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Wenn Arbeit zur Sucht führt
Sozialwissenschaftler untersuchten Zusammenhang zwischen Gratifikation und
Stresstrinken
Der Chef macht mal wieder Druck, die Sekretärin fühlt sich überfordert -
Entspannung tut Not. Dass der Griff zur Flasche oder in den Medikamentenschrank auch durch
beruflichen Stress ausgelöst werden kann, ist inzwischen eine allgemein akzeptierte These. Doch
wie die Zusammenhänge tatsächlich sind, ist bisher kaum erforscht worden. Die
Ob Alkohol, Tabletten oder Tabak - für viele sind sie Trost, wenn der
Druck bei der Arbeit zu groß wird.
Foto: Anton Guekov |
Forschungsstelle "Arbeit und Gesundheit" unter der Leitung des Soziologen Prof. Hanns Wienold hat
in empirischen Untersuchungen einen Ansatz aus der Herz-Kreislauf-Forschung auf die Suchtforschung
übertragen. Das Bundesforschungsministerium stellte dafür 1,5 Millionen Mark zur
Verfügung.
"Bisher wurde vor allem der Zusammenhang zwischen Arbeit und körperlichen Erkrankungen
untersucht, psychosomatische Erkrankungen standen eher im Hintergrund", erläutert Dr. Wichard
Puls, Mitarbeiter der Forschungsstelle. Und jene Studien, die einen möglichen Zusammenhang
zwischen Arbeitslosigkeit und einem riskanten Alkoholkonsum beleuchteten, führten zu
widersprüchlichen Ergebnissen.
Zentrale These des münsterschen Forschungsteams ist die Annahme des Düsseldorfer
Medizinsoziologen Prof. Johannes Siegrist, dass sogenannte Gratifikationskrisen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorgerufen können. Das bedeutet, dass eine gesundheitliche
Gefährdung bei zu wenig Anerkennung - sei es in materieller oder immaterieller Form - in
Verbindung mit zu hoher Arbeitsbelastung eintreten kann. Dieser Eindruck ist zwar subjektiv,
lässt sich aber an Hand objektiver Kriterien nachweisen. Die Gratifikationskrise wird besonders
groß, wenn ein Arbeitnehmer beispielsweise durch die Probleme seines Betriebes in Existenznot
gerät. In zwei Befragungen unter Arbeitslosen und Arbeitnehmern in der Metallindustrie
ermittelten die Sozialwissenschaftler den Gratifikationskrisen-Index und setzten ihn in Verbindung mit
den Wirkungserwartungen, die an Alkohol gerichtet sind. Eindeutiges Ergebnis der Studien:
Gratifikationskrisen erhöhen das Suchtrisiko. Allerdings nur das Risiko, denn Alkoholmissbrauch
ist noch von anderen Faktoren abhängig. Einer von ihnen ist zum Beispiel fehlendes
Selbstvertrauen und mangelnde soziale Kompetenzen. Besonders gefährdet sind Menschen mit
ausgeprägten Kontrollambitionen, die nicht aufgeben, bevor nicht alle Möglichkeiten
ausgeschöpft sind und sich so selbst unter Druck setzen.
Ein wichtiger Teil der Arbeit liegt in der Prävention. "Wir wollen das Risiko aufzeigen und
darauf hinwirken, dass Stressbewältigungsprogramme eingesetzt werden", erklärt Puls. Ein
von den Düsseldorfern entwickeltes Programm wurde um Elemente zur Sucht erweitert. Doch die
Bereitschaft zur Teilnahme ist erstaunlich gering. Puls vermutet: "Menschen mit hohen
Stressbelastungen haben keine Zeit."
BN
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