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  Bavaria Film verdiente über Jahre an Schleichwerbung
"Marienhof" und andere Serien betroffen - ARD "höchst alarmiert"


Frankfurt a.M. (epd). Im Fernsehprogramm der ARD ist jahrelang illegale Schleichwerbung platziert worden. In der Serie "Marienhof" und in anderen ARD-Sendungen wurden nach epd-Recherchen zehn Jahre lang Werbeaussagen und Botschaften für Firmen und Interessenverbände versteckt. Demnach hatte es die ARD-Produktionsfirma Bavaria Film zwei Münchener Privatfirmen über Jahre erlaubt, Schleichwerbung für den "Marienhof" zu akquirieren. Die PR-Botschaften der zahlenden Kunden oder deren Markenzeichen wurden anschließend von der Bavaria in die Fernsehserie, teilweise sogar in Drehbuchdialoge eingebaut (vgl. Leitartikel in dieser Ausgabe und Bildgalerie).

Die Bavaria Film, die mehrheitlich öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (WDR, SWR und MDR) gehört, hat eingeräumt, dass sie an diesen Einnahmen beteiligt wurde: "Die Erlöse sind innerhalb der Bavaria im Rahmen von zusätzlichen Developments und Eigenproduktionen (z.B. Kinofilme) eingeflossen", erklärte Geschäftsführer Thilo Kleine. Wie hoch die Gesamtsumme war, könne er noch nicht sagen. Der Geschäftsführung sei es wichtig gewesen, zunächst "Maßnahmen zu ergreifen, die Placements in der Zukunft wirksam verhindern". Von den Praktiken im Detail habe er nichts gewusst, von den Produzenten sei er nicht informiert worden.

Honorarforderungen bis zu 175.000 Euro
Die Schleichwerbung wurde von der Münchner Unternehmensberatung H.+S. und ihrer Schwesterfirma "Kultur und Werbung" eingeworben. Im Rahmen verdeckter Recherchen verlangte H+S für zehn in die "Marienhof"-Serie integrierte Placements einen Paketpreis von 175.000 Euro. Nach dem Rundfunkstaatsvertrag ist insbesondere die Honorierung ein Indiz für den Tatbestand rechtswidriger Schleichwerbung.

Der Höhepunkt war im Frühsommer 2003 erreicht, als der Reisediscounter L'tur während zehn Wochen in 31 "Marienhof"-Episoden auffällig ins Bild gerückt und das Konzept des Last-minute-Buchens in so genannten "Verbal Placements" mehrfach wörtlich gelobt wurde.

Auch die Bavaria-Tochterfirma Saxonia in Leipzig beteiligte sich an den unerlaubten Nebengeschäften. In der ARD-Ärzteserie "In aller Freundschaft" ließ sie von 2002 bis 2003 in mindestens neun Fällen bezahlte Pharmawerbung unterbringen. Einem internen Papier zufolge wurden dafür von der Vermittlungsagentur bis zu 30.000 Euro pro Folge verlangt. Bavaria-Geschäftsführer Kleine hat auch diesen Vorgang eingeräumt.

Gesellschafter ordnen Sonderprüfung an
Die ARD reagierte "höchst alarmiert". Reinhard Grätz, Vorsitzender des WDR-Rundfunkrats und auch des Bavaria-Aufsichtsrats, betonte, das Kontrollgremium sei nicht eingeweiht gewesen. Die Gesellschafter der öffentlich-rechtlichen Produktionsfirma hätten eine sofortige Sonderprüfung angeordnet. Der Programmdirektor der ARD, Günter Struve, erklärte, der mit der Bavaria geschlossene "Marienhof"-Produktionsvertrag verbiete ausdrücklich jegliche Form von Product-Placement. Die Sanktionsmöglichkeiten des Auftraggebers im Falle eines Verstoßes gegen dieses Verbot seien weitreichend, "da es sich um einen Betrugstatbestand handeln könnte".

Auch die ARD-Werbung, die im Umfeld von "Marienhof" (montags bis freitags, 18.20 bis 18.50 Uhr) reguläre Spotwerbung verkauft, sieht sich hintergangen. Nebengeschäfte mit Product-Placement seien für den regulären Werbezeitenvermarkter geschäftsschädigend, sagte Geschäftsführer Achim Rohnke dem epd. Die ARD-Werbung gibt die Herstellung der Seifenoper seit 1992 bei der Bavaria Film in Auftrag. Für rund 250 Folgen pro Jahr überweist sie jährlich knapp 20 Millionen Euro nach München.

Die seit drei Jahren laufenden Recherchen des Fachdienstes "epd medien" mussten im Mai 2003 unterbrochen werden, nachdem die Firma H.+S. gerichtlich gegen den verantwortlichen epd-Redakteur vorgegangen war (vgl. weitere Meldung in dieser Ausgabe).  

lili


aus: epd medien 42/05 vom 1. Juni 2005

€: Die Ausgabe 42/05 steht zum Downloaden für 7,50 € bereit (über Firstgate).






 
 

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