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Unheilige Allianzen - Rechter Black Metal in NRW



Das Fanzine "Blutvergießen"

Es sollte ein “ganz normales” Black-Metal-Festival werden: Die Bands “Helrunar”, “Mor Dagor”, “Todtgelichter” und “Geist” spielten am 21. Januar 2006 im “Star Club” in Mülheim auf. Obwohl genannte Gruppen keineswegs dem so genannten NSBlackMetal zuzurechnen sind und sich vom Rechtsextremismus distanzieren, zeigten einige der Fans im Verlauf des Abends immer wieder den Hitlergruß und brüllten rechte Parolen.

 

Innerhalb der Black-Metal-Szene gehören rassistische, antisemitische und nationalistische Ideen inzwischen zum Alltag und verdichten sich in Strukturen, über die faschistische Ideologie als jugendkulturelles Erlebnisangebot verbreitet wird. Neben Regionen in Thüringen, Sachsen und Hessen hat sich auch in NRW ein extrem rechter Flügel der Szene etablieren können. Der folgende Artikel basiert auf einer Zusammenfassung aus dem Buch “Unheilige Allianzen. Black Metal zwischen Satanismus, Heidentum und Neonazismus”.

 

 

Die Ruhrpott-Connection

 

“Blutvergießen. Magazin und Vertrieb. Demos, EPs, CDs aus den Bereichen BM / DM / RAC und Hatecore! [...] Ich weise darauf hin, dass nicht alle von mir vertriebenen Bands zwangsläufig politische Ziele verfolgen bzw. nicht meine Art von Weltanschauung teilen, sondern einfach nur exzellente Vertreter des Untergrunds sind! Alles für den Untergrund!!! Alles für Deutschland!!!”, bewirbt der Versand “Blutvergießen” seine Produkte.

 

Schon drei Jahre nachdem “Cruor” (Heiko Urbanzyk) den Vertrieb aus der Taufe gehoben hatte, stellte er ihn resigniert wieder ein: “Ist es nicht so, dass nur ein kleiner Blutstropfen mit HIV ausreicht, um einen ganzen Körper zu verseuchen? Der Untergrund ist verseucht und daran trägt mehr, als ein kleiner Teil Schuld!”, resümierte er 2001 in einer von ihm verfassten dreiseitigen “notwendigen Stellungnahme [...] zur Lage des BMUntergrunds”.

 

In Rage gebracht hattten ihn nicht nur jene, für die Black Metal “nur” Musik und nicht Ideologie ist, sondern auch seine inaktiven Kameraden: “Wo seid Ihr tollen NSMetaller denn, wenn unsere Leute auf der Straße marschieren? Wo seid Ihr denn, wenn es darum geht, für einen guten, volkstreuen Zweck eine kleine Spende zu entbehren?” Ungeachtet dessen führte er sein Fanzine und das Label, die beide unter dem gleichen Namen,  "Blutvergießen”, firmieren, fort. Das Magazin, das 1998 mit lediglich 100 Exemplaren begonnen hatte, erscheint inzwischen regelmäßig zwei Mal im Jahr und findet mit einer Auflage von 800 Stück reißenden Absatz. Im Mittelpunkt stehen dabei Bands aus dem deutschen Black-Metal-Underground.

 

Bei der Erstellung des Heftes erhält “Cruor” reichlich Unterstützung. Die Gestaltung übernimmt beispielsweise “Mark Odium”, der zum neonazistischen Kameradschaftsmagazin “Der Förderturm” gehört. Neben Artikeln von Vasili Vasilopoulos, der seit 2002 sein eigenes Fanzine “Ancient Spirit Terror” herausgibt, steuern befreundete Szeneaktivisten Tonträgerbesprechungen bei, unter anderem “TyrRecVir” (Timo) von den Bands “Holocaustus” und “Flammentod” sowie “Lestahn” von “Deathgate Arkanum”, oder “Envimos” von “Obsidian”. Das “Blutvergießen” ist zum festen Bestandteil des Undergrounds im Ruhrgebiet und darüber hinaus geworden. Nicht nur kleinere Label wie “Solistitium Records” (Moormerland) schalten dort Werbeanzeigen, sondern auch “renommierte Unternehmen” wie “Perverted Taste”, die in der achten Ausgabe allen Lesern einen Rabatt von  10% versprachen.

 

Im Heft werben aber auch Firmen aus dem RechtsRock wie der V7- und TTV- Versand sowie extrem rechte Organisationen wie die “Unabhängigen Nachrichten” oder die “Gemeinschaft Deutscher Osten”. Die Verbindung Black Metal und Neonazismus hat im Ruhrgebiet beinahe schon so etwas wie eine Tradition. Aus Oberhausen stammte beispielsweise die 1992 gegründete Band “Coven of the Worm”. “Black Metal […] ist das Gift, das diese Welt krepieren lassen wird ... Wir tragen unseren Teil dazu bei”, erklärte Bandmitglied “Adonai Obscura” im Duisburger Fanzine “Leichenkuss” und stilisierte seine Gruppe neben “Absurd” und “Morke” zu einer der “absoluten Elite-Bands”. Während ihres Bestehens veröffentlichte sie drei Demos, die nun als eine Art Nachruf im vergangenen Jahr über das griechische Nazi-Label “Totenkopf Propaganda” auf CD erschienen. Zum Umfeld von “Coven of the Worm” gehörten die Bands “Waffen-SS” und “Swastika”.  Allerdings reichte ihr Bekanntheitsgrad kaum über den Underground des Ruhrgebietes hinaus.

 

Ebenfalls aus Oberhausen stammt “Wehrhammer”, die Ein-Mann-Band von “Krieg” (Thorsten Kunz). Im Underground macht “Krieg” seine brachiale und primitive Musik mit vorwiegend als CD-R veröffentlichten Demos bekannt, die kostenlos vertrieben werden. “Dieser Tonträger ist wieder einmal umsonst”, erklärt er auf der auf 88 Exemplare limitierten Album “Fleisch und Blut”, “da der Wehrhammer weiterhin nicht bereit ist sich den kommerziellen Ideologien anzuschliessen.” Den Inhalten der Lieder entsprechend charakterisiert Kunz seine Band in Interviews als “eine alles hassende Form der Kriegsmusik; [...] nur den erlesenen Kriegern gewidmet, die für die Zerstörung leben.” Dass dies nicht nur leere Worte sind, bewies er am 5. Mai 2001 auf einem Metal-Konzert in Mühlheim- Kärlich, wo er – nachdem er wegen dem Skandieren antisemitischer Parolen aufgefordert worden war, das Gelände zu verlassen – einen jungen Mann anschoss und lebensgefährlich verletzte (vgl. LOTTA Nr. 6, S. 17).

 

Der neonazistische Flügel des Black-Metal-Undergrounds solidarisierte sich mit “Krieg”. Sein Weggefährte “Brand” (Jens Schöpfe) veröffentlichte auf seinem Label “Torment Records” 2001 die Split- Single “Freiheit für Krieg”, auf der seine eigene Band “Armatus” und das Soloprojekt “Panzerfaust” von T. Wertz, dem Bassisten der Kasseler Band “Ewiges Reich”, vertreten waren.

 

“Envimos” (Dave Michalak) von der Band Obsidian (Waltrop) schien das Attentat hingegen eher zu amüsieren. “Ich find’s lustig”, erklärte er in einem Interview und fügte hinzu: “Ich kann mir auch vorstellen Menschen zu töten ohne durchzudrehen. […] Meine liebste Tötungsversion habe ich bereits im neuen Flagellation [Black-Metal-Fanzine aus Staufen, Anm. d. A.] erörtert. Hier die Kurzversion: Jemanden bei lebendigem Leib mit einem fetten Hammer kaputtschlagen!” Mit einer solchen misanthropischen Grundhaltung gehen Überzeugen, anderen überlegen zu sein, einher. Dieser Gestus einiger vermeintlich “auserlesener” Szene-Protagonisten war ebenso leitend bei der Gründung der “German Black Metal Horde” (G.B.M.H.). “Intention war und ist die Vereinigung elitärer Gruppen / Seelen, zur Erhaltung des Black Metal und seines wahren Geistes”, erläuterte “Envimos” gegenüber dem Fanzine “Dämmerung”. Zur G.B.M.H. gehört unter anderem auch “Deathgate Arkanum” aus Dortmund. “Ich sehne mich nach den alten Zeiten, da sie in mir ein völlig anderes Gefühl hervorgerufen haben als es mir heute beim BM wiederfährt. […] Damals war alles noch nicht so überlaufen”, kritisiert Frontmann “Lestahn” im “Blutvergießen” die seiner Ansicht nach ausufernde Black-Metal-Szene. Trotzdem mischt er selbst im Underground, der sich im Ruhrgebiet aus vielen untereinander stark vernetzter Bands konstituiert, fleißig mit. So gehört er beispielsweise noch zum Line-Up von " Mondschatten”, einem weiteren Projekt von “Envimos”, der darüber hinaus bei “Paria” und “Ignis Uranium” trommelt. Zu letzterer zählt auch “Chaos Xul”, der wiederum noch bei “Havoc Vulture” mitmischt.

 

Diese Aufreihung ließe sich noch fortsetzen. Trotz der weitestgehenden Akzeptanz gestandener Rechter wie “Cruor” werden die meisten Bands und Protagonisten nicht müde zu betonen, dass sie mit Politik nichts zu tun hätten. Die inhaltlichen Schnittmengen sind jedoch groß – insbesondere wenn es um die Themen Deutschland und Migration geht: “Was mich betrifft, so kann ich nur noch mit Abscheu ‘unser’ Land betrachten: Ein Land, in dem fremde Kulturen vorherrschend sind; ein Land, dem noch das kleinste Stück Identität im Zuge einer Vereinheitlichung genommen wird; ein Land, in dem die politischen Führungskräfte einzig fremden Interessen folgen! Es widert mich einfach an, tagtäglich als Fremder in diesen ach so tollen ‘interkulturellen’, pseudoliberalen Kolonien zu leben ... ich denke, hier im Ruhrgebiet ist das Problem noch ein wenig zentrierter als auf dem Land”, echauffiert sich “Lestahn” über die angebliche Bedrohung des “deutschen Volkes” und führt damit exemplarisch den vermeintlich unpolitischen Charakter von Bands wie “Deathgate Arkanum” ad absurdum.

 

Unterstützung aus Ost-Westfalen

 

Einer der steten Mitarbeiter am Fanzine “Blutvergießen” ist Cornelius Waldner aus Bielefeld. Auch er ist seit einigen Jahren in der Szene aktiv. 1995 gründete er die Band “Hailstorm”, die sich fünf Jahre später wieder auflöste. Einige Stücke, die ihm für “Hailstorm” zu ruhig erschienen, veröffentlichte er unter dem Namen “Sagittarius”. Bei der LP “Auf den Marmorklippen” erhielt Waldner musikalische Unterstütztung von Philipp Jonas, Gitarrist bei “Secrets of the Moon” (Osnabrück). Gemeinsam teilen sie die Begeisterung für Ernst Jünger, dessen Roman “Auf den Marmorklippen” den Titel für das Album lieferte. Der Schriftsteller gilt als einer der intellektuellen Wegbereiter des Nationalsozialismus.

 

Waldner scheut die Berührung mit  der altgedienten Rechten nicht. Er präsentierte sein Werk im März 2003 auf der Wasserburg Lüttighof in Gelsenkirchen im Rahmen des “3. VAWS-Festivals”, bei dem als Headliner die extrem rechten Bands “Days of the Trumpet Call” und “Von Thronstahl” auftraten. Hinter dem Kürzel des Veranstalters verbirgt sich der “Verlag und Agentur Werner Symanek” aus Oberhausen, der seit Jahren Bücher mit revisionistischen, antisemitischen und verschwörungstheoretischen Inhalten publiziert und vertreibt. Philipp Jonas ging an diesem Punkt auf Distanz zu Waldner, da er mit einem Label bzw. Veranstalter wie Symanek nichts zu tun haben wollte. Eindeutig aus dem neonazistischen Spektrum kommt die ost-westfälischen Band “Kältetod” von Jan-Peter Kerstin, die bisher eine Reihe Demo- Kassetten veröffentlichte. Die heidnisch orientierte Gruppe ist identisch mit der RechtsRock-Band “Bloodrevenge”.

 

Während “Bloodrevenge” sich mit Albentiteln wie “We defend our race” politisch eindeutig positionieren, agieren Kältetod etwas zurückhaltender. “Bei Kältetod ist der Vorteil, dass die Texte nicht unbedingt in eine politische Ecke gesteckt werden können und wir damit auch “normale” Leute für unsere Sache begeistern können, sofern sie nicht vollends abgeneigt sind”, erklärt Kerstin im Interview mit dem neonazistischen “Förderturm”. “Wenn man jedoch nur plumpe Parolen von sich geben kann, so erreicht man niemals andere Menschen.”

 

Aus Ostwestfalen stammt ebenfalls “Nord” (Christoph Ott) von der Band “Imperium Sacrum”, der für das “Blutvergießen” zwei Titelblätter zeichnete. Sein heidnischer Glaube ist zentraler Bestandteil seiner Musik: “Die Finsternis erfüllt die Hallen der Ewigkeit, voller Licht erblühen die Städte der Alten. Unsere Herzen schlagen wieder eins in der Brust, ein Ruf zum Kampf für Ehre und Blut! Die Bestimmung wird nie mehr verdrängt, verschwiegen, nie wieder!” singt er im Lied “Der Seelentraum der Alten”. “Nord” versteht sich als Teil des “germanischen Volkes”, das in seinen Vorstellungen bis heute eine unverbrüchliche Gemeinschaft darstellt, auch wenn vielen dieses heute nicht mehr bewusst sei. Der “germanische Glaube” ist seiner Ansicht nach für die Angehörigen dieses “Volkes” selbstverständlich, da er eine “natürliche”, der “Art” gerechte Glaubensrichtung sei. “Leider ist man im verbohrten und dekadenten Denken oft einfach nur blind und übersieht die Natürlichkeit des Wesens” wie er im Blutvergießen erzählt.

 

Im Gegensatz zu diesen völkischen und “lebensbejahenden” Texten stehen Bands wie “Zerstörer”. Gegründet wurde sie vom einstigen Sänger von “Hailstorm”, Sebastian Hanke aus Detmold. Passend zum Bandnamen zieren den Schriftzug zwei mittelalterliche Morgensterne sowie eine Eierhandgranate. Als musikalische Selbstbezeichnung nimmt man für sich in Anspruch “Panzer Metal” zu spielen. Die Begeisterung für Krieg und Zerstörung ist im Black Metal allgegenwärtig. In Nordrhein-Westfalen manifestierte sich dies bereits auf dem 1996 veröffentlichten Demo von Sturmtruppen aus Übach-Palenberg. Der Initiator der Ein-Mann-Band, J. Vangard M. v. Rimburg, kennzeichnete den Stil als “Historic German War Metal” und unterlegte die Lieder mit Samples aus Wochenschauen und Hitler-Reden. Er wies jedoch darauf hin, dass “Sturmtruppen” keine Nazi- Band sei. “Waffenweihe” aus Odenthal, deren Name bereits eine militaristische Ausrichtung anzeigt, ist indes wesentlich mehr satanischen Vorstellungen verpflichtet. Im Fanzine “Warcult” sieht sich der Bandleader als “germanischen Luziferianer” und sein “Blut als Wegbereiter zu meinem luziferianischen Kosmos”. Obwohl sie sich dagegen verwehren, rechts zu sein, veröffentlichten Waffenweihe im vergangenen Jahr eine Split-Single mit der schwedischen Band “Wod”, deren linksdrehendes Hakenkreuz samt Pentagramm in der Mitte ihres Schriftzuges bereits andeutet, wes Geistes Kind die Band ist. Unterstützung erhielt die Band bei ihrem 2001 veröffentlichtem Demo “Ein Sturm zieht auf...” von “Troll”, seines Zeichens Mitglied bei “Trollzorn” (Mohnheim). Gemeinsam mit “Peer” veröffentlichte er seit 1998 sechs Demo-Kassetten, bevor “Trollzorn” 2004 auf dem nazistischen Label “Christhunt Productions” (Leopoldshöhe) ihr Album “Deutsche Urgewalt” herausbrachten. Der Titel der LP ist dem ersten, gleichnamigen Song entlehnt. “Wir tragen die Fahne unseres Landes, schärfen die Axt für unser Reich [...] Wir ziehen einen Kreis um die wahre Bruderschaft, die uns noch geblieben ist, in dieser Zeit voller Macht und Gier”, singt “Peer” und stimmt damit in die im Underground allgegenwärtige Klage über den Verfall der Szene ein: “Wir sind die Elite ... Deutsche Urgewalt ... Freitod den Verrätern.” Zum Verräter wird dabei bereits, wer – wie es auf der Rückseite der LP heißt – die Platte bei “E-Bay” versteigert.

 

 

Von Hans-Peter Killguss und Christian Dornbusch

 

Quelle: Lotta #22 | Frühjahr 2006


Unheilige Allianzen

In den nächsten Tagen erschient in der Reihe antifaschistischer Texte (rat), das Buch "Unheilige Allianzen" (ISBN - 3-89771-817-0, ca. 16 Euro) von Christian Dornbusch und Hans-Peter Killguss. Einen  Auszug könnt ihr hier lesen.

 

Im Schatten des Black-Metal-Mainstreams hat sich eine Underground-Szene aus Bands, Fans und Magazinen entwickelt, die sich zwischen Satanismus, Heidentum und offener Glorifizierung des Nationalsozialismus bewegt. Die Anhänger eines sozialdarwinistisch geprägten Satanismus beanspruchen als selbsternannte ›Elite‹ ein ›Recht des Stärkeren‹ und propagieren die Vernichtung all dessen, was in ihren Augen schwach ist.

Um sich vom Christentum abzugrenzen, begeben sich andere Musiker auf die spirituelle Suche nach ihren ›eigenen‹ Wurzeln. Sie erheben das germanische Heidentum zur Heilsreligion, fordern ein Leben nach vermeintlichen Gesetzen der Natur und die Vertreibung derer, die nicht ihren Vorstellungen entsprechen. Obgleich von der Öffentlichkeit weniger beachtet, haben die extrem rechten Bands des Genres unter dem Label NS-Black-Metal den Schulterschluss mit ihren ›Brüdern im Geiste‹, den neonazistischen Skinheads, längst vollzogen.

Die Autoren recherchieren seit einigen Jahren in der Szene. Sie beschreiben die Entwicklungen des Black Metals und seiner Szene, analysieren die Motive des Genres sowie ihre Verknüpfung mit der Ideenwelt der extremen Rechten und benennen Bands und Akteure, die zum neonazistischen Untergrund in Deutschland und Europa gehören.

 

 

 

Wiedererwachen germanischer Werte?

 

von Johannes Lohmann

 

“Tod im Namen Satans” titelte der Stern Anfang des Jahres anlässlich der Verhandlung gegen das Ehepaar Daniel und Manuela Ruda, die wegen Mordes an einem Arbeitskollegen Daniel Rudas vor Gericht standen. Mit herausgestreckter Zunge und Teufelszeichen inszenierten sich die “Teufelsbraut und ihr perverser Ehemann” (Bild) als Befehlsempfänger Satans und bedienten damit die Medien, die sich dankbar auf die faszinierende Mischung aus Sex, Horror und Okkultismus stürzten. Mit symbolträchtigen 66 Messerstichen, Machetenhieben und Hammerschlägen war das Opfer von dem “Satanspärchen” aus Witten im Ruhrgebiet auf grausame Weise getötet worden. Neben der Leiche fanden sich Messer, Dolche, Totenschädelattrappen und andere satanistische Devotionalien – aber auch SS-Runen, Hakenkreuze und CDs neonazistischer Bands. Nicht verwunderlich, denn Daniel Ruda hatte gute Kontakte zur Nazi-Szene und zur NPD/JN.1

Bevor sie am 12. Juli 2001 in Jena gefasst wurden, hatten die Rudas auf ihrer Flucht auch Sondershausen in Thüringen angesteuert. Dort begaben sie sich (neben dem erfolglosen Versuch, eine Kirche anzuzünden) auf der Suche nach dem Grab von Sandro Beyer. Der war 1993 Opfer eines nicht weniger grausamen Mordes geworden, der als der “Satansmord von Sondershausen” breite mediale Aufmerksamkeit gefunden hatte. Sandro war von seinen Mitschülern Andreas Kirchner, Sebastian Schauseil und Hendrik Möbus, Mitglieder der Black Metal Band Absurd, erdrosselt worden. Möbus und die Band Absurd sind inzwischen schon fast zum Synonym für den deutschen “NS-Black Metal” geworden. Unter dieser Selbstbezeichnung artikuliert ein Teil der Black Metal-Szene gegenwärtig in aller Deutlichkeit neonazistisches Gedankengut.

Um aber die Rolle von Satanismus, dem von vielen Bands vertretene Neoheidentum und der rechte Ideologie in der Metal-Subkultur zu verstehen, bedarf es einiger differenzierter Betrachtungen.

Black Metal ist eine der extremsten Spielarten des Heavy Metal, stark geprägt von kreischenden Gitarren, äußerst schnellen, treibenden Rhythmen und einem Gesang, der zumeist eher als infernalisches Geschrei beschrieben werden kann. Neben derart brachial kakophonischen Ausformungen umfasst die Musikrichtung jedoch auch Bands, die auch auf spielerisches Können, Abwechslung und ruhigere, keyboardunterlegte Momente setzen.

Vielleicht wichtigstes Charakteristikum dieser Szene ist ihre inhaltliche Ausrichtung und Selbstinszenierung. Zum Standard-Repertoire gehören Fotos, auf denen die Musiker schwarz gekleidet und in “corpse paint” (wörtl. “Leichenbemalung”, dabei wird das Gesicht totenkopfähnlich geschminkt) finster in die Kamera blicken, genauso wie Texte, die “das Böse” zum Inhalt haben. So werden mitunter auch (Hard)rock-Bands wie Black Sabbath, die sich bereits auf ihrer 1973 erschienenen LP “Sabbath, bloody Sabbath” dem Thema Satanismus widmeten, zum Black Metal gezählt. Als Namensgeber des Genres fungiert jedoch die britische Band Venom mit ihrem 1982 veröffentlichten Album “Black Metal”, die mit aggressiver Musik, satanistischen Texten und entsprechendem Outfit den Stil kreierten. Aber wenn Venom sang: “[...] wir trinken das Erbrochene des Priesters, kopulieren mit der sterbenden Hure, wir saugen das Blut des Tieres und halten den Schlüssel zur Tür des Todes in der Hand”,2 so war das nicht sonderlich ernst gemeint. Der antichristliche Gestus entstand viel mehr aus dem Wunsch, die Öffentlichkeit zu schockieren, gedacht als Moment der Provokation.

Venom gehören mit Gruppen wie Hellhammer (später Celtic Frost) aus der Schweiz und den schwedischen Bathory zu den Pionieren des Black Metal. Doch bereits Ende der 80er schien die Erfolgsgeschichte ihres Stils einem raschen Ende entgegenzugehen ...

 

Varg Vikernes und die skandinavische Wiedergeburt des Black Metal

 

In Skandinavien erfuhr der schon tot geglaubte Black Metal eine Renaissance. Besonders in Norwegen entwickelte sich eine Szene mit enormer Wirkkraft. Die Protagonisten dieser “zweiten Generation” wollten die Musik bis ins Extremste steigern, noch härter, noch schneller, noch aggressiver. Analog dazu wurde auch auf inhaltlicher Ebene versucht, die Extreme auszureizen. Beispielhaft sei die aus Norwegen stammende Gruppe Immortal genannt, die auf ihrem 1993 veröffentlichten Album “Pure Holocaust” von Tod, Krieg und Zerstörung singen. “Holocaust” steht für einen allgemeinen misanthropischen Vernichtungsgedanken, der die Ablehnung menschlichen Zusammenlebens und die Glorifizierung des “absolut Bösen” ausdrückt. Im gleichen Kontext ist auch die Black Metal-Band Mayhem zu sehen, die auf dem Cover einer Platte ein Foto abbildete, auf dem Leichenberge aus dem Konzentrationslager Auschwitz zu sehen sind. Mit dem Aufgreifen all dessen, was als evil (böse) definiert wurde, wollte sich die Szene als absoluten Gegenpol zu einer christlich-humanistischen Gesellschaft und ihrem Wertekanon positionieren. Das implizierte die Ablehnung des “Guten” nach christlicher Definition, vor allem der Ideale der Nächstenliebe, der Gnade und der Vergebung. Mit der Integration satanistischer und nazistischer Elementen wollte man sich kompromisslos gegen die Gesellschaft und in musikalischer Hinsicht abseits des kommerziellen Mainstreams stellen. Derartige Ideen vertrat auch Christian (Varg) Vikernes, der für eine kurze Zeit Mitglied von Mayhem war, aber vor allem mit seinem Projekt Burzum bekannt wurde: “Menschliche Wesen sind wertlos und dumm. Sie sollten nicht denken, sie sollten einem Führer folgen. Ich unterstütze alle Diktaturen, Hitler, Stalin, Ceaucescu [...] und ich will selbst Diktator von Skandinavien werden. Ich bin Wikinger, man erwartet von uns, dass wir kämpfen. Make war, not love”3 , so Vikernes. Diese Aussage verdeutlicht noch einmal, dass dem Black Metal nicht immer eine gefestigte Ideologie im Hintergrund zugrunde lag.

Eine zentrale Rolle in der ganzen Entwicklung kam Oystein (Euronymous) Aarseth, Kopf der bereits erwähnten Band Mayhem, zu. Neben dem Label Deathlike Silence Prod. in Oslo war er auch im Besitz eines kleinen Plattenladens namens Helvete (Hölle), in dessem Umfeld der berühmt-berüchtigte “Black Circle” entstand, dem neben Mayhem und Burzum die norwegischen Black Metal-Bands Immortal und Emperor angehörten. Dem Black Circle wurden eine Vielzahl an Brandanschlägen auf Kirchen zugeschrieben, wodurch die “selbsternannte Führungsriege” der Black Metal-Szene in den Augen ihrer Anhänger enorm an Authenzität gewann, da der Kampf gegen das Christentum hier nicht nur in Worten, sondern auch in Taten betrieben wurde. Am Ende dieses Kampfes sahen sich etliche Protagonisten der Szene vor Gericht, angeklagt wegen Brandstiftung, Friedhofsschändung, unerlaubtem Besitz von Sprengstoff, Mord und Vergewaltigung. Vor allem der Mord an Oystein Aarseth 1993 durch seinen ehemaligen Weggefährten Varg Vikernes stellte ein einschneidendes Ereignis dar. Da die wahren Beweggründe dieser Tat nie geklärt wurden, umrankten sie rasch viele Spekulationen. Fest steht nur, dass Vikernes durch sie zum absoluten Kultstar avancierte. Für einen Teil der Szene wurde er zur Verkörperung der “wahren Ideale” des Black Metal – nicht zuletzt, weil beim Prozess gegen ihn bekannt wurde, dass er außerdem persönlich für eine Reihe von Kirchenbrandstiftungen verantwortlich zeichnete. Das Thema „Varg Vikernes“ spaltete die Szene. Während die einen, die von den Entwicklungen in Skandinavien Abstand nehmen wollten, ihn endgültig zum Verrückten oder Verräter erklärten, stellt Vikernes vor allem für den rechten Flügel der Black Metal-Szene bis heute eine Art Idol dar. “Die Kirchenbrände etc. haben den unbedingten Willen zur Tat gezeigt. Diese Tatsache stellt[e] ganz unbestritten das Hauptfaszinosum an dieser Musik und ihrer Bewegung dar”, so der unter dem Pseudonym „Widar“ auftretende Initiator der NS-Black-Metal-Band Bilskirnir aus Stockstadt in einem Interview mit dem Rechtsrock-Fanzine RockNord.4

 

Sonnenrad und Heimatscholle: Neoheidnische Wurzeln

 

Vikernes erhielt für seine Taten eine Haftstrafe von 21 Jahren. Seine plakativ nach außen gestellten Ansichten, die sich zuvor aus provokativ-satanistischen Ideen und Versatzstücken der nordischen Mythologie zusammengesetzt hatten, kristallisierten sich im Gefängnis zu einer klar nationalsozialistischen und antisemitischen Interpretation des Heidentums aus. Seine Gedanken sind heute nicht weniger versponnen. So phantasiert Vikernes von der Bedrohung des nordischen Menschen durch eine jüdische Weltverschwörung. Das änderte freilich nichts an der ungebrochenen Popularität der Band Burzum. Obwohl Vikernes selbst Black Metal inzwischen als “nicht-arische Negermusik” ablehnt5 und sich mehr “sphärischen Klängen” widmet, scheinen sich etliche Fans an diesen Ansichten nicht zu stören und drücken ihre musikalischen Vorlieben weiterhin beispielsweise durch das Tragen von Burzum-Shirts aus.

Es mag nur eine kleine Minderheit sein, die wie Vikernes den Nationalsozialismus und den Odinismus als Axiome ihrer politischen Einstellung sehen, doch die Bezugnahme auf die nordische Mythologie, wie sie sich etwa in der Edda findet, ist in der Black Metal-Szene heute fast allumfassend geworden. Accessoires wie der “Thorshammer” werden auch von Fans getragen, die sich ansonsten weder mit dem heidnischen Glauben beschäftigen noch rechtem Gedankengut anhängen. Die Songtexte erwecken dabei nicht selten den Eindruck, als seien sie dem übermäßigen Konsum von Fantasy-Romanen und Wikinger-Filmen entwachsen. Dennoch bildet das Heidentum für etliche Black Metal-Bands den Rahmen, um sich mit ihren vermeintlichen Wurzeln zu beschäftigen und darüber einen besonderen, “ursprünglichen” Bezug zu Heimat und “heimischer Scholle” zu konstruieren. “Unsere Heimat ist sehr wichtig für uns, da wir ja aus ihr entwachsen sind [...] und uns mit ihr durch unser Blut verbunden fühlen”,6 so z.B. die thüringische Gruppe Bergthron. Beim Heidentum handele es sich um den “alten Glauben unseres Volkes und damit auch den unsrigen.”7 Ganz diesem Glauben verschrieben hat sich auch die aus Thüringen stammende Band Menhir, die unter der Bezeichnung “Pagan-Metal” die gesamte Darstellung der Gruppe nach heidnischen Vorstellungen ausrichtet.

Die Mitglieder von Menhir lassen sich gerne in “altgermanischer Kleidung” ablichten, die Texte widmen sich meist mystischen Aspekten der vorchristlichen Geschichte ihrer Heimat, und das Album “Buchonia” ist mit seinen folkloristischen Klängen auch in musikalischer Hinsicht ganz den als direkten Vorfahren betrachteten Germanen gewidmet. “Treue bis in den Tod” schwören sie in dem Lied “Sonnenwende”, das dem Lichtgott Balder gewidmet ist. Die Sonnenwende bezieht sich auf den längsten Tag (Sommer) bzw. die längste Nacht (Winter), die einen Wechsel in der Tageslichtdauer einleiten. In den naturreligiösen Gesellschaften waren diese beiden Tage Festtage, an denen große Feuer entfacht wurden. Der Faszination für den Sonnenritus ist wohl auch ein auf der CD abgebildetes “Sonnenrad” geschuldet: ein Hakenkreuz, wie es unter anderem auf Schulwandbildern der SS auftauchte, um die Geschichte des Hakenkreuzes “in fünf Jahrtausenden”8 zu demonstrieren. Die Band betont fortwährend, dass Menhir “unpolitisch” sei. Doch die mystische Verklärung der Heimat in Songtexten (wie “Thuringia durch unser Blut und Stahl sollst du leben ...”), denen der Mief von Blut und Boden-Romantik anhaftet, ist sehr wohl eine Verortung in einem politischen Kontext. Auch wenn Menhir wie viele andere Black Metal-Bands, die heidnische Themen aufgreifen, nicht zwangsläufig zur extremen Rechten und auch nicht zum NS-Black-Metal gezählt werden können, so lassen sich doch gerade über das Heidentum Anknüpfungspunkte an rechte Ideologien ausmachen.

So steht bei ihnen nicht mehr die nihilistische “Zerstörung” des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Mittelpunkt, sondern sie nehmen einen positiven Bezug auf Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft allerdings, die nach direkt aus der Natur abgeleiteten Gesetzen funktioniert. Dabei wird übersehen, dass Vorstellungen von Natur und (vermeintlichen) Naturgesetzen gesellschaftlich konstituiert sind, geschichtlichen Wandlungen unterliegen und damit keineswegs die behauptete normative Eindeutigkeit besitzen.9 Mit dieser Herleitung einer “natürlichen Ordnung” werden zugleich angebliche natürliche Ungleichheiten und damit Hierarchisierungen von Menschen begründet. Die Gemeinschaft wird dabei als ein biologischer Organismus gesehen, die einzelnen Menschen unter dessen Interesse zusammengefasst. Das Wesen dieses übergeordneten Interesses bleibt jedoch unbestimmt und lässt sich nicht hinterfragen. Mit dem Begriff des “Naturwüchsigen” wird die gesellschaftliche Ordnung so dem Zugriff des Menschen entzogen. Die Mythologie – im Black Metal meist die nordische – spielt hier eine zentrale Rolle; über sie beansprucht der Organizismus als Weltanschauung angebliche Gültigkeit. Historische Authentizität spielt dabei keine Rolle. Idealisiert wird eine vorchristliche Zeit, in der der Mensch im Einklang mit den Göttern und einer beseelten Natur gelebt haben soll. Entscheidend ist das Gefühl, die eigenen Wurzeln in einer ursprünglichen Ideenwelt gefunden zu haben.10 Den Ausweg aus der Entfremdung und Zerrissenheit der Moderne, deren Grundsätze für die Black Metal-Anhänger durch das Christentum verbreitet wurden, suchen sie durch einen Rückgriff auf eine “eigene” und vermeintlich natürliche Religion zu überwinden.

 

“Wiedererwachen germanischer Werte”: NS-Black Metal in Deutschland

 

Der NS-Black-Metal ist – wenn auch organisatorisch eine kleine, relativ geschlossene Szene – ideologisch eng in diese heidnisch-germanische Gedankenwelt eingebunden. Das gemeinsame Feindbild, das sich als Konstante durch die Geschichte des Black Metals zieht, ist das christliche Weltbild und dessen normierende Wertvorstellungen. Im NS-Black-Metal ist dieser Hass auf das Christentum jedoch einer deutlichen antisemitischen Interpretation unterworfen. “Wir marschier’n in eine neue Zeit, die von Juden und Christen uns befreit [...]”, singt die aus Pirna (Sachsen) stammende NS-Black-Metal-Band Magog in ihrem Lied “Feuer der Dunkelheit”. Die neue Zeit kann in der Logik dieser Musikszene nur durch die Vernichtung des bestehenden “judeo-christlichen Systems” herbeigeführt werden. Die Bezeichnung “judeo-christliche” Religion betont die jüdischen Ursprünge des christlichen Glaubens. Daraus wird eine antisemitische Verschwörungstheorie konstruiert, der zufolge das Christentum eine jüdische Strategie zur Versklavung der Menschen sei, da sie das Starke unterdrücke und dagegen das Schwache glorifiziere. Durch die Christianisierung sei “das Volk” auf die Ideale von Mitleid und Nächstenliebe ausgerichtet worden. Nach den Deutungsmustern, die die NS-Black-Metal-Szene anbietet, wurden so Werte wie Mut, Ehre, Treue, Würde und Tapferkeit durch Unterwürfigkeit und Feigheit ersetzt. “Das Judeo-Christentum machte die arische Rasse schwach. Wir wollen für die arische Rasse und unser europäisches Erbe kämpfen”, 11 so die in einem für die Szene typischen Sprachduktus gehaltene Interpretation der belgischen NS-Black-Metal-Band Donars Krieg.

“Das europäische Erbe”, wie die heidnische Religion und die ihr zugeschriebenen Werte bezeichnet werden, habe jedoch nach der Vorstellung etlicher NS-Black-Metaller – sozusagen im Unterbewusstsein “des Ariers” weitergelebt. Damit stellen sie sich über die Verbindungslinie des Blutes in eine direkte Reihe mit den Germanen. Das Heidentum wird stets völkisch aufgeladen als eine „arteigene Religion der Nordeuropäer“ bzw. des “germanischen Volkes” bezeichnet. Lebensraum, Volksgemeinschaft und Heidentum werden als eine Einheit gedacht. Daraus ergibt sich der Ausschluss des Fremden aufgrund biologistischer Zuschreibungen. MigrantInnen und Flüchtlinge sind unerwünscht.

Das Konzept der “natürlichen Ordnung” zieht sich als Leitmotiv durch die Ideologie des NS-Black-Metal. Sozialdarwinistische Prinzipien, nach denen das Recht des Stärkeren auch das Töten des Schwächeren miteinbezieht, werden als “natürlicher Evolutionsprozess” legitimiert. So findet sich immer wieder ein positiver Bezug auf die NS-Rassenlehre, auf Euthanasie, eugenische Selektion und die Shoah. Die Vernichtung von Millionen von Juden und Jüdinnen wird als ein Auflehnen gegen die “judeo-christliche Religion” euphemisiert und wiederum in die Denkschemata vom “Recht des Stärkeren” eingeordnet. Der Nationalsozialismus geriert so zum “Wiedererwachen germanischer Werte.”

Fasziniert zeigen sich die Anhänger der NS-Black-Metal-Szene vor allem von der Germanentümmelei der SS. Die Eliteorganisation Heinrich Himmlers wollte mit pseudo-wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem “Deutschen Ahnenerbe” die “germanischen Wurzeln des arischen Herrenmenschen” erforschen. Über den schwarzen Orden der SS, der in ganz besonderer Weise für Mystik und Okkultismus im Nationalsozialismus steht, finden sich eine ganze Reihe von Artikeln in NS-Black-Metal-Fanzines. Während andere Szenen rechte Ideologie weitaus subtiler verbreiten, indem sie NS-Ästhetik von der politischen Aussage abzukoppeln versuchen und auf die vermeintliche Ambiguität faschistischer Symbolik verweisen, glorifiziert der NS-Black-Metal den Nationalsozialismus auf eine Weise, die nichts an Deutlichkeit entbehrt. “Unsere wahre Natur wird durch einen judaisierten Glauben unterdrückt. Der Nationalsozialismus ist die einzige Lösung, um die herrschenden fremden Einflüsse loszuwerden und unsere Rasse und Natur zu bewahren”, fasst der eingangs erwähnte Hendrik Möbus von Absurd die Ideologie des NS-Black-Metal zusammen.

 

Dunkler als schwarz: Der Fall Hendrik Möbus

 

Möbus wurde für den Mord an Sandro Beyer zu acht Jahren Jugendstrafe verurteilt. Nachdem er Anfang 1998 vorzeitig auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde, setzte er seine Aktivitäten in der Black-Metal-Szene umgehend fort. Die Band, von der es noch zu Beginn der Haftzeit ein paar wenige Veröffentlichungen gegeben hatte, wurde wiederbelebt und zusammen mit seinem Bruder Ronald gründete Hendrik Möbus das Plattenlabel mit anhängigem Musikversand Darker Than Black (DTB) mit Sitz in Erfurt. Da es fast ausschließlich NS-Black-Metal produzierte und vertrieb, wurde DTB binnen kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Label seiner Art im deutschsprachigen Raum. Der Erfolg konnte noch weiter ausgebaut werden, als DTB zum Sublabel des Hammerskin-Labels Hate Records von Mirko Hesse wurde. Hesse, der im Moment wegen Volksverhetzung im Gefängnis sitzt, betreibt darüber hinaus das ebenfalls in Neustadt (Sachsen) ansässige Label Hagal Records, welches unter anderem die neue CD der erwähnten Band Magog produzierte. Im Gegensatz zu etlichen anderen Gruppen des Genres, deren musikalische Qualität oftmals äußerst zweifelhaft ist und die allein aus diesem Grund von der breiten Masse der Heavy-Metal-Fans nicht angenommen werden würden, kann Magog es in spieltechnischen Standards durchaus mit anderen Black-Metal-Bands aufnehmen. Hagal Records sorgt zudem für einen professionellen Vertrieb. Das Label veröffentlichte auch das unter maßgeblicher Mitwirkung von Ronald Möbus entstandene neue Album von Absurd, “Werwolfsthron”.

DTB war eine Zeit lang auch die Kontaktadresse der sogenannten “Deutschen Heidnischen Front” (DHF). Die DHF ist die deutsche Sektion der von Varg Vikernes ins Leben gerufenen “Allgermanischen Heidnischen Front” (AHF). Unterstützung bezog er dabei von der neonazistischen norwegischen Organisation Zorn 88 (später: “Norwegische Nationalsozialistische Bewegung”). Die AHF propagiert eine “Rückkehr des nordischen Menschen zu seiner ursprünglichen ethnischen Religion”. Dieser Glaube an die nordischen Gottheiten beinhaltet für die AHF vor allem den “Respekt für Blut und Erbe” und ein “starkes Gefühl der Solidarität mit der eigenen Art”; sie propagiert eine ethnisch reine Gemeinschaft “auf der Basis der Prinzipien von Rasse und Natur.” Die AHF gliedert sich in etliche Ländersektionen, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Mitgliederzahl dieser sich als Elite verstehenden Organisation nur äußerst gering ist. Das gilt auch für die deutsche Sektion, unter der sich verschiedene regionale Gruppierungen im Rheinland, Thüringen, Sachsen, Baden, Bayern und Berlin-Brandenburg formiert haben. Abgesehen von regelmäßigen Things ist die DHF ansonsten wenig in der Öffentlichkeit präsent und wirkt vornehmlich über das Internet.

Das Label der Gebrüder Möbus, Darker Than Black, wurde im Oktober 1999 von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Verbreitung verbotenen Propagandamaterials durchsucht. Betroffen waren auch der Burznag-Versand von Stefan (Brandolf) Guber, der zusammen mit Ronald Möbus in der NS-Black-Metal-Band Heldentum spielt, sowie der in Borna (Sachen) ansässige Versand No Colours. Dieser nimmt in der Szene eine wichtige Scharnierfunktion ein, da er in (relativ) großem Stil sowohl Alben neonazistischer Gruppen (wie der polnischen Graveland) als auch die von Black-Metal-Bands mit vermeintlich “unpolitischem” Hintergrund vertreibt.

Die Razzia war jedoch nicht das erste Mal, dass Hendrik Möbus mit dem Gesetz in Konflikt kam. So wurde er wegen des Zeigens des Hitlergrußes auf einem Konzert im thüringischen Behringen und wegen der Verunglimpfung Verstorbener angeklagt (er hatte in einem Interview mit der Berliner Zeitung sein Mordopfer Sandro Beyer als “Untermenschen” bezeichnet). Das Amtsgericht Erfurt wiederrief die Haftaussetzung zur Bewährung. Daraufhin trat Hendrik Möbus die Flucht in die USA an, wo er bei William Pierce, dem Führer der neonazistischen National Alliance Unterschlupf fand. Pierce gilt als einer der Drahtzieher im Geschäft mit dem Rechtsrock. Er ist Inhaber des Nazi-Skinhead-Lables ResistanceRecords und inzwischen auch des von Vikernes gegründete Labels Cymophane. Möbus wurde jedoch schon bald von FBI-Fahndern gestellt und in Haft genommen. Das löste eine breite Solidaritätskampagne aus, an der sich auch deutsche Neonazis aus den sogenannten Freien Kameradschaften beteiligten. Möbus beantragte in den USA politisches Asyl, das ihm jedoch nicht gewährt wurde. Er wurde im Juli 2001 nach Deutschland abgeschoben, wo er heute seine Haftstrafe verbüßt und sich auf ein Fernstudium vorbereitet.

 

“Ein brüderliches Kampfbündnis”: Annäherung mit Abstand

Jenseits derart spektakulärer Fälle, die die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, existieren in Deutschland jedoch etliche weitere NS-Black-Metal-Bands. Ein Treffen der Szenegrößen sollte jüngst in Gestalt des Berzerk Festival im sächsischen Nenntmannsdorf auf dem Weinberg (bei Pirna) stattfinden, was jedoch durch Druck auf den Vermieter des Geländes (ein örtlicher Motorsportclub) verhindert werden konnte. Organisiert worden war das Festival von Denis Schoner, der mit Pesten Productions (Gera) NS-Black-Metal produziert und über den Donnerschlag Versand vertreibt. Angekündigt waren neben etlichen anderen die nazistischen Gruppen Totenburg (Thüringen), die bereits erwähnte Band Magog, T[he] T[rue] Frost um Sven Goldberg aus Salzgitter (Niedersachsen), aber auch Band Dies Ater aus Berlin, die zwar nicht im NS-Black-Metal verortet werden, deren öffentliche Äußerungen den Bestrebungen der Band, sich gegen den Vorwurf des Rechtsextremismus zu wehren, jedoch nicht gerade förderlich sind. In einem Interview mit dem neonazistischen Fanzine Blutvergießen von Heiko Urbanzyk aus Essen drohten sie, dass “Abschaum” wie “Techno-Affen und kriminelles Pack zur Not geräumt wird, wenn sie meinen, frech zu werden.”12 Dies Ater verabschiedete sich im selben Interview mit den Worten: “Heil an unsere Freunde aus dem Reich”. Wer diese Freunde sind, wird deutlich bei einem Blick in das Inlay der Mitte 2000 veröffentlichten CD “Through Weird Woods”, die problemlos auch bei größeren Handelsketten erworben werden kann. Dort werden neben Möbus’ Darker Than Black Records auch die NS-Black-Metal-Band Totenburg gegrüßt. Darüber hinaus wird im Black-Metal-Magazin Legacy berichtet, wie Dies Ater eine Coverversion des Songs “Jew Clan” der nicht minder umstrittenen Band Vilkates mit antisemitischen Äußerungen ankündigten.13

Trotz solcher offenen Ränder ist die NS-Black-Metal-Szene selber sehr klein. Nicht zuletzt durch den von ihr vertretenen Underground-Gestus werden die Auflagen der Platten oft stark limitiert und finden bis auf wenige Ausnahmen keine große Verbreitung. Das gilt auch für Fanzines aus dem Bereich. Thüringen und Sachsen, wo Black Metal allgemein sehr beliebt ist, bilden für die Strukturen des NS-Black-Metal eine Art Kristallisationspunkt. Aus diesen Bundesländern stammen beispielsweise auch Barad Dür (Erfurt), Nachtfalke und Holocaustus (Weimar). Mitglieder letztgenannter Band wirken bei der Skinhead-Formation 14 Nothelfer mit. Nicht verwunderlich, wurde doch NS-Black-Metal in letzter Zeit zunehmend auch von der rechten Skinhead-Szene rezipiert. Im RockNord, dem größten Rechtsrock-Magazin, erschienen regelmäßig Interviews mit Black-Metal-Bands; auch deren Leserschaft begrüßte das Zusammenwachsen von Skinhead- und Black-Metal-Szene. Etliche Beispiele sprechen dafür, dass eine Zusammenarbeit – wo gemeinsame Interessen und ideologische Schnittmengen bestehen – in Zukunft verstärkt vorkommen wird.

Ein völliges Verschmelzen wird jedoch abgelehnt, wie eine Person unter dem Pseudonym “Krieg” im neonazistischen Fanzine Förderturm aus den sogenannten Freien Kameradschaften im Raum Duisburg darlegt: “Meiner Meinung nach ist eine Verschmelzung nicht möglich, da es einfach grundsätzliche Unterschiede gibt. Black Metaller können eine nationale Grundeinstellung besitzen, aber ein Black Metaller ist niemals sozial [...]. Black Metaller sind heidnische Krieger, Kämpfer in der Schlacht [...]. Ich denke, man hat ein brüderliches Kampfbündnis geschlossen, aber dabei sollte man es auch belassen. Wir kämpfen zusammen gegen dieselben Feinde und versuchen unser Volk zu retten. Wir müssen ja nicht gleich heiraten. Ein germanisches HEIL an unsere Kameraden in der WP-Szene (White Power-Szene, d. Verf.)”14 Bei “Krieg” handelt es sich übrigens um Thorsten Kunz aus Oberhausen, Mitglied der NS-Black-Metal-Band Wehrhammer, der im Mai 2000 bei einem Konzert in Koblenz einen Punk anschoss. Seine Meinung würde der Herausgeber des Black-Metal-Fanzines Seelenbluten wohl nur bedingt teilen. In der zweiten Ausgabe des Magazins schreibt er: “[I]ch begrüße den Holocaust genau wie jede andere Dezimierung der Menschheit sonst auch und es gibt eine Vielzahl von NS-Bands, die für mich von großer Bedeutung sind. Und dennoch hat sich der NS-Black-Metal zu einem Trend entwickelt, an dem ich nicht teilhaben möchte. Black Metal ist Hass, Gewalt, Verachtung, Intoleranz, Misantrophie, Verzweiflung, Individualität, Depression, Wut, Krieg, Freiheit und Zerstörung. Black Metal ist NICHT Politik [...]. Mittlerweile steigt die Zahl derer immer mehr, die den Kontakt zur Skinhead-Szene suchen und ‚gemeinsam‘ mit ‚unseren kurzhaarigen Kameraden‘ für die ‚Sache‘ und die ‚(nationale) Bewegung‘ eintreten wollen. [...] Die ‚Fußball, Bier und Randale‘-Mentalität der Skins ist deren Sache und sollte es auch bleiben. Die Lebensart der Skins und oftmals auch Fußball-Hooligans hat nicht das geringste mit Black Metal und ebenso wenig mit Heidentum zu tun.”15 So gibt es auch unter seinen Befürwortern unterschiedliche Bewertungen des NS-Black-Metal. Für die einen ist er vermeintlich “unpolitisch” und wird eher als Ausdruck einer “genuinen Black Metal-Ideologie” gesehen, während andere ihn als explizit politisches Mittel nutzen.

 

Fazit: die Gefahr des scheinbar Unpolitischen

 

Black Metal begeistert eine große Menge von Menschen. Die großen Mainstream-Bands des Black Metal wie die britischen Cradle Of Filth werden auf MTV gespielt; selbst Bravo berichtet über sie. Und die meisten Anhänger des Black Metal haben mit nationalsozialistischer Ideologie nichts am Hut.

Trotzdem gibt es in der breiten Szene eine gewisse Akzeptanz für Bands des NS-Black-Metal. Das liegt nicht zuletzt an der unkritischen Idealisierung heidnischer Ideen und dem Politikverständnis der Black-Metal-Fans. Als explizit politisch verstehen sie lediglich Parteipolitik, die rigoros abgelehnt wird. Extrem rechtes Gedankengut, Nazi-Symbolik oder faschistische Ästhetik werden oftmals als unpolitisch und nicht zur Musik gehörig abgetan, Musik mit rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Inhalten wird meist nur mit der rechten Skinhead-Szene assoziiert. Doch der Kreis der HörerInnen rechter Musik reicht schon weit darüber hinaus, auch in anderen Szenen kann neonazistisches Gedankengut verbreitet und rechtes Lebensgefühl gelebt werden. Die NS-Black-Metal-Szene ist eine davon.

 

Anmerkungen

1 vgl. Briegert, Pierre: “Kampfesbündnis”, in: Lotta 7, Herbst/Winter 2001, S.17f.

2 Textauszug aus “Black Metal”, auf: Venom: Black Metal, Neat/Roadrunner 1982.

3 Varg Vikernes in: Wendel, Kai: “Quo vadis Black Metal?”, in: Rock Hard 74/1993, S. 33.

4 „Widar“ in: Tronje, Hagen von: „Interview mit Bilskirnir“, in: RockNord 54/1999, S. 21.

5 vgl. Vikernes, Varg: ”Varg speaks on the change in the musical style of Burzum”, auf: http://www.burzum.com, Stand 25.02.2002.

6 Interview mit Bergthron, in: Szene-Almanach 1/1998, S. 24.

7 Peror, Magnus: “Interview mit Bergthron”, in: Ablaze 38, Nov./Dez. 2001, S. 71.

8 vgl. Sünner, Rüdiger: Schwarze Sonne. Entfesselung und Mißbrauch der Mythen im Nationalsozialismus und rechter Esoterik. Freiburg 1999, S. 132.

9 vgl. Kratz, Peter: Die Götter des New Age. Im Schnittpunkt von “Neuem Denken”, Faschismus und Romantik. 2. Aufl., Berlin 1995.

10 vgl. Schnurbein, Stefanie von: Göttertrost in Wendezeiten. Neugermanisches Heidentum zwischen New Age und Rechtsradikalismus. München 1993, S. 81-82.

11 Interview mit Donars Krieg, in: Into The Pentagramm Nr. 7, 1999, S. 10.

12 Interview mit Dies Ater, in: Blutvergießen 2/2000, S. 27.

13 vgl. „Das Legacy-Forum: Rechtsruck im Metal“, in: Legacy 10, 6/2000, S.42.

14 Interview mit Wehrhammer, in: Förderturm 2/20001, S. 43.

15 Fiend: “Ein paar Gedanken zum NS-Trend”, in: Seelenbluten 2/2001, S. 34.

 

von Johannes Lohmann





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