Von 1945 bis 1971 blieb die Welt von nennenswerten Bank- und Finanzkrisen verschont - anschließend wurde die Krise zum Normalfall, die Phasen relativer Stabilität zur Ausnahme. Ob einzelne Banken oder ganze Finanzsektoren: Allein von 1982 bis 1997 haben etwa drei Viertel der Mitgliedsstaaten des Internationalen Währungsfonds (IWF) gefährliche Krisen durchgestanden. In 14 Fällen verschlang die Sanierung des Kreditsektors mit Steuergeldern mehr als zehn Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Insgesamt waren mehr als 100 Industrie- und Entwicklungsländer betroffen.
Die teilweise vom Weltwährungsfonds angeordneten Rettungspakete verschlangen bis dato mehr als 250 Mrd. $. In dieser Zahl nicht enthalten ist die Sanierung des japanischen Finanzsektors, die sich über die gesamten 1990er-Jahre hinzog und bis 2006 allein an Abschreibungen 260 Mrd. Euro kostete.
Nach 1997 ging es Schlag auf Schlag weiter: 1998 folgten die Krisen in Asien und Russland. Allein in Thailand wurden seinerzeit rund die Hälfte aller Banken geschlossen. Indonesien verbrauchte 57 Prozent seines BIP, um die Banken über Wasser zu halten. In den Jahren 2000 und 2001 erwischte es die Türkei, deren Kreditsektor ebenfalls mit Staatshilfe gerettet werden musste. 30 Prozent des BIP flossen in die Sanierung des maroden Finanzsektors.
In Deutschland geriet die Kreditwirtschaft nach dem Zusammenbruch der Interneteuphorie und des damit verbundenen Börsencrashs erstmals unter die Räder. Chronische Ertragsschwächen und überdimensionale Kostenblöcke waren jahrelang durch Gewinne an den Aktienmärkten kaschiert worden. Die Branche bewältigte die Krise zwar aus eigener Kraft. Aber schon damals zirkulierte der Vorschlag, in einer "Bad Bank" unter staatlicher Mitwirkung sämtliche faulen Kredite des Sektors zu bündeln und abzuarbeiten. Zugeschrieben wurde diese Idee Josef Ackermann, dem Chef der Deutschen Bank, der seine Urheberschaft jedoch heftig dementieren ließ.
In der aktuellen Bankenkrise - manche sprechen von der schwersten seit der Weltwirtschaftskrise 1929 - war es wieder Ackermann, der als Erster in Deutschland den Staat als Nothelfer ins Spiel brachte. Er glaube nicht mehr an die Selbstheilungskräfte des Marktes, sagte er am Montag und forderte ein gemeinsames Vorgehen von Banken, Regierungen und Notenbanken. In Großbritannien wurde der Ruf bereits erhört und die Bausparkasse Northern Rock verstaatlicht.
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass es ohne den Staat nicht geht, wenn Banken großflächig ins Schlingern geraten und das entsteht, was Aufseher ein "systemisches Risiko" nennen. Das liegt an der zentralen Rolle der Banken im Wirtschaftskreislauf.
Drohen Banken auszufallen, werden daher marktwirtschaftliche Grundsätze meist rasch und ohne größere Bedenken über Bord geworfen. Beispielhaft lässt sich dies in Europa an der Bankenkrise in Skandinavien von 1987 bis 1994 aufzeigen. Vorangegangen war eine weitreichende Deregulierung des Finanzsektors in den 80er-Jahren.
Sie wurde begleitet von einer exzessiven Kreditvergabe der Banken, bei der die Bonität der Schuldner weitgehend ignoriert wurde. So stieg allein in Norwegen die Kreditvergabe von 1985 bis 1986 um mehr als 40 Prozent. In Schweden entstand eine gewaltige Blase am Immobilienmarkt, da die Schuldzinsen für den Erwerb privater Wohnobjekte zur Hälfte von der Steuer abgesetzt werden konnten. Hinzu kam eine Spekulationswelle gegen die skandinavischen Währungen wie die Schweden-Krone. Als die schwedische Zentralbank zur Verteidigung der Krone im September 1992 den Diskontsatz auf 500 Prozent erhöhte, stand das Finanzsystem vor dem Kollaps - heute gehört es zu den gesündesten in Europa.
Der Weg aus der Krise wurde in allen Ländern mehr oder weniger intensiv vom Staat vorgegeben. Überall wurden die Banken rekapitalisiert. Einlagen- und Kreditzinsen wurden reglementiert, um die Ertragsseite der Banken zu stärken.
In einigen Ländern, vor allem in Norwegen, wurden die größten Banken verstaatlicht. Schweden ging einen anderen Weg: Die faulen Kredite der Banken wurden an den staatlichen Sicherungsfonds Securum abgetreten, die erste Bad Bank Europas. Insgesamt übernahm der schwedische Staat umfangreiche Garantien in Höhe von umgerechnet 19 Mrd. Euro, um die Existenz des Sektors zu sichern. Nach erfolgreicher Sanierung zahlten die Banken einen großen Teil der Staatshilfen wieder zurück. In Norwegen strich der Staat eine Reprivatisierungsprämie ein.
Aus der FTD vom 19.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: FTD/Sophia Klipstein, FTD.de
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