"Die von der SPD geforderten Regulierungen verhindern die Bereitstellung notwendiger und gewünschter Praktikantenstellen", sagte der Vizepräsident der Bundesvereinigung Arbeitgeberverbände (BDA), Gerhard F. Braun. Die Forderung nach "zwingender Vergütung bedeutet das Aus beidseitig gewünschter Praktika".
BDA und SPD, die bereits beim Mindestlohn einen erbitterten Streit ausfechten, starten damit eine weitere Auseinandersetzung. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hatte am Dienstag angekündigt, dass er durch eine gesetzliche Klarstellung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) künftig Missbrauch bei Praktika von Berufsanfängern verhindern will.
Dafür will Scholz den Paragraf 612 des BGB, der bislang die Vergütung von Dienstleistungen grundsätzlich regelt, ergänzen. "Wir werden dort eine Klarstellung vornehmen. Damit gibt es die Chance, dass sich mehr Arbeitgeber daran halten", sagte Scholz. Zwar verpflichte bereits das Berufsbildungsgesetz zu einer Vergütung, aber "es gibt Gesetze, die haben sich noch nicht herumgesprochen". Vorschriften über die Höhe der Bezahlung wolle er dagegen nicht machen. "Der Staat sollte sich hier heraushalten. Wir wollen keine Vergütungstabelle." Zusätzlich will Scholz schriftliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Praktikanten vorschreiben, um so Praktika als Lernzeit von normalen Arbeitsverhältnissen abzugrenzen. Eine Befristung lehnt der Minister dagegen ab.
Hintergrund für Scholz' Vorstoß ist eine neue Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), die noch der frühere Minister Franz Müntefering in Auftrag gegeben hatte. Nach Telefonbefragungen von über 2000 jungen Berufsanfängern erhielten danach 51 Prozent der Befragten ihr freiwilliges Praktikum gar nicht vergütet, zwölf Prozent hielten die Bezahlung für unangemessen und nur 37 Prozent waren zufrieden. Grundsätzlich zeige sich, dass Praktika sinnvoll seien, sagte Scholz. Die fehlende Bezahlung sei aber ein Problem.
BDA-Vize Braun, der auch Vorsitzender des gemeinsamen Bildungsausschusses von BDA und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist, nannte die geplanten neuen Vorschriften "unsinnig": "In vielen Fällen ist die Anstellung von Praktikanten eine Investition in deren Beschäftigungsfähigkeit, die gerade für die Unternehmen im Einzelfall mit einem hohen zeitlichen Aufwand und damit auch Kosten verbunden ist", sagte er. Praktikanten dürften nicht als "billige Ersatzarbeitskräfte" ausgenutzt werden, Vergütung und Eckdaten für Praktika müssten aber "immer unternehmensbezogen entschieden werden".
Dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) geht der Vorstoß von Scholz, der auch von der SPD-Fraktion getragen wird, dagegen nicht weit genug. "An der gesetzlichen Grundlage ändert sich nichts. Schon heute soll ein Praktikum ein 'Lernverhältnis' und die Vergütung 'angemessen' sein. Wir wissen, dass sich viele Unternehmen darum keinen Deut scheren", sagte DGB-Vize Ingrid Sehrbrock. Der DGB forderte Scholz deshalb auf, Praktika generell auf drei Monate zu begrenzen. "Fast zwei Millionen junge Menschen fangen nach Studium oder Ausbildung noch mal ganz von vorne an - als Praktikant", so Sehrbrock.
Aus der FTD vom 19.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa
FTD-Services
Streit am Arbeitsplatz, mit Vermieter oder Finanzamt? Aktuelle Urteile aus vielen Rechtsgebieten kostenlos in dieser Datenbank. mehr |
Nachrichten
Finanzminister Steinbrück und Kanzlerin Merkel warnen vor Hysterie - auf Kosten der Glaubwürdigkeit. mehr
Familienministerin Ursula von der Leyen will gewerbliche Kitabetreiber mit gemeinnützigen gleichstellen. mehr
Kurz nach Verabschiedung der Pflegereform zeigen Daten, wie dringend die Politik reagieren muss. mehr
Die Telekomkonzerne dürfen die Verbindungen nur noch bei schweren Straftaten an die Ermittler weitergeben. mehr
Trotz einer Mehrheit im Parlament gegen sich ist Roland Koch nicht machtlos. mehr
Ein Unbekannter hat dem baden-württembergischen Fiskus Datensätze über 30.000 Schweizer Bankkonten angeboten. mehr
Die Mehrheit der Länder schreibt im laufenden Jahr schwarze Zahlen. mehr
Die Forderung nach einem Staatseingriff entzweit die Experten. mehr
Nach Deutsche-Bank-Chef Ackermann findet auch der Finanzminister drastische Worte für das Subprime-Desaster. mehr
Nichts soll den Wohlfühlwahlkampf 2009 stören. mehr
Weshalb der US-Milliardär und Großinvestor Ronald S. Lauder an Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit verzweifelt. mehr
Wenig besser sehen die Umfragewerte von SPD-Chef Kurt Beck aus - auch innerhalb seiner Partei. mehr
Print-Archiv
Alle Ausgaben
der FTD
Print-Ausgabe
Zeitung zum
Herunterladen
FTD-
Sonderbeilagen
Trends und Themen
gebündelt
brainGuide
Top-Experten und
ihr Wissen
kostenfrei finden
Wirtschafts-
archiv: zentraler
Zugriff auf vier
Quellen
Bookmarken bei ...