Ein Steinwürfe vom Flughafen entfernt hat Gunter Völker seinen Deutschen Hof in Ain Kawa. Zwei Häuser gehören dazu, umgeben von einem großen Garten. Es wird nicht mehr lange dauern, dann sind der christliche Vorort und die Stadt Erbil zusammengewachsen. Die Verbindungsstraße wird gerade neu geteert.
Im Dezember 2005 hat der im thüringischen Tabarz geborene Deutsche seinen Komplex eingeweiht, in dem früher die Uno-Dependance war. Inzwischen bietet das Restaurant Platz für 65 Gäste und ist der Treffpunkt für deutsche Unternehmer im Nordirak. Drei Sorten deutsches Fassbier werden im Deutschen Hof ausgeschenkt, die per Lastwagen rund 2500 Kilometer aus Deutschland nach Erbil rollen. "Die Lieferungen in den Nordirak sind für die Brauereien eher Prestige als Geschäft", sagt Bierverkäufer Friedbert Löschke. Man wolle Flagge zeigen und vor Ort sein, wenn "sich das hier weiterentwickelt".
Fünf Jahre nach dem Sturz des Saddam-Regimes boomen im Nordirak immer mehr Städte und Gebiete. Schon beim Landeanflug auf Erbil, die Hauptstadt der Kurdenregion, fallen die 15 Hochhäuser auf, die neben dem Flughafen errichtet werden. Die Bautätigkeit setzt sich entlang der Straße in die Innenstadt fort. Aus einem riesigen Loch im Zentrum, wo einst Händler Gemüse, Obst und andere Waren auf schäbigen Ständen feilboten, ragen Betonwände und Glasfassaden auf. Ein modernes Einkaufszentrum entsteht. Neue Wohnhäuser werden gebaut. Fast in jeder Straße des größten Stadtteils Hewler stehen Kräne und Bagger. Als die Amerikaner im März 2003 im Irak einmarschierten, hatte Erbil rund 700.000 Einwohner. Heute zählt die Stadt über eine Million Menschen, und ihr Oberbürgermeister Nihad Latif Kodscha ist sicher: Der Zuzug wird weitergehen.
Unternehmen aus Frankreich, Schweden, Großbritannien und Norwegen wittern ihre Chance. Gemeinsam mit den Amerikanern erschließen die Norweger neue Ölfelder. Ein britisch-schwedisches Konsortium baute die Landebahn. Die holländische Regierung gibt seit Januar Zuschüsse für Investitionen im irakischen Kurdistan. Die deutschen Firmen tun sich da noch schwer. "Die Entwicklung im Nordirak ist interessant, das schauen wir uns aufmerksam an", sagt Felix Neugart, Irakexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK). Das Terrain sei aber schwierig: "Der Irak ist nur etwas für Unternehmen, die sich auskennen, verlässliche lokale Partner haben." Der deutsch-kurdische Handel nimmt zu, aber nur etwa 20 Firmen sind vor Ort vertreten - und das fast ausschließlich mit lokalen Mitarbeitern.
Zu den Aktivposten in Erbil gehört der Lkw- und Busbauer MAN. An einer Ausfallstraße Richtung Kirkuk befinden sich die Werkstätten, in einer schicken Villa unweit des Deutschen Hofs in Ain Kawa die Administration. Lastwagen und Busse von MAN rollen seit Jahren auf allen Straßen des Landes. Nach dem Sturz Saddams zog MAN zuerst in das alte Stammhaus in Bagdad ein. Als der Terror begann und die Hauptstadt immer gefährlicher wurde, verlegte die Firma ihre Aktivitäten in den Norden. Nun wird von Erbil aus verkauft.
Doch es gibt noch mehr deutsche Wirtschaftsspuren im Nordirak: Druckmaschinen von Roland laufen im Aras-Druckhaus in Erbil, wo der kurdische Geschäftsführer Bedran Habeeb gerade dabei ist, neben Büchern und Zeitschriften auch eine Tageszeitung herauszugeben. ABB Mannheim, die Tochter des schweizerischen Konzerns ABB, baut an einem Stromwerk im zweieinhalb Autostunden entfernten Dohuk. In Erbil soll nächstes Jahr die Kanalisation saniert und ausgebaut werden - ebenfalls mit deutscher Beteiligung, wie Oberbürgermeister Kodscha verrät. Und zwischen Erbil und Suleimanija entsteht ein Krankenhaus unter dänisch-deutscher Ägide. "Wir können doch nicht warten, bis der Zug gänzlich abgefahren ist", sagt ein deutscher Firmenvertreter in Ain Kawa.
Aus der FTD vom 25.03.2008
© 2008 Financial Times Deutschland, © Illustration: Getty Images
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