Kyōkai: Des Sonnenursprung-Reiches Buch von Geistwundern sichtbar-gegenwärtiger Vergeltung des Guten und Bösen

日本國現報善悪霊異記
中巻

„Legenden aus der Frühzeit des japanischen Buddhismus“
(Nihon Ryōiki)

übersetzt von Hermann Bohner

II. Faszikel, Vorwort

Karten: Asuka/Kioto [428k; 831×1300px], Yamato-kuni [396k; 842×1328px]
Original S. 102

Kofukuji-Manuskript
Vorwort II. Band, beschädigtes Shinpuku-ji-Manuskript („Owari-Text“)
Vairocana
Vairocana (im Tōdaiji)

[Textlücke,1 diese wird von Nakamura wie folgt ergänzt:] After some loyal subjects burned the temple and threw away Buddha Images [I, 5 Anm.] and some built temples to spread the Buddhist teaching, ex-Emperor Shōhō-ōjin-shōmu [724-49] made a huge image of the Buddha for the first time. He established the eternal Buddhist tradition in this country, shaved his head, and wore a surplice. He was ordained and practiced good, ruling the people with justice. His compassion was extended to animals and plants, while his virtue was incomparable in history. On the throne he attained unity, had excellent fortune, and appeased all spirits, taking his stand on the three components of the universe2. Owing to this fortune and virtue, even insects flying in the sky brought grasses to thatch a temple, while ants running on the ground gathered golden sands to build a pagoda. Buddhist banners (法幢; hatahoko) were raised high with their fringes flying in all directions. The boat of Buddhism floated lightly on the water, and the shadow of the sails seemed to send wind into the sky. Flowers of good omen opened in rivalry here and there, and karmic retribution of good and evil was revealed in lights and shadows. This is why he was named ex-Emperor Shōhō-ōjin-shōmu, meaning Excellent-treasure-truth-corresponding-sacred-power.

[Textlücke] … zehntausend Qualen empfangen. Des Bösen Keime (in), wie Ringe am Zaume sich reihend, führen zum Ort der Qual; des Guten Werke, ihren Verbindungen (en) aufwärts folgend, führen zur Welt des Friedens. Tiefem Erbarmen zufolge umarmt (er) vor seinen Knieen den Tiger; ursprünglicher Liebe zufolge, läßt (er) auf dem Scheitel die Vögel3 nisten. Des Meng Tschang4 sieben Edle, des Lu gung (魯恭) dreifältig Anders sein (三異5) haben in Wahrheit diesen Sinn [kommen in Wahrheit daher].

Allein Kyōkai ist seiner Natur nach nicht weise noch gescheit; zu reden ist sein Mund nicht geschickt; der Geist stumpf und langsam wie ein bleiern6 Messer, der Zeichen Aneinanderreihen ohne Blumenschönheit7; die Auffassung ( „Natur“, „Gefühl“; kokoro) einfältig8 wie die (waren), welche die Kerbe ans Boot schnitzten9. Beim Verfassen der Sätze die Satzteile verwirrt; nicht reicht es dahin auf, Gutes in sich zu bergen. Unnütz hat er reines Papier verschmutzt, mündlich Überliefertes irrig verzeichnet. Rückblickend bleibt nur Scham; unwürdig fühlt er sich; das Gesicht glüht vor Scham, die Ohren fiebern. Möge, wer diese zusammengeraffte Schrift lieset, Scham vor dem Himmel, Scham vor den Menschen hegend, die Dinge ertragend10, Herr des Herzens werden und nicht das Herz zum Herrn werden lassen11. Möge er, solchem Verdienst und Wesen zufolge, der Segenskraft Schwingen ihm zur Seite zur Rechten, schweben dahin in weiten Lüften, der Erkenntnis Gnade und Leuchte ihm leuchtend zur Linken, emporsteigen zum Gipfel der Buddhaschaft, allenthalben den Wesen spendend, vereint (mit allen) Buddha's Wege vollendend.

諾樂右京藥師寺沙門景戒錄
Kyōkai. Mönch des in der rechten Häfte der Hauptstadt Nara gelegenen Yakushi-ji.

Anmerkungen:

1) Dies Vorwort, im Owari-Text fast ganz vernichtet, ist aus dem Koyatext ergänzt, welcher aber anfangs eine Lücke zeigt.
The first part of this preface is missing in the existing manuscripts. The opening paragraph in the NR (Nihon koten bungaku taikei, Tōkyō 1957-63, 100 Bde.) is taken from the Tōdaiji yōroku (II,2), which gives a quotation probably from this preface (see: Nagai Yoshinori; Nihon Bukkyō bungaku kenkyū; Tōkyō 1963, S 139-41)
Eine mögliche Volltext-Variante: 竊視歷代,自宣化天皇以往,隨外道憑卜者.自欽明天皇也後,敬三寶信正教.然或皇臣燒寺流佛像,或皇臣建寺弘佛法.之中,勝寶應真聖武太上天皇,尤造大佛,長紹法種,剃頭髮,著袈裟,受戒修善,以正治民.慈及動植
唯以是天皇代所錄善惡表多數者.由聖皇德顯世最多.漏事不顧,今隨所聞,且載且覆.搜惟於心,途易□□□□□□□□□□□□尤明□□□□□□□□□□□富□□之者鐵杖加身.好善之者,金珠裝鉢.譬如擯之向依,遷之避斥,加也損減,除也滿益.流頭食糠米明捨寶,許由繞耳,巢父引牛,豈異此意歟.還三界,如車輪.生迴六道,似萍移.此死彼生,具受萬苦.惡因連轡趍苦處,善業攀緣引安堺.賴賾慈而膝前懷贙,由生愛以頂上上棲羽.孟嘗之七善,魯恭之三異,蓋斯意之矣.然景戒稟性不聰,談口不利.神鈍遲同於鑞刀.連居字不華.情惷憨心,同於刻船.編造文亂句,不勝貪善之至.拙黷淨紙,謬注口傳.勝媿忝慮,顏酡耳熱.庶覯拾文者,愧天慙人,忍忘事,作心之師,莫心為師.籍此功德,右腋著福德之翮,而翔於沖虛之表.左脅燭智惠之炬,而登於佛性之頂,普施群生,共成佛道也.
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2) Das sind: Himmel, Menschheit und Erde.[ ▲ ]
3) Anspielung auf Erzählungen des Fa-yüan Dschulin (NJ 1482), welches das erstere von Tanguang, das letztere () Hsiän Lodji (Schopfhaarwirbel) erzählt. Letzterer ist der Ācārya Schang, welcher nach dem Dschïdulun (NJ 1169 [Shokyō yōshū X {Taishō, LIV, 100ab}]) so ruhig und atemlos in Meditation saß, daß die Vögel ihre Nester in seinem Schopfhaarwirbel bauten – daher sein Beiname. (Ācārya [ajari] ist der brahmanische Titel für einen Lehrer, der seine Schüler im rechten Wandel unterweist. Dieser wird als Ehrentitel von verschiedenen buddh. Schulen verwendet.) [ ▲ ]
4) Meng-ch'ang, Minister in Ch'i während der "warring states" (403-221 v.u.Z). Ursprung der „7 Edlen“ unbekannt. Vgl. Lü-shih ch'un ch'iu 12. Buch, 5. Kapitel i. dt. Übersetzung von Richard Wilhelm; Mayers Chinese Reader's Manual Pt. I No. 391 [ ▲ ]
5) Lu Kung (魯恭) war zur Zeit des Kaisers Dschang (章) Minister in Mou (中牟). Die „drei Wunder“: Sein Gebiet allein blieb von den Heuschrecken verschont [erster Unterschied]. Ein hoher Bote wird zu ihm gesandt, den Grund davon zu erforschen. Er geht mit Lugang durch die Felder. Ein Fasan spaziert ohne Furcht an jungen Burschen vorbei [2. Unterschied: Tiere ohne Furcht vor Menschen]. „Warum fangt ihr ihn nicht?“ ruft der Bote die Burschen. „Das Tier bekommt bald Junge“ sagen die Burschen, welche also (仁) Menschlichkeit und (心) Herz zeigen [3. Unterschied]. Vgl. Hou-Han shu XV Biographien. [ ▲ ]
6) So nach der Leseglosse. [ ▲ ]
7) 華 „Blume“ geschrieben, nach Glosse uruwashii (schön) gelesen. [ ▲ ]
8) shungo (oroka) die gewählten bezw. zitierten überaus schwierigen Zeichen erweisen gerade das Gegenteil. 情惷憨心,同於刻船 (Tatsächlich erwiesen sich die Original-Kanji als nicht darstellbar. Das zweite ist am ehesten noch durch das gleichlautende 愚 wiederzugeben. Das dritte hat im Manuskript 27 Striche und fand sich in keinem vorhandenen Standardlexikon.) [ ▲ ]
9) Lü-shih ch'un ch'iu (Ch'a chin). Ein Mann aus Ch'u ließ bei einer Flußüberquerung ein Schwert ins Wasser fallen. Er markierte die Stelle des Bootes, an der das Schwert ins Wasser gefallen war, mit einer Kerbe, um es später wieder finden zu können. Eine aus den Schildbürgerschwänken des Mittelalters wohlvertraute Geschichte des Liädse. [ ▲ ]
10) Im Sinne „bonno o saru“ „vom Wirrsal des Sinnlich-Seelischen sich freimachen und freihalten.“ Text nicht ganz sicher, (J: 忘) eventuell könnte (mit substituiertem - 辱 - Zeichen) das dritte (Ausdauer, Geduld, Standhaftigkeit) der sechs pāramitas gemeint sein. [ ▲ ]
11) Zitat aus dem Nehan-kyō (涅槃經). Ein Bodhisattva wird in den Schriften oft mit einem Vogel verglichen. [ ▲ ]

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Diese Webseite basiert auf der Ausgabe der Zeitschrift „OAG Mitteilungen“ „Legenden aus der Frühzeit des japanischen Buddhismus“
(Nihon Ryōiki) übersetzt, eingeleitet und erläutert von Dr. Hermann Bohner. Herausgegeben von der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens unter Beteiligung der Ōsaka Tōyōgakkai; Tōkyō 1934

Der Originaltext wurde zum Ende der Nara-Zeit von Kyōkai/Keikai (景戒 ) aufgezeichnet und ist heutzutage allgemein als „Nihon Ryōiki“ (日本霊異記) bekannt.

►  Bio-Bibliographie Hermann Bohners (1884-1963)
►  Sōtei Akaji: „Zen-Worte im Tee-Raume“

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