Exklusiv Deutschland lehnt türkische Schulen ab

von Henning Jess (Berlin)

Politiker von SPD und CDU haben die Vorschläge des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan abgelehnt, türkische Schulen und Gymnasien in Deutschland aufzubauen. Erdogan hatte dies nach einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und in einer Diskussionsrunde mit Berliner Jugendlichen vorgeschlagen.

ZUM THEMA

"In Deutschland sollten Gymnasien gegründet werden können, die in türkischer Sprache unterrichten, und die Bundesregierung sollte darin kein Problem sehen", sagte er. Erdogan kündigte an, dass in Istanbul eine deutsche Universität gegründet werden solle. Im Gegenzug könne in Deutschland eine türkische Universität etabliert werden.

Deutsche Politiker sehen in dem Vorschlag des türkischen Ministerpräsidenten aber ein Problem für die Integration der türkischen Jugendlichen. So sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) im RBB-Inforadio, die türkischen Einwanderer sollten "sich nicht in die eigene türkische Welt zurückziehen, sondern dafür sorgen, dass sie selbst und ihre Kinder die deutsche Sprache lernen".

Noch deutlicher wurde der CSU-Vorsitzende Erwin Huber. Er bezeichnete die Vorschläge Erdogans in der "Bild am Sonntag" als "Gift für die Integration". Rein türkischsprachige Bildungseinrichtungen würden zur Gettobildung führen, die Folge wäre eine Kleintürkei in Deutschland, sagte Huber. Der Kritik der Union schloss sich auch die SPD an. "Ich will nicht, dass die Kinder körperlich hier sind und geistig und seelisch in der Türkei", sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün der "Frankfurter Rundschau".

Grüne gegen "Export türkischer Institutionen"

Der türkische Ministerpräsident Erdogan will türkische Schulen in Deutschland
 Der türkische Ministerpräsident Erdogan will türkische Schulen in Deutschland

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, hat Erdogan aufgefordert, seine Vorschläge zu konkretisieren. "Wenn Erdogan uns türkische Lehrer anbietet, dann kann das ein Gewinn sein", sagte Beck der FTD. Voraussetzung sei aber, dass diese Lehrer ein exzellentes Deutsch sprechen. So könne mit einem zweisprachigen Konzept versucht werden, türkischstämmigen Kindern in Deutschland Deutsch und Türkisch beizubringen. "Ziel muss die Zweisprachigkeit sein", sagt er. Einen Export türkischer Institutionen nach Deutschland lehnte er ab: "Dies würde ein Mehr an Segregation, also an Trennung zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen, bedeuten. Das wollen wir nicht", sagte Beck.

Nach Ansicht Becks waren Erdogans Aussagen auch "vielmehr an Istanbul und Ankara gerichtet und keine Strategie für die Türken in Deutschland". Der Ministerpräsident habe es in der Türkei mit einer innenpolitischen Krise zu tun. In solchen Krisen sei es ein probates Mittel in der Türkei, mit derartigen Forderungen die nationale Identität zu stärken.

Erdogan will Vollmitgliedschaft in der EU

Einer der neun Särge wird nach einer Trauerfeier vor dem ausgebrannten Haus in Ludwigshafen weggetragen
 Einer der neun Särge wird nach einer Trauerfeier vor dem ausgebrannten Haus in Ludwigshafen weggetragen

Erdogan setzte am Sonntag seinen Besuch in Deutschland fort. Vor rund 16.000 meist türkischstämmigen Besuchern in der Kölnarena forderte er erneut eine schnelle Aufklärung der Brandkatastrophe von Ludwigshafen. Außerdem rief der Politiker seine Landsleute dazu auf, die deutsche Sprache zu erlernen und die eigenen Integrationsbemühungen zu verstärken. Die Rede hielt Erdogan allerdings selbst auf Türkisch und ohne deutsche Übersetzung. Dafür war er vorab bereits von einigen deutschen Politikern kritisiert worden.

Erdogan betonte den Anspruch seines Landes auf eine Vollmitgliedschaft in der EU. "Es gibt einige Länder, die unseren EU-Beitritt verhindern wollen. Die Türkei hat keine Alternative als die Vollmitgliedschaft." Das von der Union favorisierte Modell einer privilegierten Partnerschaft lehnte er ab.

In Ludwigshafen haben am Sonntag mehrere Tausend Menschen Abschied von den neun Opfern des Brandes genommen. Die Hintergründe des Brandes sind noch immer nicht aufgeklärt. Anfang der Woche wollen die Ermittler einen ersten offiziellen Zwischenbericht geben. Die Behörden konnten in dem Fall bislang weder einen technischen Defekt noch Brandstiftung ausschließen. Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) sagte auf der Trauerfeier: "Wir werden alles tun, damit aufgeklärt wird, wie dieser Brand geschehen konnte." Die neun Leichen der Opfer der Brandkatastrophe wurden Sonntagnachmittag mit einer Sondermaschine in die Türkei geflogen. Begleitet wurden die Särge von zahlreichen Hinterbliebenen. Am Montag sollen die Toten beigesetzt werden.

Google Tausendreporter Furl YiGG Mister Wong del.icio.us Webnews

Bookmarken bei ...

 

Aus der FTD vom 11.02.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: dpa, AP

 

 FTD-Services 

Streit am Arbeitsplatz, mit Vermieter oder Finanzamt? Aktuelle Urteile aus vielen Rechtsgebieten kostenlos in dieser Datenbank.  mehr

 Nachrichten 

Energie

Erdgas profitiert vom Klimaschutz

Gas erfreut sich als Alternative zu Kohle und Atomkrfat zunehmender Beliebtheit. mehr

Teuerungsrate frisst Lohnsteigerungen auf

Die Kaufkraft der Deutschen schrumpft zum dritten Mal in Folge um über ein Prozent. mehr

Führungszeugnisse als Schutz für Kinder

Der Bundesrat fordert, im Bundeszentralregister demnächst mehr Straftaten aufzuführen. mehr

Karlsruhe: Steuerabzug für Krankenversicherungsbeiträge zu niedrig

Von den gezahlten Beiträgen soll die notwendige Grundversicherung künftig steuerfrei bleiben. mehr

Renten steigen um 1,1 Prozent

Die Opposition spricht von einem Wahlgeschenk. mehr

Tiefensees Masterplan provoziert Union

Der Verkehrsexperte der Konservativen boykottierte gar die Pressekonferenz. mehr

Wissenstest

Was wissen Sie über die Agenda 2010?

Wer erfand den Namen? Was hat es mit dem Alg II auf sich? Wie ist eine Bedarfsgemeinschaft definiert? Die Agenda 2010 ist so umstritten, wie kaum ein Reformwerk ein Deutschland zuvor. Aber was genau ist die Agenda eigentlich? Testen Sie aus Anlass des fünften Jahrestages ihr Wissen! mehr

Bürger rechnen mit Rot-Rot im Bund

Über die Hälfte glaubt, dass die SPD trotz ihres Neins eine Koalition mit der Linkspartei eingehen würde. mehr

Staatsdiener bekommen Hungerlöhne

Etwa 180.000 Beschäftigte bekommen vom Staat derart geringe Löhne, dass sie auf Hartz IV oder Arbeitslosengeld II angewiesen sind. mehr

SPD-Linke rechnet Bahn-Aktie schlecht

Der linke Flügel der SPD attackiert den geplanten Bahn-Börsengang mit dem Argument, die Ausgabe von Aktien sei die teuerste Art der Kapitalbeschaffung. mehr

Was sich bei der Pflege ändert

Nach langen Verhandlungen hat der Bundestag die Pflegereform der Großen Koalition verabschiedet. mehr

DIW-Chef fordert Arbeitslose zu mehr Mobilität auf

Noch dauere der Aufschwung an, doch wer sich aufmachen wolle, müsse es bald tun. mehr

Mehr News aus Deutschland

Deutschland als
 


 

(€) Baden-Württemberg

(€) Sachsen

(€) Osteuropa