pirna (Sachsen) stammende NS-Black-Metal-Band Magog in ihrem Lied “Feuer der Dunkelheit”. Die neue Zeit kann in der Logik dieser Musikszene nur durch die Vernichtung des bestehenden “judeo-christlichen Systems” herbeigeführt werden. Die Bezeichnung “judeo-christliche” Religion betont die jüdischen Ursprünge des christlichen Glaubens. Daraus wird eine antisemitische Verschwörungstheorie konstruiert, der zufolge das Christentum eine jüdische Strategie zur Versklavung der Menschen sei, da sie das Starke unterdrücke und dagegen das Schwache glorifiziere. Durch die Christianisierung sei “das Volk” auf die Ideale von Mitleid und Nächstenliebe ausgerichtet worden. Nach den Deutungsmustern, die die NS-Black-Metal-Szene anbietet, wurden so Werte wie Mut, Ehre, Treue, Würde und Tapferkeit durch Unterwürfigkeit und Feigheit ersetzt. “Das Judeo-Christentum machte die arische Rasse schwach. Wir wollen für die arische Rasse und unser europäisches Erbe kämpfen”, 11 so die in einem für die Szene typischen Sprachduktus gehaltene Interpretation der belgischen NS-Black-Metal-Band Donars Krieg.
“Das europäische Erbe”, wie die heidnische Religion und die ihr zugeschriebenen Werte bezeichnet werden, habe jedoch nach der Vorstellung etlicher NS-Black-Metaller – sozusagen im Unterbewusstsein “des Ariers” weitergelebt. Damit stellen sie sich über die Verbindungslinie des Blutes in eine direkte Reihe mit den Germanen. Das Heidentum wird stets völkisch aufgeladen als eine „arteigene Religion der Nordeuropäer“ bzw. des “germanischen Volkes” bezeichnet. Lebensraum, Volksgemeinschaft und Heidentum werden als eine Einheit gedacht. Daraus ergibt sich der Ausschluss des Fremden aufgrund biologistischer Zuschreibungen. MigrantInnen und Flüchtlinge sind unerwünscht.
Das Konzept der “natürlichen Ordnung” zieht sich als Leitmotiv durch die Ideologie des NS-Black-Metal. Sozialdarwinistische Prinzipien, nach denen das Recht des Stärkeren auch das Töten des Schwächeren miteinbezieht, werden als “natürlicher Evolutionsprozess” legitimiert. So findet sich immer wieder ein positiver Bezug auf die NS-Rassenlehre, auf Euthanasie, eugenische Selektion und die Shoah. Die Vernichtung von Millionen von Juden und Jüdinnen wird als ein Auflehnen gegen die “judeo-christliche Religion” euphemisiert und wiederum in die Denkschemata vom “Recht des Stärkeren” eingeordnet. Der Nationalsozialismus geriert so zum “Wiedererwachen germanischer Werte.”
Fasziniert zeigen sich die Anhänger der NS-Black-Metal-Szene vor allem von der Germanentümmelei der SS. Die Eliteorganisation Heinrich Himmlers wollte mit pseudo-wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem “Deutschen Ahnenerbe” die “germanischen Wurzeln des arischen Herrenmenschen” erforschen. Über den schwarzen Orden der SS, der in ganz besonderer Weise für Mystik und Okkultismus im Nationalsozialismus steht, finden sich eine ganze Reihe von Artikeln in NS-Black-Metal-Fanzines. Während andere Szenen rechte Ideologie weitaus subtiler verbreiten, indem sie NS-Ästhetik von der politischen Aussage abzukoppeln versuchen und auf die vermeintliche Ambiguität faschistischer Symbolik verweisen, glorifiziert der NS-Black-Metal den Nationalsozialismus auf eine Weise, die nichts an Deutlichkeit entbehrt. “Unsere wahre Natur wird durch einen judaisierten Glauben unterdrückt. Der Nationalsozialismus ist die einzige Lösung, um die herrschenden fremden Einflüsse loszuwerden und unsere Rasse und Natur zu bewahren”, fasst der eingangs erwähnte Hendrik Möbus von Absurd die Ideologie des NS-Black-Metal zusammen.
Dunkler als schwarz: Der Fall Hendrik Möbus
Möbus wurde für den Mord an Sandro Beyer zu acht Jahren Jugendstrafe verurteilt. Nachdem er Anfang 1998 vorzeitig auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde, setzte er seine Aktivitäten in der Black-Metal-Szene umgehend fort. Die Band, von der es noch zu Beginn der Haftzeit ein paar wenige Veröffentlichungen gegeben hatte, wurde wiederbelebt und zusammen mit seinem Bruder Ronald gründete Hendrik Möbus das Plattenlabel mit anhängigem Musikversand Darker Than Black (DTB) mit Sitz in Erfurt. Da es fast ausschließlich NS-Black-Metal produzierte und vertrieb, wurde DTB binnen kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Label seiner Art im deutschsprachigen Raum. Der Erfolg konnte noch weiter ausgebaut werden, als DTB zum Sublabel des Hammerskin-Labels Hate Records von Mirko Hesse wurde. Hesse, der im Moment wegen Volksverhetzung im Gefängnis sitzt, betreibt darüber hinaus das ebenfalls in Neustadt (Sachsen) ansässige Label Hagal Records, welches unter anderem die neue CD der erwähnten Band Magog produzierte. Im Gegensatz zu etlichen anderen Gruppen des Genres, deren musikalische Qualität oftmals äußerst zweifelhaft ist und die allein aus diesem Grund von der breiten Masse der Heavy-Metal-Fans nicht angenommen werden würden, kann Magog es in spieltechnischen Standards durchaus mit anderen Black-Metal-Bands aufnehmen. Hagal Records sorgt zudem für einen professionellen Vertrieb. Das Label veröffentlichte auch das unter maßgeblicher Mitwirkung von Ronald Möbus entstandene neue Album von Absurd, “Werwolfsthron”.
DTB war eine Zeit lang auch die Kontaktadresse der sogenannten “Deutschen Heidnischen Front” (DHF). Die DHF ist die deutsche Sektion der von Varg Vikernes ins Leben gerufenen “Allgermanischen Heidnischen Front” (AHF). Unterstützung bezog er dabei von der neonazistischen norwegischen Organisation Zorn 88 (später: “Norwegische Nationalsozialistische Bewegung”). Die AHF propagiert eine “Rückkehr des nordischen Menschen zu seiner ursprünglichen ethnischen Religion”. Dieser Glaube an die nordischen Gottheiten beinhaltet für die AHF vor allem den “Respekt für Blut und Erbe” und ein “starkes Gefühl der Solidarität mit der eigenen Art”; sie propagiert eine ethnisch reine Gemeinschaft “auf der Basis der Prinzipien von Rasse und Natur.” Die AHF gliedert sich in etliche Ländersektionen, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Mitgliederzahl dieser sich als Elite verstehenden Organisation nur äußerst gering ist. Das gilt auch für die deutsche Sektion, unter der sich verschiedene regionale Gruppierungen im Rheinland, Thüringen, Sachsen, Baden, Bayern und Berlin-Brandenburg formiert haben. Abgesehen von regelmäßigen Things ist die DHF ansonsten wenig in der Öffentlichkeit präsent und wirkt vornehmlich über das Internet.
Das Label der Gebrüder Möbus, Darker Than Black, wurde im Oktober 1999 von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Verbreitung verbotenen Propagandamaterials durchsucht. Betroffen waren auch der Burznag-Versand von Stefan (Brandolf) Guber, der zusammen mit Ronald Möbus in der NS-Black-Metal-Band Heldentum spielt, sowie der in Borna (Sachen) ansässige Versand No Colours. Dieser nimmt in der Szene eine wichtige Scharnierfunktion ein, da er in (relativ) großem Stil sowohl Alben neonazistischer Gruppen (wie der polnischen Graveland) als auch die von Black-Metal-Bands mit vermeintlich “unpolitischem” Hintergrund vertreibt.
Die Razzia war jedoch nicht das erste Mal, dass Hendrik Möbus mit dem Gesetz in Konflikt kam. So wurde er wegen des Zeigens des Hitlergrußes auf einem Konzert im thüringischen Behringen und wegen der Verunglimpfung Verstorbener angeklagt (er hatte in einem Interview mit der Berliner Zeitung sein Mordopfer Sandro Beyer als “Untermenschen” bezeichnet). Das Amtsgericht Erfurt wiederrief die Haftaussetzung zur Bewährung. Daraufhin trat Hendrik Möbus die Flucht in die USA an, wo er bei William Pierce, dem Führer der neonazistischen National Alliance Unterschlupf fand. Pierce gilt als einer der Drahtzieher im Geschäft mit dem Rechtsrock. Er ist Inhaber des Nazi-Skinhead-Lables ResistanceRecords und inzwischen auch des von Vikernes gegründete Labels Cymophane. Möbus wurde jedoch schon bald von FBI-Fahndern gestellt und in Haft genommen. Das löste eine breite Solidaritätskampagne aus, an der sich auch deutsche Neonazis aus den sogenannten Freien Kameradschaften beteiligten. Möbus beantragte in den USA politisches Asyl, das ihm jedoch nicht gewährt wurde. Er wurde im Juli 2001 nach Deutschland abgeschoben, wo er heute seine Haftstrafe verbüßt und sich auf ein Fernstudium vorbereitet.
“Ein brüderliches Kampfbündnis”: Annäherung mit Abstand
Jenseits derart spektakulärer Fälle, die die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, existieren in Deutschland jedoch etliche weitere NS-Black-Metal-Bands. Ein Treffen der Szenegrößen sollte jüngst in Gestalt des Berzerk Festival im sächsischen Nenntmannsdorf auf dem Weinberg (bei Pirna) stattfinden, was jedoch durch Druck auf den Vermieter des Geländes (ein örtlicher Motorsportclub) verhindert werden konnte. Organisiert worden war das Festival von Denis Schoner, der mit Pesten Productions (Gera) NS-Black-Metal produziert und über den Donnerschlag Versand vertreibt. Angekündigt waren neben etlichen anderen die nazistischen Gruppen Totenburg (Thüringen), die bereits erwähnte Band Magog, T[he] T[rue] Frost um Sven Goldberg aus Salzgitter (Niedersachsen), aber auch Band Dies Ater aus Berlin, die zwar nicht im NS-Black-Metal verortet werden, deren öffentliche Äußerungen den Bestrebungen der Band, sich gegen den Vorwurf des Rechtsextremismus zu wehren, jedoch nicht gerade förderlich sind. In einem Interview mit dem neonazistischen Fanzine Blutvergießen von Heiko Urbanzyk aus Essen drohten sie, dass “Abschaum” wie “Techno-Affen und kriminelles Pack zur Not geräumt wird, wenn sie meinen, frech zu werden.”12 Dies Ater verabschiedete sich im selben Interview mit den Worten: “Heil an unsere Freunde aus dem Reich”. Wer diese Freunde sind, wird deutlich bei einem Blick in das Inlay der Mitte 2000 veröffentlichten CD “Through Weird Woods”, die problemlos auch bei größeren Handelsketten erworben werden kann. Dort werden neben Möbus’ Darker Than Black Records auch die NS-Black-Metal-Band Totenburg gegrüßt. Darüber hinaus wird im Black-Metal-Magazin Legacy berichtet, wie Dies Ater eine Coverversion des Songs “Jew Clan” der nicht minder umstrittenen Band Vilkates mit antisemitischen Äußerungen ankündigten.13
Trotz solcher offenen Ränder ist die NS-Black-Metal-Szene selber sehr klein. Nicht zuletzt durch den von ihr vertretenen Underground-Gestus werden die Auflagen der Platten oft stark limitiert und finden bis auf wenige Ausnahmen keine große Verbreitung. Das gilt auch für Fanzines aus dem Bereich. Thüringen und Sachsen, wo Black Metal allgemein sehr beliebt ist, bilden für die Strukturen des NS-Black-Metal eine Art Kristallisationspunkt. Aus diesen Bundesländern stammen beispielsweise auch Barad Dür (Erfurt), Nachtfalke und Holocaustus (Weimar). Mitglieder letztgenannter Band wirken bei der Skinhead-Formation 14 Nothelfer mit. Nicht verwunderlich, wurde doch NS-Black-Metal in letzter Zeit zunehmend auch von der rechten Skinhead-Szene rezipiert. Im RockNord, dem größten Rechtsrock-Magazin, erschienen regelmäßig Interviews mit Black-Metal-Bands; auch deren Leserschaft begrüßte das Zusammenwachsen von Skinhead- und Black-Metal-Szene. Etliche Beispiele sprechen dafür, dass eine Zusammenarbeit – wo gemeinsame Interessen und ideologische Schnittmengen bestehen – in Zukunft verstärkt vorkommen wird.
Ein völliges Verschmelzen wird jedoch abgelehnt, wie eine Person unter dem Pseudonym “Krieg” im neonazistischen Fanzine Förderturm aus den sogenannten Freien Kameradschaften im Raum Duisburg darlegt: “Meiner Meinung nach ist eine Verschmelzung nicht möglich, da es einfach grundsätzliche Unterschiede gibt. Black Metaller können eine nationale Grundeinstellung besitzen, aber ein Black Metaller ist niemals sozial [...]. Black Metaller sind heidnische Krieger, Kämpfer in der Schlacht [...]. Ich denke, man hat ein brüderliches Kampfbündnis geschlossen, aber dabei sollte man es auch belassen. Wir kämpfen zusammen gegen dieselben Feinde und versuchen unser Volk zu retten. Wir müssen ja nicht gleich heiraten. Ein germanisches HEIL an unsere Kameraden in der WP-Szene (White Power-Szene, d. Verf.)”14 Bei “Krieg” handelt es sich übrigens um Thorsten Kunz aus Oberhausen, Mitglied der NS-Black-Metal-Band Wehrhammer, der im Mai 2000 bei einem Konzert in Koblenz einen Punk anschoss. Seine Meinung würde der Herausgeber des Black-Metal-Fanzines Seelenbluten wohl nur bedingt teilen. In der zweiten Ausgabe des Magazins schreibt er: “[I]ch begrüße den Holocaust genau wie jede andere Dezimierung der Menschheit sonst auch und es gibt eine Vielzahl von NS-Bands, die für mich von großer Bedeutung sind. Und dennoch hat sich der NS-Black-Metal zu einem Trend entwickelt, an dem ich nicht teilhaben möchte. Black Metal ist Hass, Gewalt, Verachtung, Intoleranz, Misantrophie, Verzweiflung, Individualität, Depression, Wut, Krieg, Freiheit und Zerstörung. Black Metal ist NICHT Politik [...]. Mittlerweile steigt die Zahl derer immer mehr, die den Kontakt zur Skinhead-Szene suchen und ‚gemeinsam‘ mit ‚unseren kurzhaarigen Kameraden‘ für die ‚Sache‘ und die ‚(nationale) Bewegung‘ eintreten wollen. [...] Die ‚Fußball, Bier und Randale‘-Mentalität der Skins ist deren Sache und sollte es auch bleiben. Die Lebensart der Skins und oftmals auch Fußball-Hooligans hat nicht das geringste mit Black Metal und ebenso wenig mit Heidentum zu tun.”15 So gibt es auch unter seinen Befürwortern unterschiedliche Bewertungen des NS-Black-Metal. Für die einen ist er vermeintlich “unpolitisch” und wird eher als Ausdruck einer “genuinen Black Metal-Ideologie” gesehen, während andere ihn als explizit politisches Mittel nutzen.
Fazit: die Gefahr des scheinbar Unpolitischen
Black Metal begeistert eine große Menge von Menschen. Die großen Mainstream-Bands des Black Metal wie die britischen Cradle Of Filth werden auf MTV gespielt; selbst Bravo berichtet über sie. Und die meisten Anhänger des Black Metal haben mit nationalsozialistischer Ideologie nichts am Hut.
Trotzdem gibt es in der breiten Szene eine gewisse Akzeptanz für Bands des NS-Black-Metal. Das liegt nicht zuletzt an der unkritischen Idealisierung heidnischer Ideen und dem Politikverständnis der Black-Metal-Fans. Als explizit politisch verstehen sie lediglich Parteipolitik, die rigoros abgelehnt wird. Extrem rechtes Gedankengut, Nazi-Symbolik oder faschistische Ästhetik werden oftmals als unpolitisch und nicht zur Musik gehörig abgetan, Musik mit rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Inhalten wird meist nur mit der rechten Skinhead-Szene assoziiert. Doch der Kreis der HörerInnen rechter Musik reicht schon weit darüber hinaus, auch in anderen Szenen kann neonazistisches Gedankengut verbreitet und rechtes Lebensgefühl gelebt werden. Die NS-Black-Metal-Szene ist eine davon.
Anmerkungen
1 vgl. Briegert, Pierre: “Kampfesbündnis”, in: Lotta 7, Herbst/Winter 2001, S.17f.
2 Textauszug aus “Black Metal”, auf: Venom: Black Metal, Neat/Roadrunner 1982.
3 Varg Vikernes in: Wendel, Kai: “Quo vadis Black Metal?”, in: Rock Hard 74/1993, S. 33.
4 „Widar“ in: Tronje, Hagen von: „Interview mit Bilskirnir“, in: RockNord 54/1999, S. 21.
5 vgl. Vikernes, Varg: ”Varg speaks on the change in the musical style of Burzum”, auf: http://www.burzum.com, Stand 25.02.2002.
6 Interview mit Bergthron, in: Szene-Almanach 1/1998, S. 24.
7 Peror, Magnus: “Interview mit Bergthron”, in: Ablaze 38, Nov./Dez. 2001, S. 71.
8 vgl. Sünner, Rüdiger: Schwarze Sonne. Entfesselung und Mißbrauch der Mythen im Nationalsozialismus und rechter Esoterik. Freiburg 1999, S. 132.
9 vgl. Kratz, Peter: Die Götter des New Age. Im Schnittpunkt von “Neuem Denken”, Faschismus und Romantik. 2. Aufl., Berlin 1995.
10 vgl. Schnurbein, Stefanie von: Göttertrost in Wendezeiten. Neugermanisches Heidentum zwischen New Age und Rechtsradikalismus. München 1993, S. 81-82.
11 Interview mit Donars Krieg, in: Into The Pentagramm Nr. 7, 1999, S. 10.
12 Interview mit Dies Ater, in: Blutvergießen 2/2000, S. 27.
13 vgl. „Das Legacy-Forum: Rechtsruck im Metal“, in: Legacy 10, 6/2000, S.42.
14 Interview mit Wehrhammer, in: Förderturm 2/20001, S. 43.
15 Fiend: “Ein paar Gedanken zum NS-Trend”, in: Seelenbluten 2/2001, S. 34.
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