Leitlinien von BVA und DOG
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA)
Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft e.V. (DOG)
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Leitlinie Nr. 25
Hereditäre Netzhaut-, Aderhaut- oder Sehbahn-Erkrankungen
Leitlinien sind Orientierungshilfen im Sinne von "Handlungs- und
Entscheidungskorridoren", von denen in begründeten Fällen abgewichen
werden kann oder sogar muss. Sie beschreiben, was Augenärzte für
eine angemessene Patientenversorgung in der Praxis für geboten halten.
Dies entspricht in vielen Fällen nicht dem Leistungsniveau der
gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland (siehe
Präambel).
Definition
Vererbbare stationäre oder progressive Erkrankungen der Netzhaut, Aderhaut
oder Sehbahn
Hierzu zählen:
- als Netzhaut-/Aderhauterkrankungen:
- periphere, vorwiegend die Stäbchen betreffende tapetoretinale
Degenerationen (z.B. Retinitis pigmentosa)
- Aderhautdystrophien (z.B. Chorioideremie)
- zentrale, vorwiegend die Zapfen betreffende tapetoretinale
Degenerationen (z.B. Makuladystrophien)
- Stoffwechselerkrankungen (z.B. Refsum-Syndrom,
Abetalipoproteinämie, Atrophia gyrata)
- vitreoretinale Degenerationen (z.B. x-chromosomale Retinoschisis,
Wagner-Syndrom)
- congenitale stationäre Nachtblindheit
- Stäbchen- und Zapfenmonochromasien
- als Sehbahnerkrankungen:
- Lebersche hereditäre Optikusatrophie
- andere Optikusatrophien
Ein Verdacht auf diese Erkrankungen kann entstehen bei unklarer
Visusminderung, unklaren Gesichtsfeldausfällen, Farbsinnstörungen,
Blendungsempfindlichkeit, Nachtsehstörungen, Nystagmus oder
verdächtigen morphologischen Veränderungen der Netzhaut, Aderhaut
oder Papille. Diese Erkrankungen führen häufig zu erheblichen
Beeinträchtigungen der Berufstätigkeit und im privaten Leben.
Epidemiologie
- Die Prävalenz beträgt ca. 1 / 5.000 für alle
hereditären Netzhaut-/Aderhauterkrankungen und 1 / 100.000 für
alle hereditären Sehbahnerkrankungen.
- Beide Erkrankungsgruppen sind zusammen Grund für ca. 15 % aller
Blindengeldbezieher.
Ziel
- frühzeitige Erkennung und, soweit möglich, Behandlung
- Ausschluß einer Phänokopie (z.B. Lues)
- Unterscheidung von stationären und progressiven Formen
familiäre Bedeutung
- ausführliche Beratung hinsichtlich der Einstellung auf die
veränderte Lebenssituation einschließlich optischer
Rehabilitation, soweit möglich
Vorgehen
Notwendig:
- Anamnese (ggf. Fremdanamnese)
- Beeinträchtigung des Sehvermögens ?
- Beginn/Veränderung der Beschwerden ?
- Familienanamnese
- Allgemeinanamnese (z.B. Hörstörungen, Riechstörungen,
neurologische Störungen, Stoffwechselerkrankungen,
Medikamenteneinnahme, Infektionen)
- Sehschärfenbestimmung, ggf. mit bekannter Korrektur (falls
erforderlich Ausmessen vorhandener Sehhilfen)
- Spaltlampenuntersuchung der vorderen und mittleren Augenabschnitte
- Untersuchung des zentralen Augenhintergrundes (möglichst binokular)
- Dokumentation
- Befundbesprechung und Beratung im Hinblick auf die Krankheit, ihre
Prognose, deren Einfluß auf die private und berufliche Situation
sowie auf das Vererbungsrisiko
Im Einzelfall erforderlich:
bei begründetem Verdacht zur Sicherung der Diagnose obligat und im
weiteren Verlauf je nach Situation:
- weitere Untersuchungen der altersentsprechenden Basisdiagnostik (z.B.
bei durch den Lokalbefund nicht zu erklärender Visusminderung oder
bei Patienten, die sich erstmals oder nach einem Intervall von über
einem Jahr nach der letzten augenärztlichen Basisdiagnostik
vorstellen, siehe Leitlinien Nr. 2 - 4)
- Untersuchung des gesamten Augenhintergrundes (möglichst binokular)
- Perimetrie (nach Möglichkeit kinetisch)
- Untersuchung des Farbsinns einschließlich Blausinn (z.B.
Velhagentafeln, Panel D 15)
- Blitz-ERG (1) (bei Verdacht auf Netzhaut-/Aderhauterkrankung)
- EOG (1) (bei Verdacht auf Morbus Best)
- Muster-VEP (1) (bei Verdacht auf Sehbahnerkrankung)
Im Einzelfall zusätzlich erforderlich:
- Fluoreszeinangiographie
- statische Schwellenperimetrie
- weitere psychophysische Untersuchungen (z.B. Dunkeladaptation,
Farbperimetrie)
- weitere elektrophysiologische Untersuchungen (Muster-ERG (1),
multifokales ERG (1))
- serologische Untersuchungen zur Abgrenzung erworbener entzündlicher
Erkrankungen (z.B. Lues)
- bildgebende Verfahren (CT, MRT)
- Untersuchung von Familienangehörigen
- weiterführende Diagnostik in Abstimmung mit zuständigem
Facharzt (z.B. Neurologe, HNO-Arzt, Pädaudiologe) und/oder
Hausarzt/Kinderarzt
- Überweisung zur molekulargenetischen Untersuchung und genetischen
Beratung durch einen Humangenetiker
Therapie
- Diät bei den dadurch günstig beeinflußbaren Erkrankungen
(Refsum-Syndrom, Abetalipoproteinämie, Atrophia gyrata)
- Alkohol-/Nikotinverzicht (bei Leberscher hereditärer
Optikusatrophie)
- ggf. Vitamin A-Therapie bei Retinitis pigmentosa
- ggf. optische Rehabilitation
- ggf. vergrößernde Sehhilfen, elektronische
Vorlesegeräte oder Computer mit Sprachausgabe (siehe
Leitlinie Nr. 7)
- Kantenfiltergläser
- Kataraktoperation
- ggf. Blindentraining (Blindenschrift, Mobilitätstraining), ggf.
Frühförderung
- Hinweis auf soziale Hilfen (siehe
Leitlinie Nr. 7)
- Hinweis auf Selbsthilfegruppen (z.B. Pro Retina e.V. (2))
Ambulant/Stationär
- Diagnostik und Therapie in der Regel ambulant
- multidisziplinäre Abklärung seltener Syndrome ggf.
stationär
- Einstellung auf spezielle Diät ggf. stationär
- Katarakt-Operation ambulant oder stationär (siehe
Leitlinie Nr. 19)
Kontrollintervalle
- abhängig vom Erstbefund und der Progression individuell zu
handhaben
(1)
entsprechend den Empfehlungen der DOG zur Elektrophysiologie,
Ophthalmologe (1997) 94: 853-862
(2)
Pro Retina Deutschland e.V.
(früher: Deutsche Retinitis Pigmentosa Vereinigung DRPV)
Vaalserstr. 108
52074 Aachen
Tel (0241) 870018
Fax (0241) 873961
eMail Pro-Retina@t-online.de
Internet www.gsi.de/~schuell/drpv.html
© 1998 BVA, alle Rechte vorbehalten
Zum Verständnis der Leitlinie: siehe Präambel
Letzte Durchsicht und Aktualisierung: 20.12.1998
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